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Harnwegsinfekte: Gift für die Fruchtbarkeit

Lesezeit: 9 Minuten

In vielen Betrieben sind Harnwegsinfekte Wegbereiter für Fruchtbarkeitsprobleme. Dr. Torsten Pabst aus Dülmen erläutert, wie Sie Harnwegsinfekte erkennen und behandeln.


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Die ersten Anzeichen sind oft unspektakulär: Bei intensiver Beobachtung fällt auf, dass die ein oder andere Sau immer nur kurz und stoßweise Wasser lässt. Wenn man den Harn auffängt, sind im Glas eitrige Beimengungen zu erkennen. Und bei einigen Tieren läuft im Liegen etwas eitriges Sekret aus der Scham.


Das alles können erste Anzeichen für eine bakterielle Infektion des Harntraktes sein. Aufgrund ihrer Anatomie sind Sauen besonders gefährdet. Denn ihre Harnröhre ist deutlich kürzer als bei männlichen Schweinen. Deshalb können Krankheitserreger sehr schnell die Harnblase besiedeln. Und vom Harnwegsinfekt ist es nur noch ein kleiner Schritt bis zur Gebärmutterentzündung, weil die Keime schnell weiter vordringen.


Die Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit können gravierend sein: Die erkrankten Sauen rauschen weniger deutlich oder sie rauschen häufiger um, die Zwischenwurfzeit kann verlängert sein, und die Abferkelrate sinkt. Zudem kann es es häufiger zu Aborten kommen, und die Totgeburtenrate steigt.


Die ökonomischen Einbußen für den Ferkelerzeuger sind enorm. Denn jedes Umrauschen einer Sau kostet den Landwirt rund 100 €. Ein abgesetztes Ferkel weniger schlägt mit minus 45 € zu Buche, und jede verendete Sau kann bis zu 500 € kosten.


Altsauen besonders gefährdet:

Besonders groß ist die Gefahr, dass Krankheitskeime die Gebärmutter besiedeln, wenn der Gebärmuttermund geöffnet ist. Das ist vor allem rund um die Geburt und beim Belegen der Sau der Fall. Gefährdet sind vor allem:


  • Ältere Sauen, denn mit zunehmendem Alter des Tieres erschlafft die Muskulatur der Harnröhre. Dadurch erhöht sich die Gefahr von aufsteigenden Infektionen. Deshalb spielt die Altersstruktur der Sauenherde eine wichtige Rolle.
  • Sauen mit Fundamentschäden, denn sie sitzen viel und haben daher intensiven Kontakt mit den Erregern auf dem Stallboden. Auslöser für das vermehrte Sitzen können abgerissene Afterklauen, Sohlengeschwüre, Gelenkentzündungen oder eine unzureichende Mineralstoffversorgung sein.
  • Tiere mit Konditionsmängeln: Sauen mit einer überdurchschnittlichen Kondition (Konditionsnote > 4) sitzen bzw. liegen häufiger. Deshalb ist bei ihnen die Infektionsgefahr erhöht.
  • Kalkharn: Bei Sauen, die zum Kalkharnen neigen, entzündet sich die Blasenschleimhaut leichter. Dadurch steigt die Gefahr einer bakteriellen Besiedelung der Blase. Ursachen für das Kalkharnen können eine Überversorgung mit Mineralstoffen oder ein unzureichendes Wasserangebot sein.
  • Verletzungen der Scham können durch Rangkämpfe oder unsachgemäße Geburtshilfe entstehen. Aufgrund von Vernarbungen verschließt sich die Scham dann nicht mehr vollständig, und Umweltkeime können sehr viel leichter in den Urogenitaltrakt eintreten.


Sauenplaner auswerten:

Frühe Hinweise kann die regelmäßige Auswertung der Sauenplanerdaten liefern – am besten in grafischer Form (s. Übersicht 1). Verdächtig ist z. B., wenn im Bestand plötzlich die Umrauschquote ansteigt, die Wurfzahlen zurückgehen oder die Saugferkelverluste ansteigen.


Genau hinschauen sollte man auch, wenn die Zahl der abgesetzten Ferkel abfällt oder die Absetzgewichte sinken. Und spätestens dann, wenn Sauen aus heiterem Himmel verenden, müssen alle Warnlampen angehen. Denn aufgrund der aufsteigenden Infektion kann es zu einer Keimbesiedelung der Nieren bis hin zum Nierenversagen kommen.


