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Das Stickstoff-Limit aus Gülle muss auf den Prüfstand!

Lesezeit: 9 Minuten

Die 170/230er N-Grenze der Düngeverordnung hindert intensive Milchviehbetriebe sich zu entwickeln. Die Obergrenzen sind fachlich infrage zu stellen, wie neue Untersuchungen belegen.


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In den Intensiv-Milchvieh-Futterbauregionen im norddeutschen Tiefland und im Voralpengebiet begrenzt die Düngeverordnung (DüV) mit ihrem Limit von maximal 170 bzw. 230 kg N/ha aus Wirtschaftsdünger die Kuhzahl je Betrieb. Sie verbaut ihnen damit die Wachstumsmöglichkeiten.


Kurz zur Erinnerung: Die „170 kg Regelung“ der seit 2007 geltenden DüV, die die EU-Nitratrichtlinie in nationa-les Recht umsetzt, gilt grundsätzlich für Acker- und Grünland. Auf Antrag dürfen Betriebe auf Intensivgrünland (mindestens 3 Schnitte) und bei flächengenauer Dokumentation der Güllemengen bis zu 230 kg Gesamt-N/ha aus Wirtschaftsdüngern tierischer Herkunft (kurz als „Gülle“ bezeichnet) ausbringen. Die aktuelle DüV regelt bislang nicht den Einsatz von Biogas-Gärresten.


Niederländer dürfen 250 kg N/ha düngen


Diese Höchstmengenbegrenzung ist kurioserweise in den EU-Ländern sehr unterschiedlich geregelt. So beträgt die Höchstmenge z. B. für die Niederlande auf Antrag 250 kg N/ha für die gesamte LN eines Betriebes, wenn dieser mindestens 70 % LN als Dauergrünland nutzt. Niederländische Agrarwissenschaftler haben nachgewiesen, dass sich diese Güllemengen nicht negativ auf die Grundwasserqualität auswirken. Mehr als 70 % der Grünlandbetriebe in den Niederlanden nutzen diese erhöhten Güllemengen.


Anders die Situation in Deutschland: Weniger als 1 % der antragsberechtigten Landwirte nutzen die Ausnahmegenehmigung, obwohl sie in der Regel über Aufzeichnungen im Sinne einer Schlagbilanz verfügen. Das ist bemerkenswert, weil die Auflagen bezüglich der Dokumentationspflicht in beiden Ländern sehr ähnlich sind.


Bis 300 kg N/ha aus Rindergülle gefahrlos möglich


Wie sich hohe Gülledüngung und Gärreste auf die N-Verluste mit dem Sickerwasser unter Grünland tatsächlich auswirken, sollte ein Vergleich neuer Ergebnisse der Universität Kiel mit Ergebnissen aus den Niederlanden klären. Dazu haben wir verschiedene Datensätze von Deutschem Weidelgras dominierten Beständen auf leichten, potenziell austragsgefährdeten Standorten (sandige Böden in Schleswig-Holstein und den Niederlanden) und auf schweren Böden (Bayern) untersucht und bewertet. Die Güllegaben wurden jeweils mit Schwerpunkt im zeitigen Frühjahr mit bodennaher Technik (z. B. Schleppschlauch) ausgebracht. Die Ergebnisse:


Kombinationen aus Gülle-N (ca. 60 kg Gesamt-N) und Mineraldünger bis 360 kg N/ha verursachten auf Sandboden bei intensiver Schnittnutzung (4 Schnitte) keine Überschreitung des Trinkwassergrenzwertes von 50 mg Nitrat/l. Das konnten wir bereits im N-Projekt Karkendamm (Geeststandort; humoser Sandboden, Ackerzahl ca. 25) an der Uni Kiel in 5-jährigen Messungen zeigen. Voraussetzung war aber dabei, dass die Gesamt-N-Zufuhr 300 kg N/ha nicht deutlich überschritt. Dagegen stieg die N-Auswaschung mit steigendem Weideanteil aufgrund der zunehmenden punktuellen Belastungen deutlich an (siehe Übersicht 1).


Ein weiterer Versuch beschreibt über fünf Jahre die Auswirkungen vergleichsweise hoher N-Gaben (ca. 390 kg/ha) auf die Nitrat-Konzentration im Sickerwasser auf einem schweren Standort in Bayern. Hier traten trotz positiver N-Salden weniger als 10 mg Nitrat/l als mittlere Nitratkonzentration über die Versuchsdauer auf (Diepolder et al., 2009).


Die Daten des nationalen Nitrat-Monitoring Messprogramms aus den Niederlanden, die als Basis für die Ausnahme-genehmigung von 250 kg Gesamt-N aus Gülle auf Grünland diente, haben wir he­rangezogen, um unsere Aussagen abzusichern. Die Niederländer unterscheiden sandige Böden je nach Grundwasserstand in feuchte (Grundwasserflurabstand < 40 cm), mittlere (40 bis 80 cm) und trockene Sandböden (> 80 cm). Als Datengrundlage diente das Messprogramm in den Jahren 2000 bis 2002.


