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Pflanzenzüchtung

Weizen ist doch klimaanpassungsfähig

Moderne Weizensorten passen sich an das Klima an, ist ein Team von Wissenschaftlern überzeugt. Sie kritisieren die Dateninterpretation einer europäischen Studie, die das Gegenteil behauptet.

Lesezeit: 4 Minuten

Neue Weizensorten (Elitesorten) sind meist ertragreicher und vielfach auch ertragsstabiler als ältere Sorten. Das ist unter sachkundigen Landwirten und Pflanzenzüchtern eine schon oft belegte Tatsache. Umso größer war die Verunsicherung Anfang dieses Jahres: Eine neue Studie europäischer Umweltforscher alarmierte mit der Aussage, dass europäischer Weizen nicht mehr fähig sei, sich an den Klimawandel anzupassen. Diese mangelnde Klimaresilienz habe die Pflanzenzüchtung zu verantworten.

„Das war eine Fehlinterpretation der Daten“, sagen internationale Pflanzenzüchter und Agrarwissenschaftler in einer Pressemitteilung. Unter der Federführung von Prof. Dr. Rod J. Snowdon, Professor für Pflanzenzüchtung an der Universität Gießen, haben sich Wissenschaftler aus Australien, Deutschland England, Italien, Kanada, Mexico, und den USA zusammengeschlossen. Sie stehen der Publikation skeptisch gegenüber, aus drei Gründen:

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  1. Die Studie enthält keinerlei Angaben über die tatsächlichen Ertragsleistungen der Weizensorten in den verschiedenen europäischen Ländern. Aus diesem Grund können die Autoren der Studie auch keine weitreichenden Schlussfolgerungen über die angeblichen ökonomischen Folgen für die Weizenproduktion und für europäische Landwirte ziehen.
  2. Die zugrundeliegenden Daten wurden nicht gemeinsam mit dem Manuskript publiziert. Das ist eigentlich bei wissenschaftlichen Journalen üblich, auch bei den renommierten „Proceedings” der Nationalen Wissenschaftsakademie der USA (PNAS).
  3. Auch auf Nachfrage wurden die Daten, die für eine fachlich fundierte Bewertung unverzichtbar sind, nicht zur Verfügung gestellt.

Kritischer Blick deckt Fehlinterpretation auf

Die Wissenschaftler um Snowdon wollten die Studie genauer unter die Lupe nehmen und sind auf Ungereimtheiten gestoßen. Sie entdeckten, dass

  • Studiendesign, Datenanalyse und Ergebnisinterpretation ihrer Ansicht nach nicht den üblichen wissenschaftlichen Standards entsprechen.
  • der Datensatz großenteils auf wenigen kleineren Ländern wie Dänemark, Slowakei und Tschechien basiert; deren Anteil beträgt weniger als 5% an der europäischen Weizenproduktion.
  • in keinem der acht untersuchten EU-Länder eine langfristige negative Tendenz der Produktivität zu erkennen ist, wie jedoch von den Autoren behauptet. Vielmehr zeigen die Daten mancher Länder vollständig gegenläufige Trends.
  • drei der fünf wichtigsten europäischen Weizenproduzenten Europas nicht berücksichtigt wurden: Russland, die Ukraine und Großbritannien.

„Es liegt auf der Hand, dass auf dieser schmalen Basis keine weitreichenden Schlussfolgerungen über langfristige Verluste der Klimaresilienz in europäischem Weizen gezogen werden können“, fassen die Wissenschaftler in ihrer Pressemitteilung zusammen. „Diese sehr begrenzte Aussagekraft der Daten haben die Autoren aber nicht davon abgehalten, aus den Ergebnissen eine Bedrohung für die Weizenproduktion „in den meisten Ländern Europas” abzuleiten“, heißt es weiter.

Leidtragende der im Januar weit verbreiteten Pressemeldungen zur Studie seien demnach vor allem europäische Pflanzenzüchter und Sortenzulassungsbehörden. Deren Arbeit führte hingegen über viele Jahrzehnte zu einer großen Vielfalt an regional angepassten, ertragsstabilen Weizensorten und stärke somit die Produktivität und Nachhaltigkeit der globalen Lebensmittelproduktion. Aber auch Landwirte, die bei ihren Sortenentscheidungen auf wissenschaftlich fundierte amtliche Prüfungen und Sortenempfehlungen angewiesen sind, seien durch die Falschinformationen stark verunsichert worden. Leider, so müssen die Wissenschaftler in diesem Fall feststellen, haben die üblichen Maßnahmen zur Qualitätssicherung im wissenschaftlichen Publikationswesen nicht hinreichend funktioniert.

Verbesserte und stabilere Ertragsleistung von Weizen vermutet

Statt der negativen Botschaft der Studie vermuten die Wissenschaftler die reduzierte Reaktionsfähigkeit neuerer Sorten auf Klimaextreme eine andere These: Eine verbesserte und stabilere Ertragsleistung von Weizen (und ggf. auch anderen Kulturen) – trotz des Klimawandels. „Das wäre für Landwirte ja keineswegs bedrohlich, sondern durchaus sehr wünschenswert“, heißt es seitens der Wissenschaftler. Und diese Entwicklung sei zu erwarten. Dafür spreche, dass die aktuellsten Sorten auf langjährigen Selektionsarbeiten und Prüfungen über die vom Klimawandel beeinflussten letzten beiden Dekaden zurückgehen.

Dass neue Sorten ertragreicher und meist ertragsstabiler sind, sei dem Zuchtfortschritt zu verdanken. Für diesen sorgen zum einen amtliche Sortenprüfungen, bei denen alle neuen Sortenkandidaten mehrjährig an zahlreichen, sehr diversen Prüfstandorten angebaut werden. Zum anderen bekommen neue Sorten nur dann eine Zulassung für den Praxisanbau, wenn sie einen Mehrwert im Vergleich zu schon vorhandenen Sorten besitzen.

Um diese Studie geht es

Die Studie mit dem Titel „Decline in climate resilience of Eruopean wheat“ wurde am 24. Dezember 2018 im Wissenschaftsmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America“ (PNAS) veröffentlicht. Die Autoren hatten Daten von amtlichen Leistungsprüfungen über mehrere Jahre ausgewertet und in den meisten Ländern Europas langfristige, negative Tendenzen von Weizensorten auf Klimaschwankungen erkannt. Diese Tendenzen deuten nach Aussage der Autoren darauf hin, dass sich europäische Weizensorten schlechter an Klimaschwankungen anpassen können. Verantwortlich hierfür ist nach Meinung der Autoren die moderne Pflanzenzüchtung, weil sie bei der Züchtung neuer Elitesorten zu sehr auf höchste Ertragsleistung und nicht auf eine gute Klimaanpassung selektieren würde.

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