Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

Aus dem Heft

Jetzt auf Bullen setzen?

Lesezeit: 8 Minuten

Angesichts rekordverdächtiger Rindfleischpreise wollen viele Bullenhalter aufstocken. Doch Vorsicht: Das rechnet sich nur bei besten Leistungen.


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Keine Frage, 2011 war ein Bullenjahr, zumindest was die Preise angeht. Der Export katapultierte die Notierungen auf ein 25-Jahreshoch. Die Preise für U 2-Bullen kratzten gar zeitweise an der Marke von 4 €/kg Schlachtgewicht (Übersicht 1).


Die hohen Interventionsbestände der Vergangenheit sind längst abgebaut. Das Rindfleischangebot liegt inzwischen unter dem Eigenverbrauch. Die EU ist zum Nettoimporteur geworden. Deshalb sind die Aussichten für 2012, trotz leichter Rückschläge, keinesfalls schlecht.


Goldene Zeiten für die Mäster?

Nicht unbedingt, denn der Rindfleischpreis ist nur ein Einflussfaktor von vielen, die über die Rentabilität der Mast entscheiden. Mindestens genauso wichtig sind die Futter- und Bestandsergänzungskosten. Sie machen rund 70 % der Gesamtkosten bzw. 90 % der Direktkosten der Mast aus. Beide Kostenpositionen hatten es 2011 in sich.


Legt man in Übersicht 2 die Bedingungen des Jahres 2011 zu Grunde mit Futterkosten von ca. 1,24 €/Tag, ergibt sich eine notwendige Erlösdifferenz zwischen Schlachttier und neuem Kalb von 2,28 €/Tag (Erlösdifferenz = (Verkaufserlös Schlachttier – Einkaufspreis Kalb) / Masttage). Tatsächlich erreicht wurden aber bei mittleren Verkaufserlösen für einen Fleckviehbullen von 3,60 €/kg SG und einem Kälberpreis von 550 € nur 2,06 €/Tag. Die Differenz zum „Soll“ beträgt damit 22 Ct/Tag – das sind 80 € pro Platz und Jahr. Um dennoch zu einer Vollkosten deckenden Mast zu kommen, hätte


  • der Kälberpreis maximal 430 € betragen dürfen,
  • der Rindfleischpreis 22 Ct höher liegen müssen,
  • die Futterkosten auf 1,00 €/Tag sinken müssen,
  • oder die Gebäudekosten 700 €/Platz, statt der angesetzten 2 000 € betragen dürfen.


Der Tanz ums goldene Kalb:

Dies verdeutlicht das Dilemma vieler Bullenhalter. Betriebsleiter mit einer laufenden Produktion und abgeschriebenen Ställen sind bereit, deutlich höhere Kälberpreise zu zahlen als Neueinsteiger verkraften können. Für Altmäster macht es selten Sinn die Produktion aufgrund hoher Kälberpreise einzustellen. Allenfalls kommt es mal zu Verschiebungen der Einstalltermine. Sie können, bei durchschnittlichen Leistungen, zwar von der Mast leben, eine Neuinvestition lohnt sich unter sonst gleichen Bedingungen aber nicht.


Das zeigt auch ein Blick auf die wirtschaftlichen Ergebnisse der vergangenen Jahre. Wie Auswertungen der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen zeigen (Übersicht 3) fällt, vor allem durch die abfedernde Wirkung der Kälber- bzw. Fresserpreise, die Gewinnentwicklung in der Bullenmast sehr stabil aus. So lag der Gewinn je Mastplatz im vergangenen Boomjahr mit 160 €/Bullenplatz deutlich über dem niedrigen Wert vom Vorjahr. Gemessen am Schnitt der vergangenen Jahre lagen die Ergebnisse allerdings lediglich im guten Mittelfeld. Dieses Niveau erlaubt eine angemessene Entlohnung der eigenen Arbeit und der an die Produktion gebundenen Kosten. Ein neuer Stall lässt sich davon aber noch nicht finanzieren.


Auch für das laufende Jahr gibt es keinerlei Anlass zu besonderer Euphorie. Höhere Preise verbessern zwar die Wertschöpfung der Rindviehhaltung insgesamt, sie sind aber noch kein Garant für eine wirtschaftliche Mast.


Wie rechnen Aufstocker?

