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Die Hauspreis-Sünder

Lesezeit: 6 Minuten

Mit Hauspreisen unterlaufen einige Schweine-Schlachter immer wieder den Vereinigungspreis. Wollen sie ihn sturmreif schießen? Die Mäster und Erzeugergemeinschaften sollten sich dagegen wehren.


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Am Schweinemarkt ist die Preisempfehlung der Vereinigung der Erzeugergemeinschaften (VEZG) die wichtigste Orientierungsgröße für Mäster. Viele Schweine in Deutschland werden in Anlehnung an diesen Preis vermarktet. Jeder Mäster kennt ihn. Er sorgt für die notwendige Markttransparenz. Einige Schlachter würden ihn deshalb lieber heute als morgen abschaffen und machen Hauspreise, wann immer es der Markt hergibt.


Die Großen preschen vor.

Die Initiative für Hauspreise geht fast immer von den größeren Schlachtern aus. Nach unseren Recherchen führt die Vion die traurige Hitliste der Hauspreis-Sünder an (siehe Übersicht 1). Allein 2010 versuchte der Konzern acht Mal einen Preis unterhalb des V-Preises durchzudrücken. Aber auch Tönnies, Westfleisch und Danish Crown (früher D&S) gehen immer wieder mit Hauspreisen raus. Erfreulicherweise hält sich die Westfleisch im laufenden Jahr bisher zurück.


Und auch das ärgert die Landwirte: Von den Hauspreisen ist längst nicht jeder Schweinemäster betroffen. In der Vergangenheit wurden einige Lieferanten mit Hauspreisen abgespeist, während andere den regulären Preis erhielten. Möglicherweise haben die Unternehmen doch Angst, ihre Lieferanten zu verlieren. Wenn das rauskommt, ist der Ärger vorprogrammiert. Um das Klima zu wichtigen Vermarktungspartnern nicht dauerhaft zu „vergiften“, zahlten einige zum Teil auch rückwirkend einen Ausgleich, berichten Insider.


Außerdem gilt ein Hauspreis nicht zwangsläufig für die gesamte Schlachtwoche. Wer wann an wen Hauspreise gezahlt hat, ist deshalb nur schwer zu ermitteln.


Auch wenn die Zahlen in der Übersicht deshalb wohl nur eine Tendenz aufzeigen, wird eines doch deutlich: Es geht auch ohne Hauspreise. Das beweisen mittelständische Unternehmen wie Tummel, Müller Fleisch und Böseler Goldschmaus. Sie haben nach unseren Recherchen nie bzw. nur selten unter V-Preis bezahlt.


Marge zu eng?

Warum kommt es immer wieder zu Hauspreisen? Die Vertreter von Vion & Co. sagen, sie würden zu Hauspreisen gezwungen. Kritisiert wird vor allem, dass der V-Preis das Marktgeschehen zu wenig berücksichtigt. „Wir brauchen einen Leitpreis, aber wenn dieser nicht marktgerecht ist, halten wir dagegen“, rechtfertigt Dr. Wilhelm Jäger von Tönnies die Hauspreise.


In dasselbe Horn stößt auch Dr. Heinz Schweer von der Vion und wünscht sich mehr Einfluss auf den V-Preis. Er geht sogar noch einen Schritt weiter und stellt das ganze Preismelder-System infrage. Die hohe Transparenz am Markt schade letztlich sogar den Erzeugern, glaubt er. „Auch der Handel wartet doch den Preis am Freitag ab, bevor er mit uns die Geschäfte macht. Wie sollen wir da höhere Preise im Fleischverkauf durchsetzen, wenn jeder weiß, was wir bezahlen?“


Ganz anderer Meinung ist da der Geschäftsführer der VEZG, Dr. Albert Hortmann-Scholten: „Der V-Preis bildet den Markt für Lebendschweine ab und nicht den Fleischmarkt. Diese Märkte laufen nicht immer parallel. Selbst die Teilstückpreise entwickeln sich doch unabhängig voneinander. Wie will man das auf den Erzeugerpreis übertragen?“ Ihn stört insbesondere die Willkür, mit der Hauspreise durchgedrückt werden. „Manchmal ist der Markt im Süden flotter als im Norden und umgekehrt. Das ist aber nur selten der Grund für Hauspreise“, sagt Hortmann-Scholten.


Über den Kostendruck in der Branche klagen Schlachter ohnehin, seit es starke Erzeugerpreise gibt. Seit 1998 wird der V-Preis ermittelt. Damals traute sich kaum jemand, von diesem abzuweichen.


Die Häufung der Hauspreise hat deshalb in erster Linie mit den veränderten Machtverhältnissen zu tun. Früher fuhr der Händler einfach zum nächsten Schlachter. Heute sind sich die vier Großen oft einig und decken dann über 60 % des Marktes ab.


