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Es muss nicht immer „volle Pulle“ sein!

Lesezeit: 7 Minuten

Die Entwicklungsschritte in der Schweinehaltung werden immer größer. Stefan Leuer von der LWK Nordrhein-Westfalen zeigt, dass auch kleinere Wachstumsschritte Chancen bieten.


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Soll ich jetzt noch in die Schweinehaltung investieren? Welche Entwicklungsschritte sind für mich und meinen Betrieb richtig? Vor diesen Fragen stehen derzeit viele Ferkelerzeuger und Mäster, die in der Veredlung ihren Hauptproduktionszweig haben.


Vielen von ihnen macht vor allem das rasante Wachstum Angst. Lag die durchschnittliche Größe für einen neugebauten Maststall vor 15 Jahren noch bei rund 800 Mastplätzen, sind heute Größenordnungen von 2 000 Mastplätzen keine Seltenheit mehr. Selbst in einigen süddeutschen Kreisen grassiert mittlerweile das nordwestdeutsche „Wachstumsfieber“.


In der Sauenhaltung ist die Situation ähnlich. 1 000er-Sauenställe sind keine Seltenheit mehr. Wie stark sich das Größenwachstum in den letzten zehn Jahren zum Beispiel in NRW auf die Herdenstruktur ausgewirkt hat, verdeutlicht Übersicht 1. Im Schnitt hält ein Landwirt in Nordrhein-Westfalen heute rund 800 Mastschweine bzw. knapp 150 Sauen. Das ist alles nicht dramatisch, die nach wie vor ansteigende Trendlinie zeigt aber, dass das Wachstum weiter anhält und sich im Jahr 2011 noch einmal deutlich beschleunigt hat.


Das Risiko steigt.

Grundsätzlich ist gegen diese Entwicklung nichts einzuwenden. Allerdings muss jedem investitionswilligen Schweinehalter klar sein, dass sein Risiko immer größer wird.


  • Vor allem das finanzielle Risiko wächst erheblich. Schon bei eher durchschnitt-lichen Entwicklungsschritten hin zu 1 500 Mast- oder 250 Sauenplätzen müssen inklusive des Umlaufkapitals über 1 Mio. € investiert werden. Kommen dann auch noch Löhne für neue Mitarbeiter, teure Pachtflächen oder hohe Gülleabgabekosten hinzu, wird es in Jahren mit niedrigen Schweine- oder Ferkelpreisen sehr schnell eng. Sackt die Direktkostenfreie Leistung z. B. von 560 auf 200 € pro Sau, fehlen sofort 14 € pro Ferkel, wie Kammerauswertungen ergeben haben. Wer dann nicht mit kühlem Kopf agiert, gerät rasch in eine finanzielle Schieflage.
  • Für wachstumswillige Betriebsleiter steigen auch die Anforderungen an das Güllemanagement. Immer öfter muss diese überbetrieblich verwertet werden. Die Verwertung muss mindestens für die nächsten neun Jahre sichergestellt sein. Das kann entweder über Pachtflächen oder über einen Gülleverwerter wie z. B. die Güllebörse oder den Lohnunternehmer geschehen. Die daraus resultierenden Kosten betragen je nach Region über 10 € je m3 – Tendenz steigend.
  • In veredlungsintensiven Regionen steigen die Auflagen beim Stallbau immer weiter an. Neben umfassenden und teuren Gutachten zu Geruchs-, Stickstoff- und Lärmimmissionen müssen mittlerweile Fragen zu Bioaerosolen beantwortet werden.
  • Schließlich steigen die Herausforderungen an den Unternehmer selbst. Denn gerade in der Landwirtschaft hängt ein beträchtlicher Teil des betrieblichen Erfolges direkt mit der Unternehmer-persönlichkeit zusammen. Er muss neben der Verwaltung und dem Management auch die Produktion im Griff haben. Neben Fachwissen sind Führungsstärke, gute Marktkenntnisse, Engagement und eine hohe psychische Belastbarkeit wichtig.


Welche Strategie wählen?

Ferkel­erzeuger oder Mäster, die sich derzeit Gedanken über die nächsten Jahre machen, sollten sich in Ruhe überlegen, welcher Weg der richtige für ihren Betrieb ist.


Auf keinen Fall darf sich die eigene Betriebsentwicklung an den Aktivitäten des Nachbarn orientieren! Das führt häufig in eine Sackgasse. Besser ist es, sich selbst darüber klar zu werden, was man will und was man kann. Entscheidend ist, eigene Ziele festzulegen und die Stärken und Schwächen des Betriebes glasklar zu analysieren. Dann muss entschieden werden, welche Strategie bei der Betriebsentwicklung gewählt wird. Hierbei lassen sich grundsätzlich vier Formen unterscheiden:


  • Vorzeitiger Wechsel bzw. Ausstieg,
  • defensive Entwicklung,
  • kontrollierte Offensive,
  • stürmische Offensive.


