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Impfungen – jeder spart, wo er kann

Lesezeit: 9 Minuten

Die schlechten Ferkelpreise zwingen die Sauenhalter zum Sparen – auch bei der Tier­gesundheit. Dr. Hendrik Nienhoff vom Schweinegesundheitsdienst Niedersachsen erläutert, wo es gefährlich ist, den Rotstift anzusetzen.


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Wo sparen die Ferkelerzeuger in puncto Tiergesundheit am ehesten?


Nienhoff: Sauenhalter, die ihre Ausgaben reduzieren müssen, sparen am ehesten bei den vorbeugenden Maßnahmen, also bei der Parasitenbekämpfung und bei Impfungen. Bei Sauenimpfungen werden z. B. die Impfintervalle verlängert. Bei Ferkel-impfungen wird von einigen Landwirten die Dosis reduziert, und im Geschlossenen System wird auf die ein oder andere Impfung auch ganz verzichtet.


Warum ist es gefährlich, bei Sauen eigenmächtig das Impfintervall zu verlängern?


Nienhoff: Nach einer Impfung baut sich im Tier innerhalb von plusminus zwei Wochen eine Immunität auf. Diese Immunität hält je nach Impfstoff und Erreger unterschiedlich lange vor und fällt dann wieder ab. Um einen sicheren Schutz der Herde zu gewährleisten und keine Impflücken zu riskieren, muss der Impfschutz deshalb rechtzeitig erneuert werden, bevor er abfällt.


Beispiel PRRS-Impfung: Nach einer Bestandsimpfung hält die Immunität der Herde etwa vier Monate. Danach fallen die Antikörpertiter wieder ab. Um die Impfdecke geschlossen zu halten, ist es nötig, nach vier Monaten erneut zu impfen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass einzelne Tiere keinen Schutz mehr aufweisen. In ihnen kann sich das Virus dann vermehren, so dass der Infektionsdruck in der Herde steigt. Im schlimmsten Fall kommt es dann zu einem PRRS-Einbruch im Flatdeck.


Was kann passieren, wenn der Landwirt die vom Hersteller empfohlene Impfdosis nicht einhält?


Nienhoff: Impfstoffe enthalten eine bestimmte Menge von Erregern (lebend oder abgetötet) bzw. Teile des Erregers. Man bezeichnet dies als so genannten Antigengehalt. Antigenmenge und Dosis sind so aufeinander abgestimmt, dass sie im Tier die gewünschte Immunität erzeugen können.


Wird nun die Dosis eigenwillig reduziert, gelangen zu wenig Antigene in das Tier. Die Impfstoffhersteller haben zwar bei der Dosisangabe einen bestimmten Antigen-Sicherheitszuschlag einkalkuliert. Dieser Sicherheitszuschlag kann jedoch schon bei der „normalen“ Impfung über Tropfverluste aufgebraucht sein.


Anders als beim Einsatz von Medikamenten gibt es bei Impfungen nur das Wirksamkeitsprinzip „entweder ganz oder gar nicht“. Wird die zum Immunitätsaufbau benötigte Antigenmenge nicht erreicht, wird daher auch kein Schutz aufgebaut. Bei Herdenimpfungen ist zudem wichtig, dass die Impfdecke geschlossen bleibt, also kein Tier vergessen wird. Allerdings reagiert nicht jedes Tier auf die Impfung. Und wenn dann zusätzlich noch mit einer reduzierten Impfdosis gearbeitet wird, erhöht sich das Risiko, dass die Impfdecke Löcher bekommt. Dadurch steigt der Erregerdruck im Bestand. Und im schlimmsten Fall kommt es trotz Impfung zu Verferkelungen und klinischen Erscheinungen. Deshalb niemals die empfohlene Impfdosis reduzieren!


Welche Gefahr besteht, wenn die reduzierten Impfdosen zusätzlich auch noch in einer Spritze vermischt werden – Stichpunkt „Dänische Mischung“?


Nienhoff: Als „Dänische Mischung“ bezeichnen einige Landwirte die Kombination von PRRS-, Mykoplasmen- und Circoimpfstoffen in einer Spritze. Doch erstens sind die Impfstoffe dafür gar nicht zugelassen. Und zweitens ist das Mischen – mit Ausnahme weniger zugelassener und damit geprüfter Kombinationen – rein rechtlich gar nicht erlaubt!


Und das hat gute Gründe. Denn bei der „Dänischen Mischung“ werden die Dosen jedes einzelnen Impfstoffs vermindert, so dass es trotz Impfung zu erneuten Krankheitsausbrüchen kommen kann.