Parallel zur Sauenplanerauswertung muss natürlich auch auf klinische Symptome geachtet werden. Typisch für Harnwegsinfektionen ist:


  • Erkrankte Sauen weisen oftmals eine zu geringe Körpertemperatur von weniger als 38,5 °C auf.
  • Die Tiere urinieren kurz und stoßartig, weil ihnen das Wasserlassen große Schmerzen bereitet.
  • Ihr Harn weist blutige und/oder eitrige Beimengungen auf.
  • Die Tiere haben eitrigen Ausfluss.
  • Bei der Trächtigkeitsdiagnose per Ul-traschall lassen sich in der Harnblase häufig Beimengungen nachweisen. Es handelt sich dabei um Entzündungsprodukte.
  • Mitunter leiden die erkrankten Sauen auch unter MMA, ihr Gesäuge ist entzündet und geschwollen.
  • Und ihr Harn riecht nach Ammoniak, weil einige Erreger (Klebsiellen, Proteus, Actinobaculum suis) den Harnstoff spalten. Dabei wird Ammoniak frei.


Die genannten Symptome können sowohl einzeln als auch in Kombination auftreten. Zum Bestätigen der Verdachtsdiagnose sollte ein Harnproben-Screening durchgeführt werden. Dazu wird von etwa 20 Sauen der Morgenurin in einem sterilen Gefäß aufgefangen und dann im Labor chemisch-physikalisch sowie bakteriologisch untersucht (siehe Kasten auf Seite S 29).


Überprüfen lässt sich der Verdacht auf einen Harnwegsinfekt auch durch eine Blutuntersuchung oder die Inspektion von Schlachtorganen. Lassen sich im Blut vermehrt Substanzen nachweisen, die eigentlich über die Nieren ausgeschieden werden wie z. B. Harnstoff oder Kreatinin, so ist dies ein Hinweis darauf, dass die Nieren nicht optimal arbeiten, weil sie eventuell entzündet sind. Und das wiederum kann durch einen aufsteigenden Harnwegsinfekt ausgelöst worden sein.


Beim Schlachtorgan-Check werden Harnblase und Gebärmutter vom Schlachthof begutachtet. Dabei beurteilt der Veterinär den Inhalt und die Oberflächenstruktur beider Organe. Beides liefert wertvolle Hinweise auf den Schweregrad der Erkrankung im Bestand.


Resistenz austesten:

Erkrankte Tiere müssen so schnell wie möglich antibiotisch behandelt werden. Zuvor wird im Rahmen der bakteriologischen Untersuchung ein Resistenztest durchgeführt. Sollte es sich um ein Bestandsproblem handeln, ist es in der Regel sinnvoll, den gesamten Bestand über das Futter zu behandeln. Von chronisch erkrankten Tieren, die regelmäßig an Harnwegsinfekten leiden, sollte man sich besser rechtzeitig trennen.


Neben der antibiotischen Behandlung ist es sinnvoll, einzelne Tiere auch gegen Schmerzen zu behandeln. Dazu hat sich die Wirkstoffkombination Butylscopo-lamin mit Metamizol bewährt. Beides zusammen wirkt nicht nur schmerzstillend, sondern auch entkrampfend auf die Blasenmuskulatur.


Zudem kann es sinnvoll sein, den Harn der Sauen für einen gewissen Zeitraum anzusäuern. Dazu eigenen sich unter anderem gekapseltes Calciumchlorid oder Methionin. Bei stark erhöhtem pH-Wert im Urin (siehe Kasten) sollten aber in jedem Fall das Futter und die Futterzusammensetzung überprüft werden.


Hygiene, Hygiene:

Vorbeugend lässt sich einiges gegen Harnwegsinfekte tun. Eine wichtige Rolle spielt hier die Hygiene im Deckzentrum und im Abferkelstall. Der Kot hinter den Sauen sollte zweimal täglich entfernt werden. Zum Desinfizieren und Binden von Feuchtigkeit setzen viele Landwirte zudem Trockendesinfektionspulver ein. Im Idealfall wird neben dem Abferkelstall auch das Deckzentrum regelmäßig gereinigt und desinfiziert.


Auch beim Besamen muss auf Hygiene geachtet werden. Da ein verschmutzter Genitalbereich die Gefahr des Keimeintrags erhöht, sollte der Schambereich der Sauen vor dem Belegen mit trockenen Einwegtüchern gereinigt werden.