Zwar darf es kartellrechtlich keine Abstimmung der Hauspreise untereinander geben, trotzdem ist die „Synchronisation“ bei wenigen Mitstreitern wohl deutlich einfacher, als wenn 20 Schlachter mitspielen müssen. Denn nichts verbreitet sich in der Branche schneller als Hauspreise.


Wo ist die Schmerzgrenze?

Während die Hauspreise für die Schlachter also oft ohne Folgen bleiben, ist der Schaden für viele EZGs beträchtlich. Schließlich haben sich die meisten von ihnen verpflichtet, den V-Preis auch an ihre Mitglieder zu zahlen, selbst wenn sie das Geld wegen der Hauspreise nicht wieder reinholen. Bei einer größeren EZG, die z. B. 10 000 Mastschweine pro Woche handelt, geht das schnell ins Geld. Bei einem Hauspreis wie Ende Juli, der 4 Cent unter dem V-Preis lag, sind dann schon mal 40 000 € „weg“. Da sind die vielfach knappen Rücklagen schnell aufgebraucht.


Die Erzeugervertreter müssen deshalb gut abwägen, wann sie die Machtprobe starten. Bereits mittwochs „fühlen“ viele deshalb bei ihren Abnehmern vor, um zu erfahren, was am Freitag möglich ist. Das Problem: In den wenigsten Fällen geben die Schlachthofvertreter zu, dass der Verkauf „brummt“ und die Schweinepreise deshalb kräftig steigen könnten. Es geht deshalb zu wie beim Pokern. Niemand möchte sich in die Karten schauen lassen. Mitunter wird auch mittwochs schon mit Hauspreisen gedroht. Mal ist es nur ein Bluff, mal wird daraus ernst.


Wo die „Schmerzgrenze“ genau liegt, weiß niemand. „Wenn wir den Bogen überspannen, kriegen wir Hauspreise“, gibt ein EZG-Vertreter zu bedenken. Einige sehen das Ganze aber auch sportlich: „Wenn wir nicht mindestens zweimal im Jahr einen Hauspreis haben, sind wir nicht an die Grenzen gegangen!“ Sie glauben, dass auch die Schlachter im Fleischverkauf „getrieben“ werden müssen, damit sie das Maximum rausholen.


Wichtigstes Argument in den Verhandlungen sind die Angebotsmengen. „Liegt das Niveau nur bei 90 bis 95 % der normalen Menge, kommen wir mit dem Preisanstieg gut durch“, sagt ein Erzeugervertreter. Da die EZG-Mitglieder eine Woche vor Lieferung ihre Schlachttiere anmelden sollen, lässt sich gut abschätzen, was in der nächsten Woche an Tieren aufläuft.


Zusätzlich findet im Vorfeld zur Notierung ein reger Informationsaustausch mit allen Marktteilnehmern, auch bilateral mit den Schlachtern, statt.


Machtspielchen:

Dass die Schlachter keinen Einfluss auf den V-Preis haben, wie sie beklagen, stimmt deshalb nicht. Hinzu kommt, dass einige EZGs sogar an Schlachthöfen beteiligt sind. Sie haben sowohl Ein- und Verkauf im Blick.


Hinter vorgehaltener Hand geben deshalb auch Schlachter zu, dass für sie ein starker V-Preis Vorteile hat:


  • Ohne einen Leitpreis müssten sie wöchentlich mit jedem Lieferanten über Preise verhandeln.
  • Bei fallenden Preisen steckt die Vereinigung die Prügel ein. Die Schlachter bleiben im Hintergrund.


Weicht ein Schlachter von dem V-Preis ab, sind diese Vorteile weg. Hinzu kommt, dass in diesen Wochen auch die Schlachtmengen schwer zu kalkulieren sind. Gerade wenn das Schlachtschweineangebot nicht zu groß ist, werden die Händler versuchen, möglichst viele Schweine umzuleiten bzw. in die nächste Woche zu schieben. Kein Wunder also, wenn auch die meisten Schlachtunternehmen die „Hauspreis-Wochen“ scheuen. Bei aller Kritik an der „Treffsicherheit des Vereinigungspreises“ steht fest, dass die Branche eine zeitnahe, vorausschauende Preisbasis benötigt.


Abgesehen von großen Unternehmen brauchen alle Marktteilnehmer eine Orientierung. Insbesondere Landwirte, die sich nicht jeden Tag mit dem Markt- und Preisgeschehen beschäftigen können, wären ohne diese Information hilflos. Viele würden ihre Tiere unter Wert verkaufen.


Andreas Beckhove

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