Zudem kann es durch die enthaltenen Hilfsstoffe zu ungewollten Wechselwirkungen kommen. Das kann im Extremfall sogar zur Inaktivierung eines Impfstoffes führen.


Das Problem: Häufig dauert es sechs bis neun Monate, bis erste klinische Erkrankungen sichtbar werden. Und es dauert noch einmal ebenso lange, bis man die Probleme wieder im Griff hat.


Übrigens: Selbst bei dafür zugelassenen Impfstoffen kann es mitunter sinnvoll sein, auf das Mischen zu verzichten, z. B. wenn es darum geht, die Impfzeitpunkte zu optimieren.


Auf welche Impfungen wird in Geschlossenen Systemen am ehesten verzichtet? Und welche Konsequenzen kann das haben?


Nienhoff: Die größten Kostenverursacher sind die Ferkelimpfungen. Bereits bei der Einführung einer Impfung sollte man sich deshalb sicher sein, dass der Erreger, gegen den geimpft werden soll, auch tatsächlich der Keim ist, der im Bestand die Probleme bereitet.


Beispiel PRRS: Der Ein- oder Ausstieg aus der Ferkelimpfung ist eng an den Nachweis des Erregers geknüpft. Und hier spielt die PCR-Untersuchung in letzter Zeit die entscheidende Rolle. Denn der ELISA-Test kann nicht zwischen Impf- und Feldvirus unterscheiden.


Der Ausstieg aus der PRRS-Impfung ist nur dann möglich, wenn der Bestand frei vom Feldvirus ist. Werden in einer guten Ferkelerzeuger-Mäster-Beziehung mit einer intakten Unterbrechung der Infektionskette über längere Zeit (z. B. ein Jahr) die Ferkel am 14. Lebenstag geimpft, kann es sein, dass im Mastbetrieb nach dieser Zeit kein Feldvirus mehr vorhanden ist. Ist dies der Fall, kann auf die Ferkelimpfung unter Umständen verzichtet werden. Wenn nicht, sollte man weiterimpfen.


Und wann ist der Ausstieg aus der Mykoplasmen- oder der PCV 2-Impfung möglich?


Nienhoff: Die Mykoplasmenimpfung ist inzwischen Standard bei der Ferkelvermarktung. Sie verhindert das Auftreten der Enzootischen Pneumonie. Der Ausstieg aus der Impfung ist eigentlich nur im Geschlossenen System möglich. Und hier auch nur dann, wenn die serologischen Befunde und die Schlachthofergebnisse nur noch einen kaum wahrnehmbaren Mykoplasmendruck nachweisen. Der Betriebsleiter kann sich dann entscheiden, ob er von einem Two-Shot- auf einen One-Shot-Impfstoff umsteigt, oder ob er sich ganz von der Mykoplasmenimpfung verabschiedet. Doch Vorsicht: Was jahrelang gut funktioniert hat, sollte man nicht leichtfertig über Bord werfen. Never change a winning team!


Ähnliches gilt für die Circoimpfung. Auch sie ist mittlerweile bei der Ferkelvermarktung Standard. Hier ist es allerdings schwierig, in einer geimpften Herde diagnostisch festzustellen, ob ein Impfverzicht möglich ist. Wenn Geschlossene Systeme darüber nachdenken, können sie auch gewaltig auf die Nase fallen!


Und wie sieht es bei den Sauenimpfungen aus? Wann ist hier ein Ausstieg möglich?


Nienhoff: Bei den Sauenimpfungen wird immer wieder über einen Ausstieg aus der PRRS-Impfung diskutiert. Das Risiko ist jedoch groß. Denn gerade in viehdichten Regionen wie in Nordwestdeutschland ist die Gefahr einer Re- oder Neuinfektion extrem groß. Das gleiche gilt für die Influenzaimpfung.


Wie überprüfe ich, auf welche Impfungen man unbeschadet verzichten kann?


Nienhoff: Um zu klären, ob ein Impfprogramm noch sinnvoll ist oder nicht, ist eine labordiagnostische Abklärung nötig. Der Tierarzt muss wissen, ob der Erreger, gegen den geimpft wird, überhaupt noch im Bestand ist bzw. wie hoch der Erregerdruck ist.