Vorzeitiger Wechsel: Ein vorzeitiger Wechsel bzw. der Ausstieg aus der Produktion kann sinnvoll sein, wenn kein Hofnachfolger in Sicht oder die betriebliche bzw. wirtschaftliche Situation des Hofes dauerhaft angespannt ist. Alarmierend sind ein dauerhaftes Minus auf dem Bankkonto oder die fehlende Eigenkapitalbildung. Ein schon längere Zeit niedriges Leistungsniveau im Stall oder ein Standort ohne Entwicklungsperspektive sprechen ebenfalls dafür, dass ein Ausstieg Sinn macht.


Sobald sich für den Betriebsleiter die Chance ergibt, außerhalb der Landwirtschaft Geld zu verdienen, sollte ein Wechsel sofort in Betracht gezogen werden. Durch das Freisetzen des Umlaufvermögens und die Verpachtung bzw. Vermietung der Hofgebäude können die finanziellen Belastungen des Hofes meistens getilgt werden. Das Familieneinkommen wird dann außerhalb der Landwirtschaft bzw. durch Vermietung und Verpachtung erzielt.


Defensive Entwicklung: Betriebliches Wachstum hat gerade in der heutigen Zeit viel mit Risikobereitschaft zu tun. Ist der Hofnachfolger/-in noch nicht in Sicht und auch die eigene Risikobereitschaft nicht sehr hoch, ist der Fokus der Entwicklung eher auf das qualitative Wachstum zu legen, also auf das Optimieren der Produktion. Hierdurch lassen sich deutliche Einkommenseffekte erzielen. Schon ein verkauftes Ferkel mehr pro Sau und Jahr bringt derzeit einen Grenzerlös von 45 €, gut 100 g höhere Tageszunahmen in der Mast bringen 3 €.


Wer auf die richtige Chance warten will, kann auch eine Kooperation mit einem gleichwertigem Partner eingehen. Damit lässt sich die eigene Marktposition stärken und das Modell bietet bis zum Generationswechsel eine gute Betriebsgrundlage für weitere Entwicklungsschritte. Alternativ könnte eine Kooperation den Einstieg in den Nebenerwerb oder den langsamen Ausstieg erleichtern.


Kontrollierte Offensive: Das betrieb-liche Wachstum in kleineren Schritten (z. B. 120 bis 150 Sauen- oder 800 bis 1 000 Mastplätze) birgt die Chance, das Risiko auf ein erträgliches Maß zu begrenzen. Zwar sind kleinere Investitionen auf den Einzelplatz bezogen oft teurer als die großen Schritte, aber der Gesamtkapitalbedarf liegt dann deutlich niedriger. Dabei muss nicht immer der vorhandene Betriebszweig ausgebaut werden. Auch durch den Einstieg in neue Tätigkeitsfelder kann die Zukunftsfähigkeit des Betriebes sichergestellt werden.


Wird diese Strategie mit zum Beispiel 40 bis 70 % Eigenkapital angegangen, sinkt das finanzielle Risiko erheblich. Voraussetzung dafür ist eine langjährig überdurchschnittliche Leistung in der Produktion und Ökonomie.


An den Unternehmer stellt die Strategie allerdings besondere Anforderungen. Denn die Schritte sind so zu wählen, dass zum einen das Risiko überschaubar bleibt, und zum anderen der Anschluss an die übrigen Betriebe nicht gänzlich verloren geht. Entscheidend für die Langfristigkeit ist, dass die Betriebsgröße zumindest mit der durchschnittlichen Entwicklung in anderen Betrieben Schritt hält.


Stürmische Offensive: Die Strategie, über die derzeit am häufigsten diskutiert, die aber nur von einigen wenigen praktiziert wird, ist die Strategie der großen Wachstumsschritte. Damit ist z. B. der Neubau von 500 bis 1 000 Sauen- oder 3 000 bis 4 000 Mastplätzen gemeint.


Neben der baulichen Größe fallen diese Investitionen vor allem durch ihren immensen Kapitalbedarf ins Auge. Nicht selten sind Gesamtinvestitionen von mehr als 2 Mio. € notwendig, wovon der überwiegende Teil (über 90 %) meist mit Fremdmitteln finanziert wird. Der Eigenkapitaleinsatz beschränkt sich oft auf einen Teil des Umlaufvermögens.


Betriebe, die eine solche Strategie umsetzen, müssen langjährige Spitzenleistungen erzielen und dies gleichzeitig auf die neuen Stalleinheiten übertragen können. Das erfordert nicht nur ein sehr gutes Management vom Betriebsleiter, sondern gleichzeitig muss der Chef auch in der Lage sein, Mitarbeiter zu führen. Er muss seinen Leuten die eigene Philosophie vermitteln können.


Des Weiteren müssen schlüssige Konzepte für den „Worst-case-Fall“ vorliegen, um auch in Krisenzeiten schnell reagieren zu können. Denn neben den normalen Direktkosten sind bei der „volle Pulle-Strategie“ auch die Arbeit und der Kapitaleinsatz direkt zu bezahlen. Die Liquidität hängt in diesem Fall zusehends von der Rentabilität ab. Wenn also die Rendite des Projektes sinkt, fällt gleichzeitig die Liquidität deutlich ab.


Diese Strategie fordert damit über einen längeren Zeitraum hinaus ein hohes Maß an Risikobereitschaft, für die nur wenige Unternehmer langfristig den Mut aufbringen.

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