Trotzdem fragen sich viele Halter, ob nicht doch jetzt die Zeit für eine Bestandsaufstockung gekommen ist. Die Bauzinsen sind im Keller, der europäische Selbstversorgungsgrad bei Rindfleisch seit Jahren rückläufig und Rindfleischverbrauch und -produktion lassen einen sicheren Absatz erwarten.


Hinzu kommt, dass die Abschmelzung der Betriebsprämien speziell für die Bullenhalter eine erhebliche Reduzierung der Direktzahlungen mit sich bringt. Die „Top ups“ für den historischen Bullenbestand sind zwar bereits seit 2005 von der Produktion entkoppelt. Die Einkommensverluste, die durch den so genannten Gleitflug bis 2013 für die Bullenmäster entstehen, treffen sie vor allem in diesem und dem nächsten Jahr. Viele spezialisierte Bullenhalter werden dadurch 2014 bis zu 50 % und mehr ihrer Direktzahlungen verloren haben.


Wie reagieren?

Ist es möglich die anstehenden Prämienverluste durch eine Ausweitung der Produktion auszugleichen? Wir haben für zwei Mäster mit jeweils 250 Bullenplätzen und einer unterschiedlichen Flächenausstattung nachgerechnet (Übersichten 4 und 5). Dabei haben wir jeweils das Prämienaufkommen des Ist-Betriebes von 2010, also vor dem schrittweisen Abschmelzungsprozess berücksichtigt und leicht überdurchschnittliche Mastergebnisse unterstellt. Die Rechnungen sind für die Mast ab Kalb und die Rasse Fleckvieh kalkuliert. Die wirtschaftlichen Ergebnisse lassen sich aber auf Braunvieh und Holstein-Schwarzbunt bzw. die Mast ab Fresser übertragen. Denn unterm Strich, das zeigen nahezu alle Auswertungen, liegen die einzelnen Verfahren rein wirtschaftlich sehr nah beeinander. Einzelbetriebliche Rahmenbedingungen dominieren die Ergebnisse sehr viel stärker. Daher kann nur eine einzelbetriebliche Kalkulation letzten Endes genauen Aufschluss geben.


Zu unserer Rechnung: Durch die Top ups kommt unser Beispielbetrieb mit 50 ha in der Ausgangsituation auf eine Gesamtprämie von rund 38 500 €, die bis Ende 2013 auf ca. 16 500 € zusammenschmilzt. Der flächenstärkere Bullenhalter mit 80 ha erhält 2010 noch rund 55 000 € aus Brüssel, die auf rund 26 000 € absinken. Für beide Betriebe haben wir eine Verdopplung der Mast auf 500 Plätze kalkuliert. Dabei haben wir unterstellt, dass die Kosten je Stallplatz 2 000 € betragen und für Vieh- und Umlaufvermögen 850 €/Platz bereitzustellen sind. Die Maßnahme wird in der Kalkulation ausschließlich mit Fremdkapital finanziert, zu einem Zinssatz von 4 %. Die unterstellten Baukosten bewegen sich im unteren Bereich und können schnell deutlich nach oben abweichen. Hier kann nur eine entsprechende Ausschreibung Klarheit schaffen.


Neueinsteiger müssen immer bedenken, wie lang die Umlaufzeiten in der Bullenmast sind. Die Bauzeit und die erste Mastperiode umfassen leicht einen Zeitraum von zwei Jahren. Erst dann fließt Geld zurück. Der Liquidität des Betriebes ist daher besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Auch die Grundfutterkosten bleiben ein kritischer Punkt. Sie sind für Betriebe mit einer bestehenden Bullenmast insoweit vernachlässigbar, dass sie zwar die Ergebnisse im Betriebszweig Bullenmast mindern, dafür aber positiv in den Betriebszweigen Acker- bzw. Futterbau zu Buche schlagen. Für sie zählt am Ende das Gesamtergebnis des Betriebes. Neueinsteiger rechnen anders, denn sie könnten die Flächen von vornherein für den Marktfruchtbau oder z. B. den Verkauf von Energiemais nutzen.