Es zeigte sich, dass selbst unter für die Ertragsbildung ungünstigsten Bedingungen (weniger gute Grasbestände/suboptimales Management), auf grundwasserfernen Sandstandorten (> 80 cm Grundwasserflurabstand) und unter Berücksichtigung einer ausgeglichenen Phosphorbilanz etwa 270 kg Gesamt-N/Jahr als Rindergülle gedüngt werden können, ohne den Trinkwassergrenzwert zu überschreiten. Bei gutem Management steigen diese Werte sogar auf deutlich über 300 kg/ha an.


Neuer Versuch bestätigt den geringen Nitrataustrag


Zudem haben wir den Nährstoffaus-trag von Mineraldünger, Rinder-, Schweinegülle und Gärsubstraten (Biogas-Ko- und -Monoferment) mit dem Sickerwasser unter intensiver Grünlandnutzung (4 Schnitte) in einem weiteren Forschungsprojekt „Biogas-Expert“ (www.biogas-expert.uni-kiel.de) in den letzten Jahren am Standort Karkendamm untersucht. Zusätzlich haben Kollegen der Fakultät die N-Verwertung der Bestände sowie die Ammoniak- und Lachgasemissionen während und nach dem Ausbringen in 2007/2008 und 2008/2009 erfasst.


Die Düngung haben wir für alle Düngerformen bis zu 480 kg N/ha gesteigert, um auch die Wirkungen extrem hoher Güllegaben zu erfassen. Sie erfolgte mit Schwerpunkt im zeitigen Frühjahr zu den jeweiligen Schnitten. Die Düngevarianten für das Deutsche Weidelgras dominierte Grünland sahen wie folgt aus:


Mineraldüngung mit KAS: 0, 160, 320, 480 kg N/ha,


Biogas-Gärreste (Monoferment): 480 kg N/ha,


Biogas-Gärreste (Mischferment): 160, 320, 480 kg N/ha,


Rindergülle: 160, 320, 480 kg N/ha,


Schweinegülle: 480 kg N/ha.


In beiden Versuchsjahren (April bis März) traten wegen hoher Niederschläge hohe Sickerwassermengen (2007/2008: 530 mm; 2007/2008: 440 mm; 5-jähriges Mittel: ca. 205 mm) auf. Unter diesen Bedingungen ist davon auszugehen, dass das im Herbst potenziell mineralisierte Nitrat aus dem Oberboden weitestgehend ausgewaschen wird.


Unabhängig von der gedüngten N-Menge und N-Form traten keine statistisch gesicherten Unterschiede bei der Nitratkonzentration im Sickerwasser auf. Dies ergaben die vorläufigen Ergebnisse von insgesamt 26 verrechneten Wochen in der Messperiode 2007/2008 und 20 Wochen in 2007/2008. Selbst unter Berücksichtigung zusätzlicher potenzieller Verluste blieben die Nitratkonzentrationen und -frachten deutlich unterhalb des Trinkwassergrenzwertes. Das bedeutet: Die Bestände waren in der Lage, den pflanzenverfügbaren Stickstoff weitgehend aufzunehmen.


Folgen für intensive Grünlandbetriebe


Die Ergebnisse der Studien decken sich weitgehend, was den Nitrataustrag unter schnittgenutztem Grünland betrifft. Sie verdeutlichen die hohe N-Aufnahme von Deutsch‘ Weidelgras dominierten Grasbeständen und die geringen Nährstoffverluste über das Sickerwasser sowohl auf leichten als auch auf schweren Böden.


Die Niederlande haben mit ihrer Höchstmenge von 250 kg/ha darüber hinaus in erheblichem Maße dem Vorsorgeprinzip Rechnung getragen. Denn auch die Niederländer haben bei guten Grünlandbeständen erst jenseits von 300 kg Gesamt-N/ha deutlich steigende Nitratkonzentrationen im Sickerwasser beobachtet.


Die Ergebnisse des Biogas-Expert-Projektes deuten darauf hin, dass es zwischen den Düngern (Mineraldünger, Gülle, Biogas-gärrest) keine Unterschiede im Stickstoff-Austrag mit dem Sickerwasser gibt, wenn für die Gülle der mineralische N-Anteil in Ansatz gebracht wird.


Die 230er Regelung stärker nutzen!


Vor dem Hintergrund der Problematik des Grünlandumbruchs, der mittlerweile per Verordnung z. B. in Niedersachsen und Schleswig-Holstein stark eingeschränkt ist, ergibt sich aus diesen Ergebnissen eine eindeutige Überlegenheit des schnittgenutzten Grünlands bezüglich der Anforderungen der EU-Wasserrahmenrichtlinie. Daher sollten Grünlandbetriebe die 230 kg Ausnahmeregelung wesentlich intensiver nutzen. Auch wird deutlich, dass die 230 kg N-Grenze gegenüber den 250 kg/ha in den Niederlanden für wachstumswillige Grünlandbetriebe wettbewerbsverzerrend ist.


