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Heumilch: Vom Ladenhüter zum Trendsetter

Lesezeit: 6 Minuten

Der Milchmarkt in Österreich verändert sich rasant. Es gibt nur noch GVO-freie Milch und der Heumilch-Absatz boomt.


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Einen solchen Nachfrage-Boom hat die Milchbranche in Österreich lange nicht mehr erlebt: Der Absatz von Heumilch im Lebensmitteleinzelhandel stieg 2011 im zweiten Jahr in Folge um über 35 % auf 40 274 t an (Übersicht 1). Mittlerweile macht sie 11 % der Landesmilch aus und wächst stärker als Biomilch.


Fast alle großen Handelsketten wie Rewe, Spar, Lidl und Hofer (Aldi) haben inzwischen Heumilch-Produkte im Regal, und das Produktsortiment wächst stetig weiter. Und schon bald könnte der Rohstoff knapp werden, da mittlerweile die komplette Milch der 8 000 Heumilch-Lieferanten, also rund 400 Mio. kg, als solche verkauft wird.


Angestaubtes Image:

Die rasante Entwicklung der Heumilch ist erstaunlich, galt das Image der silofreien Milch doch jahrzehntelang als etwas angestaubt. Sie wurde hauptsächlich für die Produktion von Emmentaler eingesetzt, weil dabei das Risiko für Clostridien geringer war.


Erst durch eine groß angelegte Marketing-Offensive der Arbeitsgemeinschaft Heumilch (ARGE Heumilch) kam der Absatz Ende 2009 so richtig in Gang. Seitdem steigen die Zuwachsraten kontinuierlich, so dass sie in der EU mittlerweile 3 % ausmacht. „Uns war klar: Für die Absicherung und Weiterentwicklung der Heuwirtschaft und um Heumilchprodukte im Premiumbereich zu positionieren, müssen wir auf allen Ebenen aktiv werden“, erklärt Karl Neuhofer, Obmann der ARGE Heumilch. Der Bio-Heumilchbauer ist der Initiator der Werbekampagne: „Heumilch – die reinste Milch“, die bis heute unermüdlich und mit großem Aufwand weiter betrieben wird.


Geworben wird mit der traditionellen Produktionsweise mit Weidehaltung und Frischgrasfütterung im Sommer und Fütterung von Belüftungsheu im Winter. Die gesamte Produktion erfolgt bis zum fertigen Produkt im Regal kontrolliert Gentechnik-frei. Mit dem erst kürzlich von der Universität in Wien nachgewiesenen doppelt so hohen Gehalt an Omega-3 Fettsäuren und einem besseren Fettsäuremuster als in konventionell hergestellter Milch dürfen sie aber aufgrund von EU-Vorgaben nicht werben.


3 Mio. € für Werbung:

Die ARGE Heumilch gibt jährlich rund 3 Mio. € für Anzeigen in Printmedien, im Fernsehen und im Internet aus. Als Zugpferd wurde außerdem ein Spitzenkoch eingebunden. „Durch dieses kluge Marketing ist es gelungen, einen bisher verborgenen Schatz der österreichischen Milchwirtschaft zu heben“, erklärt Johann Költ-ringer, Geschäftsführer der Vereini-gung Österreichischer Milchverarbeiter (VÖM) den Erfolg. Die Strategie, sich durch besondere Milchqualitäten von den Importprodukten abzuheben, ist in Österreich nicht neu. Mit einem Biomilch-Anteil von 13,6 % ist das Land EU-weit an der Spitze (Übersicht 2). Und auch bei der Gentechnik-freien Milch war die Alpenrepublik Vorreiter.


Auf Druck der Öffentlichkeit und der Handelsketten wurde fast die gesamte Milch in Österreich, d.h. rund 2,9 Mrd. kg, auf Gentechnik-Freiheit umgestellt.


Ein geringer Anteil an konventioneller Milch geht an süddeutsche Molkereien. „Mit unseren Betriebsstrukturen in Österreich erreichen wir keine Kostenführerschaft, deshalb müssen wir besondere Qualitäten herstellen und sie dem Kunden mit einer glaubwürdigen Geschichte vermitteln. Dass diese Strategie aufgeht, zeigt die Heumilch einmal mehr“, so Költringer.