Viel Risiko, enge Margen:

Doch auch schon bei mittleren Getreidepreisen sind die Ergebnisse unserer Rechnung ernüchternd. Der flächenschwache Betrieb, der unter anderem auch Kosten für den Silomaiszukauf und die Gülleabgabe einkalkulieren muss, verliert bei durchschnittlichen Leistungen trotz erheblicher Investitionen einen hohen Anteil seines Einkommens (Übersicht 5). Er landet bei einem Betriebsgewinn von knapp 52 000 €. Dieser Rückgang entspricht etwas weniger als dem reinen Prämienverlust von rund 22 000 €. Mit anderen Worten: Die Verdopplung der Stallplätze bringt nur einen bescheidenen zusätzlichen Gewinn.


Wenn wir einen Anstieg des Deckungsbeitrags pro Tier um 50 €/Bulle durch besonders gute Mastleistungen annehmen, stellt sich die Situation etwas positiver da. In diesem optimistischen Szenario rechnet sich die Investition etwas besser. Der Betriebsgewinn bleibt auf dem Niveau vor der Abschmelzung – nicht mehr, aber auch nicht weniger.


Für den flächenstarken Betrieb stellt sich die Lage etwas günstiger da. Der Betriebsleiter kann mit der Investition in die 250 zusätzlichen Bullenplätze seinen Betriebsgewinn auf einem Level von knapp 88 000 € behaupten. Unter den optimistischen Bedingungen wären für den Spitzenbetrieb rund 105 000 € drin.


Für beide Betriebe bleibt die Erkenntnis: Ein Einkommensausgleich durch eine Erweiterung der Bullenmast wäre mit erheblichen Kosten und Risiken verbunden. Selbst wenn die schwarze Null erreichbar scheint, stellt sich die Frage, ob das Geld nicht in anderen Betriebszweigen sinnvoller angelegt wäre.


Worauf kommt es an?

Dennoch sind viele Landwirte bereit zu investieren. Besonders in den klassischen Hochburgen sieht man immer wieder neue Bullenställe im Bau. Die guten Betriebsleiter haben in der Vergangenheit Geld verdient und werden es wohl auch in Zukunft tun. Auswertungen zeigen, die Wirtschaftlichkeit der Bullenmast ist keine Frage der Rasse. Ob Braunvieh, Schwarzbunt oder Fleckvieh gemästet wird, ist fast nebensächlich. Auch ob die Mast ab Kalb oder Fresser erfolgt, ist sekundär. Entscheidend ist das Betriebsleiterhändchen – und hier liegen zwischen den einzelnen Betrieben mitunter Welten.


Wie Übersicht 6 zeigt, erzielt das obere Viertel der Betriebsleiter höhere Schlachtgewichte, erreicht bessere Tageszunahmen und kommt auf eine um mehr als 150 €/Platz höhere Direktkostenfreie Leistung. Sie können deutlich höhere Kälber- bzw. Fresserpreise zahlen und teurere Pachtzahlungen in Kauf nehmen.


Der Preis ist heiß.

Dabei kommt besonders dem Kälbereinkauf eine Schlüsselfunktion zu. Denn der an die Marktsituation und die Kälberqualität angepasste Preis ist die größte Stellschraube für eine erfolgreiche Mast. Gute Kälber dürfen teuer sein, nur „billig“ einkaufen kann teuer werden!


Wie Übersicht 7 zeigt, darf ein Fleckviehkalb mit einem Leistungspotenzial von 1 170 Gramm pro Tag fast 580 € kosten, um bei einem Rindfleischpreis von 3,85 €/kg eine Erlösdifferenz von 2,28 €/Tag zu ermöglichen. Der Preis für ein Kalb, das nur rund 1 000 Gramm pro Tag erzielt, muss dagegen unter gleichen Bedingungen schon auf rund 400 € sinken. Hier ist das Betriebsleiter-Auge beim Einkauf gefragt. Alter und Entwicklung des Kalbs müssen zusammenpassen. Der Tierpass liefert hier wichtige Informationen.


Als Faustzahl lässt sich sagen, dass erst bei Tageszunahmen von 1 200 Gramm (Fleckvieh) in einem arbeitswirtschaftlich gut aufgestellten Betrieb auch die Faktorkosten für Arbeit und Kapital ausreichend entlohnt sind (siehe auch Kasten „Was macht den Unterschied?“). Steigende Getreidepreise erhöhen diese Bedeutung noch tendenziell. Zur Einordnung: Die Kosten für Grund- und Kraftfutter sind in den vergangenen fünf Jahren um rund die Hälfte gestiegen.

Die Redaktion empfiehlt

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.