Und beim Natursprung muss darauf geachtet werden, dass für Jungsauen und Umrauscher separate Eber eingesetzt werden. Denn bei Jungsauen kann man davon ausgehen, dass die Harnwege in der Regel noch keimunbelastet sind. Umrauscher dagegen weisen häufig Harnwegsinfekte auf und sollten daher besser künstlich besamt werden, um keine Erreger zu verschleppen.


Neben der Hygiene hat das Stallklima großen Einfluss auf die Gesunderhaltung der Harnwege. Denn wenn es im Genitalbereich der Sauen zu kalt ist, schränkt die Muskulatur der Harnröhre ihre Aktivität ein. Und das erleichtert es Krankheitserregern, in die Harnblase aufzusteigen und Entzündungen hervorzurufen.


Das Auskühlen des Genitalbereichs kann zwei Ursachen haben. Entweder es ist im Spaltenbereich generell zu kalt. Kritisch wird es, wenn die Temperaturen hier unter 16 °C fallen. Deshalb sollte man die Spaltentemperatur bei Verdacht mit einem Infrarotthermometer oder mit einer Wärmebildkamera checken.


Es kann aber auch sein, dass im Spaltenbereich eine zu hohe Luftgeschwindigkeit herrscht. Kritisch wird es bei mehr als 0,2 m/sec.. Im Zweifelsfall sollte man die Strömungsgeschwindigkeit mithilfe einer Nebelmaschine sichtbar machen oder mit einem sogenannten Anemometer messen.


Tränken kontrollieren:

Wassermenge und -qualität spielen eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Harnwegsinfektionen. Wobei weder das „zu viel“ noch ein „zu wenig“ gut ist. Nimmt die Sau zu wenig Wasser auf, wird die Blase nicht ausreichend gespült, und es kann zu Harnwegsinfektionen kommen. Ist dagegen die Wasseraufnahme zu hoch, sinkt die Konzentration im Harn, der pH-Wert fällt ab, und die antimikrobielle Wirkung des Harns ist vermindert.


Außerdem erhöht das vermehrte Urinieren der Sauen die Feuchtigkeit auf dem Spaltenboden und damit den Erregerdruck.


Besonders groß ist der Wasserbedarf während der Laktation, wie Übersicht 2 verdeutlicht. Eine Sau mit 12 Ferkeln muss danach täglich mehr als 30 Liter Wasser aufnehmen, um ihren Flüssigkeitsbedarf zu decken.


Auch die Qualität des Wassers spielt eine wichtige Rolle. Colibelastetes Wasser kann z. B. zu einer Besiedelung der Harnwege mit E. coli-Keimen führen. Und die können entweder direkt zu einer Infektion führen, oder den Organismus der Sau durch die von ihnen gebildeten Endotoxine indirekt schädigen.


Auch im Tierbereich sollte daher nur Trinkwasserqualität verwendet werden. Bei Bedarf kann man das Tränkewasser durch den Zusatz von Chlor- oder Wasserstoffperoxidprodukten desinfizieren.


Säure-Basen-Haushalt:

Der pH-Wert des Harns hat großen Einfluss auf die Anfälligkeit gegenüber Krankheitskeimen. Wird der pH-Wert unter pH 7 gesenkt, vermindert dies die Vermehrung krankmachender Keime in den Harnwegen und in der Harnblase ganz erheblich.


Fakt ist, dass sich der pH-Wert des Harnes maßgeblich über die Fütterung bzw. die Futterzusammensetzung steu­ern lässt. Durch kationenarme Futtermittel wie Getreide, Weizenkleie, Bierhefe und CCM lässt sich der pH-Wert im Harn senken.


Ein sehr wirksames Mittel, um den pH-Wert des Harns rund um die Geburt zu senken, ist z. B. der Zusatz von Gerste. Denn Gerste ist reich an Methionin. Säurezusätze hingegen zeigen kaum Wirkung, da die Säure verstoffwechselt wird.


Im Gegensatz dazu wirken alle kalzium- und eiweißreichen Futtermittel alkalisch, also pH-Wert erhöhend. Dazu gehören unter anderem Sojaschrot, Fischmehl, Grünmehl und Trockenschnitzel.


Doch nicht nur die Zusammensetzung, auch die Qualität des Futters hat Einfluss auf die Gesundheit der Harnwege und damit auf das Fruchtbarkeitsgeschehen. Ist das Futter stark toxinbelastet (z. B. hohe DON-Werte), kann es leicht zu Schleimhautschäden und damit zu Infektionen kommen.

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