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Den Stromfressern auf der Spur

Lesezeit: 5 Minuten

In vielen Biogasanlagen steigt der Stromverbrauch durch veraltete Technik schleichend an. Die Suche nach Abhilfe ist für Berater Holger Roswandowicz oft Detektivarbeit.


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Holger Roswandowicz wird immer dann gerufen, wenn es kompliziert wird. So auch vor einem Jahr: Bei dem Betreiber einer Biogasanlage beschwerten sich die Wärmeabnehmer, dass die Heizung nicht richtig funktioniert. Der Landwirt wusste keinen Rat, das BHKW lief auf Volllast, aber bei den Häusern kam trotzdem nicht genügend Warmwasser an. „So ein Fall ist richtige Detektivarbeit“, sagt der Berater, der mit seiner Firma HR Energiemanagement aus Bünde (Nordrhein-Westfalen) neben Gewerbebetrieben auch Biogasanlagen überprüft.


Systematische Analyse:

Häufig geht es dabei zuerst um ein konkretes Problem. „Doch oft stellt sich heraus, dass das nur die Spitze des Eisbergs ist“, muss er feststellen. Nach über 110 untersuchten Biogasanlagen geht er bei der Fehlersuche inzwischen systematisch vor. Nach seinen Auswertungen sind es meist 50 bis 70 Problemstellen, die immer wieder auftreten.


Zur Analyse verwendet er ungewöhnliche Instrumente: Leistungsmesser an verschiedenen Stellen am BHKW oder im Schaltschrank der Anlage, Ultraschallmessgeräte, um den Durchfluss in den Wasserleitungsrohren zu messen. Die Messungen dauern oft 24 Stunden und länger. „Ich will nicht nur eine Momentaufnahme, sondern wissen, wie oft z.B. Pumpen oder Rührwerke im Tagesverlauf eingesetzt werden oder wer wie viel Wärme abnimmt“, begründet er sein Vorgehen.


Messtechnik fehlt oft:

Bei fast jeder zweiten Biogasanlage trifft er auf intelligente Messeinrichtungen, die sogar mit dem Computer der Anlagensteuerung verbunden sind. Sie liefern sehr gute Messwerte – aber nur für ihn als Fachmann. Der Betreiber der Anlage weiß häufig noch nicht einmal, wie man die Werte abruft, geschweige denn, auswertet. Was Roswandowicz dabei häufig feststellt:


  • Einzelne Komponenten wie Rührwerke, Dosierer oder Pumpen verbrauchen von sich aus viel Strom. Bei Komponenten mit über 3000 Betriebsstunden im Jahr empfiehlt er die Nachrüstung eines Frequenzumrichters. „Der kostet ohne Einbau etwa 500 €, rechnet sich aber dank der Einsparung schon im ersten Jahr“, sagt er.
  • Abhilfe schafft auch der Austausch von Komponenten. „Der technische Fortschritt geht voran. Viele Modelle sind veraltet. Es gibt neuere Rührwerke, die bei gleichem Schub nur die halbe Strommenge benötigen“, nennt er ein Beispiel. Die Kosteneinsparungen können 1000 bis 9000 € pro Jahr ausmachen. Oder die Anlagenbauer haben in den Boomjahren zu groß dimensionierte Pumpen und andere Komponenten verbaut, weil einfach keine anderen verfügbar waren. Auch hier kann ein Austausch viel Strom sparen. Ob sich ein Austausch lohnt, lässt sich in Simulationsrechnungen ermitteln.
  • Viel Geld zahlen Anlagenbetreiber auch, weil die Aggregate zu lange oder unnötigerweise gleichzeitig laufen. Das erhöht die Verbrauchsspitze und führt zu teurem Leistungspreis. Hier hilft es, wenn der Betreiber über mehrere Tage mit einem intelligenten Stromzähler bzw. einem entsprechenden Messgerät prüft, welches Aggregat wann und wie lange läuft. Wie Roswandowicz festgestellt hat, kann eine Reduktion der Spitzenlast um 10 kW im Jahr 800 € Einsparungen bringen.
  • Fehler entstehen häufig durch falsche Einstellungen. So ist bei den Sanftanläufen für Rührwerke und Pumpen oft noch die Werkseinstellung vorhanden. Erst, wenn sie auf die entsprechenden Geräte angepasst werden, senken sie den Anlaufstrom. Oder die Gaskühlung vor dem BHKW ist zu hoch eingestellt. „Es gibt Anlagen, bei denen das Gas auf 3°C heruntergekühlt wird, ohne dass es der Betreiber merkt. Dabei würden 7°C oft reichen“, berichtet Roswandowicz.
  • Beim Wärmenetz schleichen sich oft unbemerkt Fehler ein, deren Auswirkungen man dann sehr spät erkennt. Dazu gehören verschlissene bzw. verkalkte Wärmetauscher. Das führt u.a. dazu, dass Pumpen mehr leisten müssen und damit mehr Strom verbrauchen. „Finanziell sind die Auswirkungen jedoch viel höher, da der Betreiber weniger Wärme verkaufen kann und damit auf Erlöse wie den KWK-Bonus verzichtet“, berichtet Roswandowicz.
  • Zudem können Folgeschäden entstehen: Sinkt beispielsweise aufgrund eines verunreinigten Abgaswärmetauschers im BHKW die Heiztemperatur im Fermenter, erhöhen einige Betreiber die Vorlauftemperatur. „Wenn diese aber bei 70°C liegt, kann es zu Schäden der Kunststoffrohre im Fermenter kommen“, warnt der Berater.


Fehler im Wärmenetz:

Auch bei der eingangs beschriebenen Anlage hat er zahlreiche Fehler im Wärmenetz gefunden. Dazu gehörte eine hydraulische Weiche und andere Installationsfehler, die dazu führten, dass Druck und Fließgeschwindigkeit im Wärmenetz zu gering waren, weshalb die Pumpen nicht richtig arbeiten konnten und die Wärme nicht übertragen wurde.


Außerdem hatte der Anlagenbauer zwei 10 m3 große Pufferspeicher in Vor- und Rücklauf installiert, um das Wärmenetz auch bei längeren Stillstandszeiten des BHKW weiter versorgen zu können. Doch Roswandowicz hatte einen Volumenstrom des Kühlwassers von 50 m3 gemessen.


Diese Wassermenge spülte den 10 m3 großen Pufferspeicher durch und vermischte das Wasser aus Vor- und Rücklauf. Die Folge: Der Rücklauf war zu heiß, das BHKW konnte nicht ausreichend Wärme abgeben, was wiederum die Tischkühler auf dem BHKW-Container anlaufen ließ. Diese und weitere Fehler hatten am Ende dazu geführt, dass die Wärmeübertragung nicht funktioniert hat.


Um die Fehler abzustellen, sind zunächst einige Investitionen nötig. „Wir besprechen mit dem Anlagenbetreiber, in welcher Zeit welche Maßnahmen sinnvoll sind“, so der Berater. Nach einem Jahr zeigten sich bereits Erfolge: Konnte der Betreiber vorher nur etwa die Hälfte der Wärme verkaufen, sind es jetzt 70%. Zudem laufen die Tischkühler nicht mehr, der Eigenstromverbrauch ist gesunken. Wieder ein Fall gelöst!


Kontakt:


hinrich.neumann@t-online.de

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