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Die Hörner einfach wegzüchten

Lesezeit: 9 Minuten

Gute hornlose Bullen waren lange Mangelware. Doch dank intensiver Zuchtarbeit und genomischer Selektion wächst das Angebot an interessanten Vererbern.


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Kaum eine Tätigkeit in der Kälberaufzucht ist so unbeliebt wie das Enthornen. Von den rund vier Mio. Kälbern, die jährlich in Deutschland geboren werden, dürften ca. 80 % enthornt werden.


Die Tiere fixieren, Haare vom Hornansatz schneiden und den Hornansatz mit dem Brennstab entfernen – rund zehn Minuten dauert diese Prozedur pro Kalb. Bei 100 Kühen kommen so schnell 12 bis 17 Stunden Arbeitszeit pro Jahr zusammen, die nur für das Enthornen benötigt werden.


Stress für Mensch und Tier


Das Entfernen der Hörner kostet aber nicht nur viel Zeit, sondern stellt auch einen physischen und psychischen Belastungsstress für Mensch und Tier dar. Dennoch, die Hornlosigkeit bietet den meisten Rinderhaltern eine Reihe von Vorteilen:


Geringere Verletzungsgefahr für den Menschen beim Umgang mit den Rindern;


weniger Stoßverletzungen zwischen den Tieren;


ruhigeres Verhalten in der Gruppe;


höhere Preise beim Verkauf.


Die einfachste Lösung das Enthornen zu vermeiden ist dabei, die Hörner einfach „wegzuzüchten“. Schließlich handelt es sich bei der Hornlosigkeit um ein dominantes Gen. So haben alle Nachkommen aus der Anpaarung reinerbig hornloser Bullen (PP) mit gehörnten Kühen keine Hörner. Und auch bei mischerbigen Bullen (Pp) werden immerhin 50 % der Kälber ohne Hornansatz geboren.


Sehr weit fortgeschritten ist die Hornloszucht schon bei den Fleischrassen. Einige Rassen tragen schon seit Jahrhunderten keine Hörner mehr. Zu den bekanntesten gehören Aberdeen Angus, Hereford oder Galloway. Aber auch bei dem in Kreuzungsbetrieben beliebten norwegischen Rotvieh liegt der Hornlosanteil in der Population weit über 20 %.


Die frühe Selektion auf Hornlosigkeit zeigt sich am deutlichsten beim Fleckvieh. Betrachtet man die fleischbetonten Fleckviehbullen, die fast ausschließlich in Mutterkuhherden eingesetzt werden, liegt der Hornlosanteil bei über 90 %. Dagegen fehlten bislang gute Bullen im Fleckvieh-Segment Doppelnutzung. „Hier dürfte der Anteil an hornlosen Tieren bei höchstens ein bis zwei Prozent der Population liegen“, schätzt Johannes Aumann vom Besamungsverein Neustadt/Aisch.


Ähnlich sieht es bei den Holstein Friesian aus. Hier hat vor allem das Engagement zweier amerikanischer Holstein-Zuchtbetriebe, Burket-Falls und Hickorymea, seit den siebziger Jahren für den Erhalt und Ausbau der Hornlos-Linien gesorgt. Doch die Anzahl hornloser Bullen mit hohen Zuchtwerten hielt sich jahrelang in Grenzen.


„Folglich war auch das Interesse vieler Züchter am Merkmal Hornlosigkeit gering, da kaum gute Bullen verfügbar waren und andere Merkmale bei der Anpaarung im Vordergrund standen“, so Karl Heinz Göpel, Leiter der Besamungsstation Göpel Genetik in Herleshausen. Nur wenige Bullen wie z. B. Polled Plus schafften es überhaupt in den breiten Einsatz.


Bis 2020 überwiegend hornlose Vererber?


Doch die Situation scheint sich bei Fleckvieh und Holstein Friesian zu verändern.


Gerade die Fleckviehzucht intensiviert derzeit ihre Bemühungen das Hornlosgen auch in der Doppelnutzung breiter zu etablieren. Optimisten wie Dr. Thomas Grupp, Bayern-Genetik, gehen sogar davon aus, dass schon 2020 der überwiegende Teil der Fleckviehbullen genetisch hornlos sein wird.


Denn die Fleckviehzucht hat es geschafft durch Embryotransfer und späteren Einsatz der weiblichen Tiere in die staatlichen Milchviehherden, vor allem am Versuchsgut in Grub, das dominante Hornlosgen vom fleischbetonten Fleckvieh auch in die Fleckvieh-Doppelnutzung zu schleusen.


Sicherlich steckt das Zuchtprogramm auf Hornlosigkeit immer noch in den Kinderschuhen, vor allem, wenn man das Angebot an genetisch hornlosen Bullen mit dem der „normalen“ vergleicht.