Wenn die gute fachliche Praxis der Gülledüngung (bodennahe Ausbringungstechnik, Güllegaben vor allem zu den ertragreichen 1. und 2. Aufwüchsen, keine Gülle nach Ende August) eingehalten wird, entspricht eine Gülledüngung von 230 oder gar 250 kg N/ha der guten fachlichen Praxis.


Die „170 kg Regelung“ gehört noch aus einem weiteren Grund auf den Prüfstand. Wenn derzeit wachstumswillige Betriebe an diese Obergrenze stoßen und die 230 kg N-Ausnahmeregelung nicht in Anspruch nehmen, müssen sie einen Gülleexport an Nachbarbetriebe dokumentieren. Stattdessen setzen sie im eigenen Betrieb zusätzlich Mineraldünger ein.


Der Ersatz von Gülle-N durch Mineraldünger-N führt zu einer zusätzlichen Nährstoffzufuhr in den Betrieb. Das beeinflusst die Hoftorbilanz ungünstig, weil es zu einem steigenden N-Überschuss führt. Zwar erfolgt bei der aktuellen Düngeverordnung die Nährstoff-Bilanz nicht auf Basis der Hoftorbilanz, sondern der aggregierten Schlag- bzw. Feld/Stallbilanz. Um die tatsächliche Nährstoffsituation einzuschätzen, ist diese jedoch wesentlich verlässlicher und besser kontrollierbar. Daher fordern Fachkreise immer wieder, die Hoftorbilanz zur Kontrolle der Umweltverträglichkeit des N-Managements eines Betriebes (Verlustpotenzials) und zur Grobsteuerung der Düngung zu verwenden.


Wendet man die Hoftorbilanz zur Kontrolle des N-Managements an, wird deutlich: Die N-Verwertungseffizienz in der Milcherzeugung des spezialisierten Milchvieh-Futterbaubetriebs wäre wesentlich günstiger, wenn er statt Mineraldünger ausschließlich Kraftfutter- und Gülle-N im Betrieb einsetzt. Dies verdeutlicht Übersicht 2, in der die N-Flüsse für den zusätzlichen Einsatz von 100 kg Kraftfutter-N und 100 kg Mineraldünger-N gegenübergestellt sind. Es zeigt sich, dass bei einjähriger Betrachtung von 100 kg Mineraldünger-N/ha etwa 16 % in Produkt-N (Milch/Fleisch) umgewandelt werden und ca. 34 kg N in Form von Gülle wieder auf das Grünland zurückfließen.


Werden 100 kg Kraftfutter-N je ha (ca. 18 dt KF je Kuh und Jahr bei ca. 1,6 GV/ha) eingesetzt, können davon etwa 32 % in Produkt-N umgewandelt (optimierte ruminale N-Bilanz) werden. Mindestens 45 kg schlagen als langfristig pflanzenverfügbarer Gülle-Stickstoff für das Grünland zu Buche. Bei optimierter Lagerung und Ausbringung der Gülle erhöht sich der Wert sogar auf 55 kg, weil sich die Verluste dadurch auf 20 % verringern lassen. Die DüV veranschlagt aber nach wie vor 30 %.


Die Düngeverordnung neu überdenken!


Diese Modellkalkulationen zeigen, dass eine Begrenzung der Gülle-N-Mengen im Rahmen der „170 kg Regelung“ im Hinblick auf die Hoftorbilanz von wachstumsorientierten, spezialisierten Grünland-Milchviehbetrieben kontraproduktiv ist. Für diese Betriebe wäre demnach die Strategie sinnvoll, die mineralische N-Düngung zu reduzieren und statt- dessen eine optimale Güllewirtschaft mit einer gesteigerten N-Fixierungsleistung durch Leguminosen (z. B. Weißkleenachsaat) zu kombinieren. Diese moderat intensive Futterproduktion müssten sie durch einen optimierten Kraftfuttereinsatz (intensive Milchproduktion) ergänzen. So könnten sie die N-Effizienz optimieren. Die aktuelle DüV schränkt diese Option jedoch ein.


Eine überarbeitete Düngeverordnung im Sinne der EU-Nitratrichtlinie sollte die Hoftorbilanz als zusätzliches Instrument der Grobsteuerung aufnehmen, um die gesamten N-Verlustpotenziale aufzuzeigen. Gärreste sollten wie Gülle behandelt und die Ausnahmeregelung für Gülle-N auf Intensiv-Grünland auf 250 kg N je ha festgesetzt werden. Dass dies gerechtfertigt ist, untermauern die neuen Untersuchungen eindeutig.


Neben dem Wasserschutz sind jedoch auch andere Umweltziele zu bedenken: Zunehmend werden Forderungen laut, klimarelevante Gase aus landwirtschaftlichen Produktionsprozessen zu senken. Indirekt gehören dazu auch die Ammoniak-Emissionen, die bei der Güllelagerung und -ausbringung entstehen. Vor diesem Hintergrund sind auch die für Gülle angesetzten 30 % „unvermeidbarer Verluste“ in der DüV zu überdenken.

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