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Absturz eines Überfliegers

Lesezeit: 5 Minuten

Jahrelang zahlte die Bezirksmolkerei Ansbach sehr gute Milchpreise. Seit 2008 geht es steil bergab.


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Lange Zeit verhielt sich Milcherzeuger Helmut Schuster (Name geändert) ruhig. Doch nach der Generalversammlung der Bezirksmolkerei Ansbach im April dieses Jahres platzte ihm der Kragen. „Seit Jahren steigen die Außenstände, die Milchpreise liegen weit unter dem Durchschnitt, aber einen schlüssigen Plan, wie wir aus der Misere herauskommen, haben die Vertreter unserer Molkerei immer noch nicht“, kritisierte der Landwirt.


Den Geschäftsführer gekündigt.

Wie Schuster ging es 35 weiteren Lieferanten aus der Region zwischen Ansbach und Nürnberg, die sich wenig später zu einem Krisengespräch trafen. Fast alle zogen eine Kündigung bei der Genossenschaftsmolkerei in Betracht. In der Summe standen 22 Mio. kg Milch auf dem Spiel. Für das Unternehmen mit einer Eigenerfassung von 95 Mio. kg pro Jahr war das bedrohlich. Denn bereits Ende 2010 hatten 20 verärgerte Lieferanten westlich von Ansbach 9 Mio. kg Milch gekündigt.


Als die abtrünnigen Bauern den Molkereivorstand mit ihren Kündigungsplänen konfrontierten, ging es Schlag auf Schlag. Im August trennte sich die Ansbacher Molkerei von ihrem Geschäftsführer und ihrem italienischen Vertriebsmitarbeiter. Mitte September kündigte die Genossenschaft per Rundschreiben eine Zusammenarbeit mit der Omira-Gruppe in Ravensburg an.


Das überraschte viele Milchlieferanten. Denn jahrelang hatten Vorstand und Aufsichtsrat Kooperationen abgelehnt mit dem Hinweis, niemand wolle mit Ansbach zusammenarbeiten.


Stattdessen setzte die Molkereiführung bis zuletzt auf den Milchversand – nach dem Motto „was in den letzten 25 Jahren gut funktioniert hat, kann für die Zukunft nicht falsch sein.“


Auf den ersten Blick ist das verständlich. Denn die Molkerei hat mit dem Handel von Rohmilch und einem restriktiven Kostenmanagement zwei Jahrzehnte lang hervorragende Milchpreise erwirtschaftet. Im fünfjährigen Durchschnitt von 2003 und 2007 zahlten die Mittelfranken den dritthöchsten Milchpreis bundesweit.


Zudem erwirtschaftete das Unternehmen Gewinne und konnte Rücklagen bilden. Diese lagen 2007 bei knapp 10 Mio. €. Verbindlichkeiten waren nicht vorhanden. Dafür verfügte die kleine Molkerei über Wertpapiere und liquide Mittel im Wert von 11 Mio. €.


Das Geschäftsmodell von Ansbach war einfach: Die Milch der eigenen Bauern sowie Zukaufsmilch und -sahne gingen fast komplett in den Versand. Dabei flossen 80 bis 90 % der Mengen nach Italien.


Erfolgreich war die Genossenschaft deshalb, weil sie auch den süditalienischen Markt bediente, den die meisten anderen Versandmolkereien mieden. Die Abnehmer dort zahlen zwar überdurchschnittliche Preise. Aber die Zahlungsmoral ist teilweise so miserabel, dass auch Versicherungen nicht mehr für die Milchlieferungen einspringen wollen.


Der frühere Ansbacher Geschäftsführer Heribert Götzenberger beherrschte dieses Risikogeschäft so perfekt, dass die fränkische Molkerei trotz mancher Zahlungsausfälle unter dem Strich immer gute Gewinne einfuhr.


Rückkehr ins Risikogeschäft:

Doch spätestens 2008 und 2009, als die Spotmarktpreise einbrachen, stürzte die Ansbacher Molkerei regelrecht ab. Die Milchpreise fielen weit unter den Durchschnitt. 2009 gehörte Ansbach mit 23,5 Cent Milchpreis zu den schlechtesten Milchauszahlern in Deutschland (siehe Übersicht 1).


