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„Die Dinge selbst in die Hand nehmen“

Lesezeit: 5 Minuten

Was kommt raus, wenn ein Landwirt aus Uganda einen westfälischen Milchvieh­betrieb besichtigt? Erstaunen auf beiden Seiten, unvermutete Gemeinsamkeiten und ein Stück Zuversicht. Eine Annäherung.


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Ein moderner Boxenlaufstall mit 140 Kühen, die wie von Zauberhand vollautomatisch gefüttert und gemolken werden: Schon die Ausstattung des Milchviehbetriebs Große Kintrup in Münster hatte für den Besucher Denis Kabiito aus Uganda viel Neues geboten. So richtig beeindruckt hat den jungen Agrarexperten, der anlässlich des 150-jährigen Jubiläums des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbands (WLV) zu Gast in Deutschland war, jedoch etwas anderes: Die Direktvermarktung des Betriebes.


Leonhard Große Kintrup und seine Familie verkaufen jährlich rund 1 000 000 kg Milch zu 100 % an Privathaushalte und Kantinen. Statt 30 Ct/kg bei der örtlichen Molkerei erlösen sie zwischen 1,05 und 1,29 €/kg Milch, erzielen mit Produkten wie Müsli-Joghurt, Stippmilch und Schichtkäse interessante Gewinnmargen.


Der Aufwand dafür hat es in sich. Leonhard Große Kintrup beschäftigt einen Mitarbeiter in Vollzeit im Stall. 3 Halbtagskräfte und 14 Angestellte auf 400 €-Basis übernehmen Verantwortung in der betriebseigenen Molkerei und für die Ausfuhrlogistik. Mit 6 Lieferwagen steuern sie mehr als 1 000 Privathaushalte und einige Großabnehmer im Raum Münster an, liefern die Waren bis an die Haustür. Die Kunden ordern die Produkte dafür bequem über die moderne Homepage des Betriebes (www.milch-vom-hof.de). Gezahlt wird per Bankeinzug.


Gegensätze und Gemeinsamkeiten:

„Die Menschen sind bereit, für unsere Produkte und unseren Service etwas mehr Geld auszugeben“, erklärt Leonhard Große Kintrup seinem ugandischen Besucher, „für sie zählt am Ende die gute Qualität.“


Denis Kabiito hat diese Erfahrung schon bei anderen Betriebsbesuchen in Deutschland gemacht. Rund 10 000 km weiter südlich, in seiner Heimat, der ugandischen Diözese Luweero, ticken die Uhren indes ganz anders. Die 1 600 Landwirte, die der junge Agrarexperte und seine Mitarbeiter betreuen, besitzen im Durchschnitt 1 bis 2 Kühe. Sie ackern, bedingt durch die Realteilung, auf weniger als 2 ha. Produziert wird fast ausschließlich für den Eigenbedarf.


Es hapert an Bildung, Technik und dem Kapital für notwendige Investitionen. Armut, politische Instabilität, Landgrabbing und der Klimawandel potenzieren diese Probleme.


Und das in einem „grünen Land“, das mit 750 mm Niederschlag pro Jahr und guten Böden eigentlich gute Rahmenbedingungen für eine produktive Landwirtschaft bieten würde (siehe auch unser Interview mit Denis Kabiito: „Das Land ist fruchtbar, aber es fehlt eine Strategie“, top agrar 10/2011).


Voneinander lernen:

„Die Milch weiterzuverarbeiten und gezielt an den Verbraucher zu bringen, ist ein interessanter Ansatz“, erklärt Denis Kabiito, „bei uns fehlt dafür aber schon die Kühltechnik. Und selbst wenn wir sie hätten, der Strom fällt ständig aus. Aussetzer von mehr als zwei Tagen sind keine Seltenheit.“


Ein Alltag ohne zuverlässige Stromversorgung? Undenkbar für den Westfalen Große Kintrup. In seinem Betrieb erfolgt selbst die Futtervorlage per automatischem Verteilsystem. Er und seine Mitarbeiter befüllen nur die Vorratsbehälter mit dem Hoflader. Der Melkroboter ist aus dem neuen Boxenlaufstall nicht mehr wegzudenken. Und der Molkereibetrieb, in dem selbst die Milchflaschen aus Rohlingen hergestellt werden, wäre ohne eine zuverlässige Energieversorgung nur eine Millioneninvestition ohne jeglichen Nutzen.


Auch andere Dinge, die für Leonhard Große Kintrup selbstverständlich sind, bleiben für Uganda noch Zukunftsmusik und erscheinen durch den Besuch des weitgereisten Besuchers in neuem Licht:


  • Die gute Ausbildung des Landwirts und seiner Mitarbeiter.
  • Das Know-how für Maschinen und Technik.
  • Die intensive Beratung durch Landwirtschaftskammer und Bauernverband.
  • Und der verlässliche rechtliche Rahmen mit zahlungsfähigen Verbrauchern vor der Haustür.


Für Denis Kabiito ist indes ein anderer Punkt absolut selbstverständlich: Die Lebensfreude seiner einheimischen Landsleute: „Unsere Landwirte haben nicht viel, aber sie sind zuversichtlich“, ist der junge Ostafrikaner überzeugt, „davon kann sich so mancher Europäer eine Scheibe abschneiden.“


„Zuversicht“ ist für Leonhard Große Kintrup das richtige Stichwort. Er ergänzt es um „Eigeninitiative“. „Man muss als Landwirt die Dinge selbst in die Hand nehmen“, bringt es Leonhard Große Kintrup auf den Punkt: „Wenn ich mich mit meinem 30 ha-Betrieb immer allein auf den Staat verlassen hätte, wäre der Laden bei uns schon lange zu.“ In seinen Augen komme es als Unternehmer da­rauf an, Verantwortung zu übernehmen, sich mit Gleichgesinnten für die gemeinsame Sache einzusetzen.


Auf den Spuren des WLV:

Sich gemeinsam für eine Sache einzusetzen, das ist eine Tradition, die in Westfalen inzwischen schon 150 Jahre alt ist. Damit sind der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband und seine Vorgängerorganisationen die älteste bäuerliche Interessenvertretung in Deutschland. Dieses Know-how will der WLV weitergeben. Bei der 150-Jahrfeier Mitte November in Münster überreichte WLV-Präsident Johannes Röring Denis Kabiito einen Scheck über 5 000 €. Das Motto lautete „Bauern helfen Bauern“, so Röring.


Mit dem Geld wollen Denis Kabiito und seine Mitarbeiter die Produktionsbedingungen der Landwirte in ihrer Heimat verbessern. Sie wollen den Betrieben den Zugang zu Technologie und neuen Märkten ermöglichen, eine bessere Wertschöpfung durch gemeinsame Standards und Vermarktungswege erzielen.


Leonhard Große Kintrup würde sagen: „Die Dinge selbst in die Hand nehmen.“


Matthias Schulze Steinmann

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