Im bayerischen Fleckvieh-Zuchtprogramm sind 1 600 Bullen registriert. Nur 83 Bullen an bayerischen Stationen sind mit Hornlosstatus (P, Pp oder PS) registriert. Die Chance, dass sich dabei ein Spitzenvererber für die Milchviehhalter herauskristallisiert, ist äußerst gering.


Fleckvieh: Neue Bullen bringen den Durchbruch


Und dennoch sind die Erfolge in jüngster Zeit erkennbar: Aktuell stehen mit den mischerbigen Bullen Wahnfried PS, Solo Pp, Shoot PS, Sylt Pp und David PS fünf aus den neuen Jahrgängen zur Verfügung, die auch den gehörnten Konkurrenten Paroli bieten können (Übersicht 3).


Einen starken Schub gab es vor zwei Jahren mit dem Bullen Ralmesbach PS: Der aus der Almesbacher Milchviehherde stammende Ramhorn-Sohn gehört mit 125 Milchwert zu den leistungsstarken Fleckviehvererbern und hat mittlerweile 25 000 Erstbesamungen absolviert. Sein Schwachpunkt ist die Eutervererbung. Durch die Anpaarung an euterstarke Kühe brachte er allein im letzten Jahr 13 teils hornlose Söhne für den Testeinsatz hervor.


Durch den gezielten Einsatz der aktuellen Hornlos-Bullen wird sich die Zahl der genetisch hornlosen Prüfkandidaten stark erhöhen. Hinzu kommt, dass durch den gelungenen Auftritt der Nachzuchtgruppe von Solo Pp und Shoot Pp bei der Bundesfleckviehschau in Ilshofen das Image dieser Zuchtrichtung stark verbessert hat. Beide Bullen haben ihre Stärken vor allem in der Exterieurvererbung, allerdings bei durchschnittlicher Milchmenge.


Schon jetzt ist in Bayern die Grundlage an Kuh-Kälbern und Jungrindern deutlich angewachsen. In den nächsten Generationen ist, bei weiterer Anpaarung mit einem heterozygoten Bullen, mit einem Schub an Tieren zu rechnen, welche bereits homozygot hornlos (PP) sein können (Übers.1). Aus den Geburtsjahren 2008 und 2009 stehen bereits 5 200 weibliche Tiere mit Angabe des Hornstatus in den Ställen.


Holsteins: „Wir brauchen mehr Lawn Boys“


Die Situation bei den Holsteins verläuft derzeit fast parallel. Allerdings stößt hier die Hornloszucht nicht bei allen Zuchtorganisationen auf so offene Ohren wie beim Fleckvieh.


Oberster Verfechter bleibt die private Zuchtstation Göpel-Genetik im hessischen Herleshausen, die sicherlich die größte Auswahl an hornlosen Vererbern im Holstein-Bereich bietet. Das Problem: Bei den meisten Bullen handelt es sich um Jung- oder Wartebullen, die derzeit in Deutschland nicht eingesetzt werden dürfen.


„Mit der offiziellen Einführung der genomischen Zuchtwert im Juli/August diesen Jahres dürfte sich diese Situation aber ändern“, so Karl-Heinz Göpel. Denn dann dürfen genetisch hornlose Jung-/Wartebullen mit genomischem Zuchtwert in Deutschland auch von Göpel angeboten werden. Bullen wie der hornlose Russel-Sohn Rafael RF oder der aus der Zuchtstätte Wiethege stammende Darwin-Sohn Dallas Red wären breit einsetzbar.


Aber Göpel ist längst kein Einzelkämpfer mehr im Hornlosgeschäft, auch die Rinder Union West (RUW) und andere deutsche Zuchtverbände mischen hier mit (Übersicht 2). „Unsere ersten Versuchsballons, Dadano P und Lypoll P sind erfolgreich gestartet“, berichtet Hartwig Meinikmann von der RUW. Vor allem Lypoll wartet mit einer hohen Milchmenge, fast fehlerfreiem Exterieur (RZE 121) und guten Zuchtwerten in den Sekundärmerkmalen auf. Zudem ist er Bullenvater bei mehreren Stationen.


Absoluter Spitzenvererber der hornlosen Holsteins ist momentan der rotbunte Bacculum-Sohn Lawn Boy Red. Für Göpel der Schlüsselbulle für die Verbreitung der Hornlosigkeit gerade im Red Holstein Bereich: „Dieser Bulle macht exzellente Euter und hervorragende Fundamente bei hoher Milchleistung. Genau der Bulle, auf den wir so lange gewartet haben.“


Diese Meinung teilt auch Hartwig Meinikmann von der RUW und ergänzt: „Gerade die zahlreichen hornlosen Lawn Boy-Jungbullen, die sich bei uns und anderen Stationen im Test­einsatz be­finden, werden dafür sorgen, dass wir in den ­nächsten Jahren mehr genetisch hornlose Rinder bekommen ­werden.“


Hornlose Tiere melden


Wichtig dabei ist, dass die Betriebe die hornlos geborenen Kälber auch dem jeweiligen Verband melden. Bei der RUW z. B. steht dafür eine separates Meldeblatt auf der Homepage zur Verfügung. So werden die Tiere, die hornlos geboren werden, mit einem P gekennzeichnet: „Je mehr Tiere gemeldet werden, desto größer wird der verfügbare Pool an hornlosen Bullenmüttern bzw. interessanten Jungbullen“, so Meinikmann.