Mitten in der Krise beging die Genossenschaft dann einen entscheidenden Fehler. Anstatt sich mithilfe von Kooperationen oder Fusionen neue Verwertungsmöglichkeiten zu erschließen, setzte die Molkerei 2009 wieder verstärkt aufs Risikogeschäft und stellte einen Vertriebsmitarbeiter aus Italien ein. Die Entscheidung war innerhalb des Ehrenamts umstritten. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Johann Lingmann legte deshalb sogar sein Amt nieder. Doch Vorstand und Aufsichtsrat ignorierten die Warnungen.


Für das Unternehmen hatte das fatale Folgen. Die Zahlungsausfälle nahmen drastisch zu. Die „Außenstände“ stiegen von Ende 2008 bis Ende 2010 um 4,6 auf 8,7 Mio. € an, gleichzeitig sanken die liquiden Mittel um 3,9 Mio. € (siehe Übersicht 2).


Doch es kam noch schlimmer. Bis Herbst 2011 sollen die Forderungen sogar bis auf 12 Mio. € angewachsen sein, wie den Mitgliedern der Molkereigenossenschaft auf den Bezirksversammlungen im November verkündet wurde. Jürgen Schwab, Vorstandsvorsitzender der Ansbacher Molkerei, wollte sich auf Anfrage von top agrar dazu nicht äußern.


Gewaltiger Schaden:

Die entscheidende Frage für die Lieferanten ist jetzt, wie viele der ausstehenden Forderungen noch bedient werden. Denn die aktuelle Summe ist alarmierend. Sie würde nicht nur die Ergebnisrücklagen auffressen, sondern auch die Geschäftsanteile der Genossen. Unterdessen beschwichtigt die Molkereiführung, die Geschäftsanteile seien sicher.


Selbst wenn das zutrifft, wäre der Schaden gewaltig. Denn allein durch das Wegschmelzen der Ergebnisrücklagen gingen jedem Mitglied der Genossenschaft rund 9 Ct/kg Quote verloren. Weitere 8 Ct/kg haben die Lieferanten durch den Milchpreisnachteil von 2008 bis 2011 eingebüßt. Für einen Milcherzeuger mit 300 000 kg Jahreslieferung wären das in der Summe immerhin 51 000 €!


An der Basis werden bereits Forderungen laut, Vorstand und Aufsichtsrat solten für die Verluste gerade stehen und zurücktreten. „Die Verantwortlichen haben auf ganzer Linie versagt, weil sie viel zu lange nichts gegen den Absturz der Molkerei unternommen haben“, hält Milchviehhalter Hans Merk aus Lehrberg dem Ehrenamt vor. Er ist überzeugt: „Ohne Druck der Basis würde Ansbach heute noch keine Gespräche mit der Omira führen.“


Omira übernimmt.

Doch selbst die vielen Kritiker unter den Lieferanten hoffen jetzt, dass die Kooperationsverhandlungen mit der Omira GmbH zum Erfolg führen. Ansonsten – so die Befürchtung der Bauern aus Mittelfranken – könnte der Schaden für sie noch größer werden.


Geplant ist offenbar, dass Ansbach die Milch an das ebenfalls genossenschaftlich organisierte Unternehmen aus Baden-Württemberg liefert und auch Gesellschafterin der GmbH wird. Nach Vertragsabschluss soll die Omira dann das operative Geschäft der Mittelfranken übernehmen.


Die Molkerei aus Baden-Württemberg, die auch im bayerischen Neuburg an der Donau ein Werk betreibt, könnte die Milch ohne Weiteres verwerten, heißt es aus Kreisen des Omira-Aufsichtsrates.


Bei Redaktionsschluss Anfang Dezember waren die Verträge zwar noch nicht unterzeichnet. Die Führung der Ans-bacher Molkerei hat aber angekündigt, für die November-Milch den gleichen Milchpreis zu bezahlen wie Omira.


Klaus Dorsch

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