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Im Herzen Afrikaner

Lesezeit: 4 Minuten

Horst Gebbers ist einer der größten Pro­duzenten von Malariamedikamenten weltweit – und der einzige in Afrika. Seit Jahren trotzt er dem Bürgerkrieg im Kongo.


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Der stämmige ältere Herr wirkt in seinem Garten im mecklenburgischen Jahmen bei Rostock verwurzelt wie ein alter Baum. Aber im Haus erzählen afrikanische Trommeln und üppige Frauenfiguren aus Ebenholz von einem anderen Leben.


Es sind 10 Stunden Flug von Frankfurt über Addis Abeba nach Kigali und von dort weiter mit einer kleinen Privatmaschine nach Bukavu am Kivu-See im Kongo. „Wenn ich dann aussteige, habe ich das Gefühl, nach Hause zu kommen“, sagt Horst Gebbers schlicht.


Dort ist er stadtbekannt, verkehrt mit einflussreichen Politikern. Sein Unternehmen, die Pharmakina, ist der größte private Arbeitgeber im Kongo und weltweit der drittgrößte Produzent von Malariamedikamenten. Er selbst ist einer der wenigen Europäer, die trotz verheerendem Bürgerkrieg im Land geblieben sind.


Vor 40 Jahren kam er als landwirtschaftlicher Berater in die Entwicklungshilfe, freundete sich mit Land und Leuten an. „Wenn man vom Land kommt und die sozialen Strukturen eines Dorfes kennt, hat man es in Afrika leichter“, erklärt Gebbers, warum er dort schnell sesshaft geworden ist. Die Schulpflicht seiner Söhne zwingt ihn vier Jahre später zum Umzug. Es geht nach Bukavu im Ostkongo, wo er in der Chininfabrik der Boehringer Mannheim als Pflanzungs­leiter einer Chininplantage anheuert. „Mehrjährige, sehr empfindliche Bäume, aber immer noch Landwirtschaft“, erklärt der gelernte Landwirt.


Gebbers steigt auf zum Direktor der Chininpflanzungen und übernimmt das Unternehmen sogar, als der neue Mutterkonzern Hoffmann La Roche in den ersten Bürgerkriegswirren Ende der 1990er- Jahre alle europäischen Angestellten evakuiert und den „Schlüssel in den Teich werfen will“. Keine Sekunde habe er gezögert, als den Angestellten das Unternehmen angeboten wird. Er verzichtet auf seine Abfindung und wird Unternehmer. „Mich hat die Verpflichtung gegenüber unseren langjährigen Arbeitern geleitet“, sagt er heute. Und weiter: „Jeder Bauer lernt doch mehr soziale Verantwortung als ein Manager oder Banker.“ Gebbers vertritt immer eine deutliche Meinung.


In den Folgejahren gibt er der Pharmakina gemeinsam mit seinem franzö­sischen Partner Etienne Erny ein neues Gesicht, entwickelt die Firma vom reinen Rohstoffproduzenten weiter zum Pharmaunternehmen, dem einzigen, das direkt in Afri­-ka Malariatabletten herstellt. Denn von Globalisierung hält Horst Gebbers nicht viel. Inzwischen kann er sogar Aids-Generika für nicht mal 20 Euro pro Monat an die Patienten verkaufen und träumt davon, irgendwann auch Breitbandantibiotika und Kohletabletten am Kivu-See herstellen zu können.


1998 beginnt der Bürgerkrieg, macht die Produktion ungeheuer schwierig, auch heute noch. Einmal muss Gebbers sich mehrere Tage unter seinem Schreibtisch verstecken, während die Fabrik geplündert wird. Als er sich wieder heraustraut, liegt ein guter Freund an der Straße. Er wurde erschossen. „Vieles verblasst, aber solche Bilder lassen ei-­nen nicht mehr los.“ Gebbers schweigt.


Noch immer ist es nicht ruhig im Kongo. Ein UN-Stützpunkt befindet sich nur einen halben Kilometer von Gebbers Haus entfernt. Erklären, warum er trotzdem immer wiederkommt, kann der ältere Herr nicht. Es wird deutlich, wenn er vom Kongo schwärmt, „diesem üppigen, fruchtbaren Land, mit den freundlichen und intelligenten Menschen“, deren Armut eine Schande sei. Zugute kommt ihm wohl seine Unerschrockenheit. Mutig? Nein, das sei er nun wirklich nicht. Den nötigen Pragmatismus, einfach das zu tun, was zu tun ist, ohne groß darüber nachzudenken, hat Gebbers auf dem väterlichen Hof bei Rostock gelernt, ebenso Einfallsreichtum, Geduld und Langmut, die für die Produktion im Kongo so wichtig sind. „Wenn eine Maschine streikt, muss man sich mit dem behelfen, was da ist. Man kann nicht einfach ein Ersatzteil herbeitelefonieren.“ Ansonsten hält er es mit mecklenburgischer Sturheit und der plattdeutschen Weisheit: „Erst mal die Pfeife in Brand und dann das Pferd aus dem Graben.“


Die Geschäftsleitung überlässt der 70-Jährige inzwischen seinen Söhnen, ist nur noch als Berater tätig. Aber er will weiter pendeln zwischen dem Resthof in Jahmen, dessen 22 ha Land an die örtliche Genossenschaft verpachtet sind und dem weißen Bungalow mit dem Palmengarten, seiner Orchideensammlung und dem Bootssteg am Kivu-See. Es ist ein Pendeln zwischen den Welten.


Kathrin Hingst

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