Klinische Symptome lassen sich aufgrund der Impfung in der Regel jedoch nicht mehr beobachten. Und auch der Antikörpernachweis im Blut ist durch die Impfung erschwert. Denn der Organismus des Schweins bildet ja auch gegen den Impfstoff Antikörper. Und die meisten Impfstoffe sind nicht markiert, das heißt, dass man nicht zwischen geimpften und ungeimpften Tieren unterscheiden kann.


Bei Virusinfektionen kann man jedoch mithilfe der Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR) in Blut- bzw. Gewebeproben oder in Lungenspülflüssigkeit einen direkten Erregernachweis führen. Und der erlaubt dann in der Regel auch eine Unterscheidung zwischen Impfung und Feldinfektion – entweder direkt oder über weiterführende Untersuchungen.


Bei bakteriellen Infektionen ist die Interpretation einer solchen PCR in der Regel schwieriger. Denn in fast allen Herden sind z. B. Mykoplasmen vorhanden. Die Bedeutung im Bestand korreliert aber nicht unbedingt mit dem PCR-Ergebnis. Hier ist die Interpretation des Hoftierarztes gefragt.


Die aussagekräftigsten und zuverlässigsten Ergebnisse liefert jedoch noch immer die Sektion. Mitunter ist es allerdings auch erforderlich, verschiedene diagnostische Maßnahmen sinnvoll miteinander zu kombinieren, um die gewünschte Aussagekraft zu bekommen.


Wichtig ist auch eine sorgfältige Auswahl der Stichprobe. Der Probenumfang sollte so gewählt werden, das auch niedrige Häufigkeiten (Prävalenzen) erfasst werden. Beispiel: Um eine Infektion sicher nachzuweisen, auch wenn nur jedes zehnte Tier infiziert ist (Prävalenz 10 %), sind bei den heute üblichen Herdengrößen 30 Proben erforderlich. Bei einer 20 %igen Prävalenz sind hingegen nur noch 14 Blutproben erforderlich. Das entspricht dem Schlüssel bei der AK-Untersuchung.


Ist das Untersuchungsergebnis da, muss es vom Hoftierarzt noch richtig interpretiert werden: Liegt überhaupt ein aktuelles Infektionsgeschehen vor? Ist der Erreger nachweisbar? Und wie hoch ist der Erregerdruck?


Mit zunehmender Probenzahl steigen die Kosten. Lässt sich mit Misch- bzw. Poolproben Geld sparen?


Nienhoff: Ob sich Proben poolen lassen, hängt von der Art des Nachweises ab. Werden Blutproben z. B. per ELISA serologisch untersucht, ist kein Poolen möglich. Beim direkten Nachweis von genetischem Material per PCR hingegen können bis zu fünf Proben gepoolt werden. Nur bei der Multiplex-PCR können keine Mischproben untersucht werden.


Das gleiche gilt für die Untersuchung von Lungenspülungen, Gewebeproben und Tupfern: Für die kulturelle Anzüchtung ist kein Poolen möglich. Für die Mono-PCR, also den Nachweis eines einzelnen Erregers, ist sie zwar grundsätzlich möglich, aber nicht immer sinnvoll. Und für die Multiplex-PCR ist das Mischen widerum nicht möglich.


Im Zweifelsfall sollte sich der Hoftierarzt vor der Probennahme mit dem Untersuchungslabor über die Poolmöglichkeit der Proben abstimmen.


Welche Konsequenzen kann es haben, wenn Darmwürmer und Räudemilben aus Kostengründen nicht mehr konsequent bekämpft werden?


Nienhoff: Wird die Bekämpfung von Endo- und Ektoparasiten vernachlässigt, dauert es zunächst einige Zeit, bis erste klinische Anzeichen bzw. wirtschaftliche Schäden erkennbar sind. Mitunter vergeht bis zu einem Jahr. Dementsprechend lange dauert es aber auch, um anschließend den Parasitendruck im Bestand wieder zu senken – gerade bei Spulwürmern. Der zeitliche bzw. organisatorische Aufwand und die Kosten übersteigen dann bei weitem das, was eine regelmäßige Ekto- und Endoparasitenbekämpfung gekostet hätte.


Bei der Räude besteht zudem die Möglichkeit, den Erreger im Bestand komplett zu tilgen. Das hat den Vorteil, dass man anschließend auf die weitere Bekämpfung verzichten und die Kosten sparen kann. Die Räudetilgung muss jedoch in jedem Fall gut vorbereitet sein und fachlich begleitet werden, damit sie erfolgreich ist. Als neutrale Berater stehen hier die Schweine­gesundheitsdienste zur Verfügung.


Das Interview führte top agrar-Redakteur Henning Lehnert

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