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Biofungizide – ist das die Zukunft?

Lesezeit: 6 Minuten

Immer mehr Wirkstoffe fallen weg, nur wenige neue kommen hinzu. Inwieweit biologische Fungizide künftig eine Rolle spielen, weiß Dr. Dietrich Pradt vom IVA.


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Schleichend machen sich immer mehr Wirkstoffe vom Acker. Gleichzeitig nehmen Probleme mit Resistenzen stark zu. Was sind die Gründe für den zunehmenden Wirkstoffschwund?


Pradt: Die Entwicklung, dass der Landwirtschaft immer weniger Pflanzenschutzmittel zur Verfügung stehen, hat in der EU bereits unter der Richtlinie 91/414 EG begonnen. Die Wirkstoff-verluste unter der EU-Zulassungsverordnung 1107/2009 sind jedoch noch dramatischer, zumal neue Wirkstoffe in zu geringer Zahl und zu langsam auf den Markt kommen. Für vier Wirkstoffe, die wir heute verlieren, kommt nur ein neuer nach.


Die Gründe hierfür sind vielfältig – ausschlaggebend sind aber die zunehmend verschärften Zulassungsanforderungen. So scheitern Anträge auf erstmalige oder erneute Wirkstoffgenehmi-gung oft im Laufe des Verfahrens. Das liegt an der neuen gefahrenbezogenen Bewertung unter der 1107/2009, die das Risiko unter Praxisbedingungen nicht mehr berücksichtigt. Hierzu zählen auch die Anforderungen zur Bewertung möglicher endokriner, also hormoneller Wirkungen, auf die sich die EU nun verständigt hat.


Welche Anforderungen hat die EU konkret beschlossen?


Pradt: Nach intensiver Debatte hatte sich die EU bei der Festlegung der Kriterien für die sogenannten endokrinen Disruptoren eng an der Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO orientiert. Verkürzt besagt diese: Ein Stoff hat dann hormonschädliche Eigenschaften, wenn er sich durch seine endokrine Wirkweise schädlich auf einen gesunden Organismus oder dessen Nachkommen auswirkt. Wie dies wissenschaftlich im Einzelnen zu bestimmen ist, steht in einem technischen Leitfaden, dem sogenannten Guidance Document.


Wir kritisieren nach wie vor, dass jene Substanzen, bei denen das tatsächliche Risiko vernachlässigbar ist, nun auch unter die Ausschlusskriterien der EU-Verordnung fallen. Konkret heißt das, dass eine Risikobewertung nicht mehr vorgenommen wird, und nicht zwischen bedenklichen und harmlosen Substanzen unterschieden wird.


Welche Wirkstoffe oder Wirkstoffgruppen stehen durch die Festlegung dieser Kriterien auf der Kippe?


Pradt: Grundsätzlich gilt – ob ein Wirkstoff genehmigungsfähig ist oder nicht, entscheidet sich immer erst im Genehmigungsverfahren. Aber Hinweise gibt es natürlich schon. Vor allem Triazole, die als Fungizide im Getreide, aber auch in vielen Spezialkulturen zum Einsatz kommen, könnten aufgrund der neuen Kriterien zur hormonellen Wirkung ihre Genehmigungen in der EU verlieren. Auch Pyrethroide sowie alle Pflanzenschutzmittel, deren Wirkprinzip auf das Pflanzen- oder Insektenhormonsystem abzielt, wie z.B. Wachstumsregler, Insektenhäutungshemmer, sind hiervon bedroht.


Werden durch die kaum überwindbaren Hürden im Zulassungssystem die Biofungizide künftig interessanter?


Pradt: Sie sind ein zusätzlicher Baustein im Integrierten Pflanzenschutz. Für die nachhaltige Landwirtschaft der Zukunft wird das Zusammenwirken mehrerer Faktoren ausschlaggebend sein. Neben der Digitalisierung, die die Ausbringung von Pflanzenschutz- und Düngemitteln zielgenauer ermöglicht, sowie neuen Züchtungsmethoden wie CRISPR/Cas, werden Fruchtfolgen und die Kombination von biologischen mit chemischen Pflanzenschutzmitteln eine größere Rolle spielen.


Allerdings: Auch biologische Pflanzenschutzmittel müssen den hohen Anforderungen der EU-Pflanzenschutzmittelverordnung 1107/2009 genügen. Diese Hürden schaffen heute auch biologische Mittel nicht immer.