Der LKV Bayern geht sogar noch einen Schritt weiter. Hier werden alle Besamungen mit einem hornlosen Stier dem LKV-Personal gemeldet. Nach erfolgter Geburt wird der Landwirt vom Leistungsoberprüfer aufgefordert, den Hornstatus anzugeben.


In den ersten Wochen nach der Geburt sollte der Landwirt das Kalb auf eine eventuelle Hornanlage überprüfen. Sind nach ca. drei Wochen noch keine Ansätze zu erkennen, soll die entsprechende Kennzeichnung mit dem richtigen Kürzel (Pp bei mischerbigen Tieren, P bei Tieren mit unsicherer Genkonstellation, PS bei Wackelhörnern) in den Datenbanken erfolgen.


Denn Betriebe, die bei ihrer Herdenplanung in der hornlosen Zuchtschiene vorankommen wollen, sollten auch jederzeit einen Überblick über den Hornstatus ihrer Tiere haben. Ist ein Kalb erst einmal enthornt, weiß man zwei Jahre später nicht mehr, ob auch tatsächlich das Tier mit Hornanlage geboren wurde oder nicht. Dies gilt natürlich umso mehr für die Nachkommen aus heterozygoten Bullen, bei denen statistisch 50 % der Kälber ohne das Gen für Hornlosigkeit auf die Welt kommen.


Nimmt die Nachfrage nach guten Hornlosbullen für die Milchviehhaltung weiter zu, werden die Stationen dazu gezwungen nach geeigneten Jungbullen Ausschau zu halten. Manche Betriebe sehen in dieser Zuchtrichtung gute Vermarktungschancen und werden ihre Spitzenkühe mit Hornlosbullen anpaaren. Ziel wird es jetzt sein, neben heterozygoten Varianten mit einem hervorragenden Elternteil auch homozygote Bullen mit guten Leistungs- und Exterieurzuchtwerten zu erzeugen.


Große Hoffnungen setzen die Holstein-Züchter dabei in das Verfahren der genomischen Selektion: „Nur mit Hilfe der genomischen Selektion können wir schneller hornlose Bullen selektieren, die nicht nur die Hornlosigkeit vererben, sondern auch in den wichtigen Produktionsmerkmalen gute Ergebnisse liefern“, sagt Göpel.


Für Martin Buschsieweke vom Spermaimporteur Semex ist der Einsatz kriegsentscheidend, damit sich hornlose Vererber überhaupt etablieren können: „Derzeit gibt es einfach zu wenig gute hornlose Blut­linien. Hornlose Jungbullen mit hohen genomischen Zuchtwerten müssen jetzt genutzt werden, um einen schnellen Zuchtfortschritt zu erreichen.“


Dass das gelingt, zeigen Jungbullen wie Shine-P oder Lake-P von der RUW. Beide Lawn Boy-Söhne gehören zu den besten von 121 genomischen geprüften Lawn Boy-Söhnen in Deutschland.


Ähnlich mit Vorschusslorbeeren bedacht wird auch der kanadische Goldwyn Sohn Mitey RF, der aber erst mit der Zulassung der Genomzuchtwerte in Deutschland offiziell verfügbar ist. Mitey wird bereits jetzt als Bullenvater eingesetzt.


Wir halten fest


Die Hornloszucht wird vor allem beim Fleckvieh intensiviert. Das ehrgeizige Ziel der süddeutschen Zuchtverbände, 2020 überwiegend hornlose Bullen anzubieten, gelingt aber nur, wenn weiter hornlose Bullen mit hohen Zuchtwerten auf den Markt kommen.


Dies gilt auch für die Holstein-Szene. Wenn Bullen wie Lawn-Boy eine Eintagsfliege bleiben, wird die Hornloszucht bei den Holsteins kaum Fortschritte machen.


Denn trotz eines arbeitswirtschaftlichen Vorteils bei genetisch hornlosen Tieren haben für die Milcherzeuger bei der Bullenauswahl weiterhin Merkmale wie Leistung, Fitness und Exterieur Vorrang.


Bernhard Luntz, Johann Robeis, Institut für Tierzucht; LfL Bayern; Ansgar Leifker, top agrar

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