Hauptprodukt aus Heumilch ist immer noch Käse (ca. 85 %), zunehmend kommen aber andere Produkte wie Quark, Joghurt, Trinkmilch oder auch Butter hinzu. Rund 60 Molkereien und Sennereien im Land bieten insgesamt 500 verschiedene Heumilch-Produkte an. Seit kurzem gibt es sogar Schokolade und Eis aus Heumilch zu kaufen.


Die Heumilch steht sowohl als Eigenmarke als auch als Marke der Molkereien in Supermärkten und Discountern. Die Preise bewegen sich im mittleren Segment zwischen 89 Ct pro Liter für die Handelsmarke bis hin zu 1,05 Ct pro Liter für das Markenprodukt. Bio-Heumilch ist für ca. 1,15 Ct zu haben.


Über das Preisniveau für die Heumilch wurde in der Branche viel diskutiert. Schließlich war es nicht das Ziel, teure Markenmilch aus dem Regal zu drängen. Letztlich sei aber auf Druck des Handels genau das passiert, berichtet Johann Költringer von der VÖM: „Heumilch hat nicht dafür gesorgt, den Milchabsatz insgesamt zu steigern. Sie hat vielmehr auch Biomilch und die Markenprodukte der Molkereien verdrängt.“ Die Strategie der Ketten, mit ihren eigenen Heumilch-Handelsmarken in ein höheres Preissegment vorzustoßen, sei dagegen aufgeganben. Karl Neuhofer von der ARGE Heumilch schätzt, dass sein Produkt dem Preiseinstiegs-Segment rund 37 % abgenommen hat.


Bis zu 5 Ct Zuschlag.

Umso erstaunlicher ist, dass es der ARGE Heumilch im Gegensatz zu vielen anderen Qualitätsprogrammen gelungen ist, im Laufe der Zeit einen ordentlichen Zuschlag für die Erzeuger auszuhandeln. Vor der Marketingoffensive lag der Zuschlag gegenüber konventionell erzeugter Milch noch bei 0,5 bis max. 1 Ct gegenüber Silomilch. Seit 1. April bekommen die Erzeuger sogar 4 Ct/kg mehr. Für Bio-Heumilch beträgt der Zuschlag gegenüber Bio-Silomilch bis zu 5 Ct/kg. Sie macht etwa 25 % der Heumilch aus.


Trotz der vergleichsweise guten Zuschläge reichen sie für eine wirtschaftliche Heumilch-Produktion noch nicht aus, da die Produktionskosten zwischen 2,5 bis 5,5 Ct/kg Milch höher sind als bei konventioneller Erzeugung. Die Betriebe sind deshalb auf die Extensivierungs-Prämie aus dem ÖPUL-Programm von 170 €/ha angewiesen. Denn ohne eine Belüftungsanlage ist das Heu nur schwer trocken zu bekommen. Die Erzeuger haben sich außerdem zur Einhaltung bestimmter Kriterien verpflichtet. So muss ganzjährig an die gesamte Herde Heu verfüttert werden. Alle Futtermittel müssen Gentechnik-frei hergestellt sein. Die Einhaltung der Auflagen wird durch eine unabhängige, EU-zertifizierte Kontrollstelle überprüft.


Die Aussichten:

Ein solcher Erfolg wie die Heumilch bleibt natürlich nicht lange ohne Nachahmer: In Südbayern gibt es bereits kleinere Käsereien mit Heumilch. Und auch in Südtirol gebe es erste Projekte, berichtet Neuhofer. Der umtriebige Landwirt beurteilt die Aussichten für die Heumilch trotz der Konkurrenz positiv: „Ich rechne damit, dass wir weitere 150 Mio. kg absetzen können. Vor allem im deutschen Markt sehe ich noch Potenzial. So sind Rewe und Aldi in Deutschland sehr offen für neue Milchprodukte.“ Schon jetzt ist Deutschland für die Heumilchprodukte der wichtigste Auslandsmarkt.


Gleichzeitig warnt Neuhofer vor Überhitzung: „Wir produzieren für das Premiumsegment. Nur wenn wir glaubwürdig bleiben, können wir das Marktsegment langsam und solide weiterentwickeln. Zurzeit halten wir uns mit Aktionen etwas zurück, weil wir den Rohstoff nicht haben.“


An Anfragen von Erzeugern, die auf Heumilch-Produktion umsteigen wollen, fehlt es angesichts der guten Prognosen zwar nicht. Ob sie aber wirklich einsteigen, ist fraglich, da die Investitionszuschläge für diese Förderperiode in Österreich ausgeschöpft sind.


Silvia Lehnert

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