Worauf basiert die Wirkung biologischer Präparate in erster Linie?


Pradt: Die Wirkungen heutiger Biofungizide, die Formulierungen lebender Mikroben darstellen, beruhen im Wesentlichen auf folgende Wirkmechanismen: Lebende Organismen, wie Bakterien oder Pilze, treten auf der Blattoberfläche oder im Boden in Konkurrenz zu den Pflanzenpathogenen. Metabolite, also Abbauprodukte der Mikroben, können z.B. die Zellmembranen von Schadpilzen beeinträchtigen. Letztlich stimuliert der Einsatz dieser Präparate auch pflanzeneigene Abwehrkräfte.


Gegen welche Krankheiten und in welchen Kulturen ist ein Einsatz denkbar?


Pradt: Prinzipiell ist eine breite Anwendung in verschiedensten Kulturen und gegen eine Vielzahl von Pflanzenpathogenen denkbar. Heute im Markt verfügbare Biofungizide werden vor allem in Sonderkulturen eingesetzt und zeichnen sich durch Stärken in der Behandlung von Echtem Mehltau, Graufäule und einigen weiteren Pilzkrankheiten im Wein-, Obst- und Gemüseanbau aus.


Gegen welche Krankheiten bieten Biofungizide keine Option?


Pradt: In den Ackerkulturen ist der Einsatz von Biofungiziden noch deutlich weniger verbreitet als in den Sonderkulturen. Prinzipiell ist in Zukunft aber auch hier ein verstärkter Einsatz denkbar. Unternehmen arbeiten an Produkten für den Einsatz in Raps, Weizen und Gerste.


Gibt es bereits Versuchsergebnisse zu Wirkungsgraden von Biofungiziden?


Pradt: Die heute am Markt verfügbaren Biofungizide haben ihre Stärken bei späten Anwendungen, insbesondere in integrierten Spritzprogrammen. Sie sind wichtig, um Rückstände im Erntegut zu vermindern.


Der ausschließliche Einsatz von Biofungiziden gegen bestimmte Krankheiten führt regelmäßig zu unterschiedlichen Wirkniveaus abhängig vom Erreger, allerdings noch nicht vergleichbar mit chemischen Fungiziden. Sie sind somit auf absehbare Zeit nicht als vollständiger Ersatz chemischer Pflanzenschutzmittel einsetzbar.


Wie ist die Resistenzgefährdung einzuschätzen?


Pradt: Wegen der speziellen Wirkmechanismen, wie Konkurrenz und Wirkung auf die Zellmembran, ist das Resistenzrisiko als gering einzuschätzen.


Sind im konventionellen Anbau eher Kombinationen aus biologischen und chemischen Präparaten sinnvoll?


Pradt: Ja, unbedingt! Zu den Biofungiziden der ersten Generation zählen neben den klassischen anorganischen Mineralien wie Kupfer und Schwefel auch Extrakte wie z.B. Pflanzenextrakte sowie natürliche Bakterien- oder Pilzstämme. Sie können in ihrer Wirksamkeit aber noch nicht mit den chemischen Wirkstoffen konkurrieren.


In integrierten Programmen sind Biofungizide als ein zusätzliches, wertvolles Werkzeug einzuschätzen und spielen eine immer größer werdende Rolle insbesondere in Sonderkulturen bei Anwendungen kurz vor der Ernte. Also: am Anfang eher chemisch, am Ende lieber biologisch.


Sind Biofungizide für ökologisch wirtschaftende Betriebe eine Chance?


Pradt: Biofungizide sind aufgrund ihrer Wirksamkeit gegen einige pilzliche Erreger im Gemüse- und Sonderkulturbereich auch für ökologisch wirtschaftende Betriebe eine Chance, insbesondere, wenn sie in Kombination mit anderen, im ökologischen Anbau zugelassenen Wirkstoffen eingesetzt werden. Sie müssen allerdings für die Verwendung in der ökologischen bzw.biologischen Produktion zugelassen werden.


Wird der Pflanzenschutz mit biologischen Mitteln teurer?


Pradt: Das hängt von der künftigen Marktsituation und der Verfügbarkeit anderer Lösungen ab. Letztlich wird es immer eine umfassende ökonomische Abwägung des Landwirts sein, ob sich für ihn die jeweilige Pflanzenschutzmaßnahme lohnt oder nicht.


Das Interview führte Matthias Bröker

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