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Börsenmilch: Molkereien können mehr tun

Lesezeit: 6 Minuten

Für 40 Cent kann jeder den Milchpreis bis in den April hinein an der Börse absichern. Doch kaum einer tut es. Die Experten* des ife Instituts erklären die Zusammenhänge.


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Angenommen, Sie hätten die Chance, Ihren Milchpreis für die nächsten sechs Monate im Mittel bei 40 Cent festzuschreiben. Würden Sie sich das entgehen lassen?


Theoretisch ist das möglich, denn das ist der umgerechnete Milchwert, der aktuell am Terminmarkt gehandelt wird (Rohstoffwert Milch Futures; s. Übersicht 1). Seit Mai 2010 kann man an der Eurex in Frankfurt Butter und Magermilchpulver (MMP) handeln. Trotz attraktiver Preise läuft der Börsenhandel mit Milchprodukten nur schleppend. Im laufenden Jahr wurden bis Ende Oktober knapp 1 500 Butterkontrakte à 5 t gehandelt – also ca. 7 500 t Butter. Klingt gut, ist aber im Verhältnis zu der deutschlandweit produzierten Butterblockware wenig – nämlich nur 4 %. Der Anteil ist noch geringer, wenn man bedenkt, dass die Eurex auch für ausländische Interessenten offen ist. Bei Magermilchpulver (MMP) ist der Anteil mit rund 1 500 t noch geringer. Warum tut sich die Milch bei uns an der Börse so schwer?


Umsätze steigen nur langsam.

Dass eine Terminbörse Zeit braucht, um sich am Markt als Taktgeber durchzusetzen, ist klar. Bei Weizen und Raps hat es in Europa mindestens zehn Jahre gedauert. Selbst in den USA brauchte es bei der Milch viele Jahre bis die Umsätze der Warenterminbörse in Chicago (CME) relevante Größen erreichten. Heute wird ein Viertel der US­-Milchproduktion allein über den sogenannten Käsereimilch-Kontrakt an der Börse abgedeckt. In dieser „Kennenlern-Phase“ befindet sich die Eurex bei uns noch. Der Börsenhandel mit Milchprodukten ist im Vergleich zu Weizen und Raps immer noch weit von einem Durchbruch entfernt.


Die Umsätze an der Eurex steigen stetig und zuletzt sogar deutlicher (s. Übersicht 2). Einen Nachfrageschub hat die Umstellung der handelbaren Kontraktmonate gebracht. Zunächst konnten Butter und Milchpulver nur quartalsweise abgesichert werden. Für den Milchmarkt, der auf Monatsrhythmus getaktet ist, war das eine zusätzliche Hürde. Seit September 2012 wird für jeden Monat ein Kontrakt angeboten, immer nur für die kommenden sechs Monate und danach quartalsweise.


Darüber hinaus spielen auch Preisniveau und -erwartung eine wichtige Rolle. Die Umsätze an der Terminbörse für Milchprodukte steigen, wenn die Preiserwartungen sinken. In Phasen steigender Marktpreise geht der Handel von Kontrakten hingegen eher zurück, weil Verkäufer dann weniger Bedarf für eine Preisabsicherung sehen.


Gute Voraussetzungen:

Was für Erzeuger ein Ärgernis ist, fördert den Terminmarkt: hohe und häufige Preisschwankungen. Durch den Wegfall der EU­-Marktstützung schwanken die Milchpreise wie nie zuvor. Gleiches gilt für die börsengehandelten Milchprodukte. Die Butternotierung stieg z. B. zwischen November 2010 und Juni 2011 zunächst um 36 %, um anschließend bis Mai 2012 wieder um 40 % zu fallen. Danach ging es dann bis Juni 2013 wieder um 63 % nach oben. Ein Ende dieser hohen Volatilität ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Mit Blick auf das Quotenende in 2015 könnten die Preise sogar noch stärker schwanken.


Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, müssten die Umsätze eigentlich steigen. Denn wenn Marktbeteiligte die Risiken starker Preisveränderungen nicht vollständig übernehmen wollen, steigt auch das Interesse an der Absicherung von Preisen am Terminmarkt. Bisher sind davon insbesondere die Milch­erzeuger betroffen. Sie tragen den größten Teil dieses Risikos, wenn z. B. der Milchpreis innerhalb weniger Monate um 10 ct/kg einbricht. Sie könnten mehr Planungssicherheit gebrauchen.


Das Problem: Erzeuger müssen immer erst von Butter und MMP auf den Milchpreis umrechnen. Außerdem haben viele Milchviehbetriebe gar nicht die Größe, um selbst an der Börse zu handeln (s. Kasten, Seite 130). So wäre für eine volle Absicherung die kleinste Menge Roh­milch, die ein Erzeuger selbst absichern kann, 100 000 kg Milch. Zudem fehlt den meisten Erzeugern das Wissen, die Erfahrung und vor allem die Zeit, sich mit dem Terminmarkt auseinanderzusetzen. Fakt ist: Der Gang an die Börse ist für Milcherzeuger deshalb im Allgemeinen komplizierter als für Molkereien, Handelsunternehmen oder Erzeugergemeinschaften.


Selbst im Getreidebereich gehen die wenigsten Landwirte selbst an die Börse. Stattdessen bietet der Landhandel den Bauern häufig einen festen Preis vor der Ernte an und sichert sich gleichzeitig an der Börse ab.


Bremsen die Molkereien?

Die Molkereien oder andere Dienstleister könnten einen ähnlichen Service für die Erzeuger aufbauen. Dann müsste nicht der Milcherzeuger direkt an die Warenterminbörse gehen, sondern kann indirekt seine Liquidität sichern. Folgende Modelle wären vorstellbar:


  • Die Molkereien bieten einen Festpreis für Milch an, der z. B. für die kommenden sechs Monate gilt. Gleichzeitig sichern sie sich selbst per Terminkontrakt an der Börse ab.
  • Der Dienstleister bietet einen Liefervertrag mit Referenzpreisen an, die an die Börse gekoppelt sind.
  • Die Milcherzeuger und Molkerei legen vertraglich nur die Menge fest. Der Preis wird später über die Terminbörse von beiden Parteien selbst festgelegt.


Wie viele deutsche Molkereien bzw. Akteure derzeit an der Börse handeln, ist unklar. Denn der Terminhandel ist anonym. Es scheinen aber bisher hauptsächlich Molkereien und Weiter-verarbeiter aus dem Ausland die Börse zu nutzen. Deutsche Molkereien und Erzeugergemeinschaften sind kaum aktiv.


Bei ihnen liegt aber der Schlüssel zum Erfolg. Sie sind die Schaltstelle zwischen den Milcherzeugern und den Abnehmern der Milchprodukte. Denn auch im Verkauf von Milchprodukten wäre die Börse nützlich.


Warum werden diese Chancen nicht genutzt? Die Antwort ist einfach: Die gängigen, langjährigen Vermarktungspraktiken wirken wie eine Bremse. So arbeiten Ernährungswirtschaft und der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) gerne mit langfristigen Kontrakten und festen Preisen. Bei diesen sogenannten Forward­-Kontrakten vereinbaren Molkerei und Abnehmer, dass in den nächsten sechs Monaten z. B. 10 000 t Butter zum Preis von 4,10 €/kg geliefert werden. In dieser Zeit kann sich der Butterpreis allerdings verändern, sodass die Molkerei ein Preisrisiko hat. Sie könnte sich dagegen an der Terminbörse absichernn, tut es aber nicht, weil sie das Preisänderungsrisiko dank der Milchlieferverträge an die Erzeuger größtenteils weitergeben kann.


Vorbild USA?

Die Amerikaner sind da schon weiter. Dort bieten Molkereien und Verarbeiter Programme an, mit denen auch Landwirte Zugang zur Preisabsicherung bekommen. Die meisten in der Milchkette sichern direkt oder indirekt über Angebote von Dienstleistern ab. Auf der Erzeugerstufe hängt es von der Größe ab. Die großen Produzenten und Liefergemeinschaften gehen oftmals selbst an die Börse. Die „normalen“ Landwirte nutzen eher die Molkerei-Angebote.

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