Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

Aus dem Heft

Moderne Technik ersetzt teure Mitarbeiter

Lesezeit: 5 Minuten

In Finnland sind Arbeitskräfte knapp und teuer. Wer wachsen will, investiert in Melk- und Fütterungsroboter.


Das Wichtigste zu den Themen Rind + Milch mittwochs per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Mit Finnland, dem nördlichsten Land Europas, verbindet wohl jeder Bilder von endlosen Nadelwäldern und einer schlagkräftigen Holzindustrie. Kaum einer denkt dabei an eine moderne Milcherzeugung, die sich für den globalen Wettbewerb rüstet.


Da die Betriebe bis zum EU-Beitritt Finnlands 1995 nur maximal 20 Kühe halten durften, liegt der Landesschnitt zwar noch bei 23 Kühen. Doch vor allem im Westen in Küstennähe und im Landesinneren geben junge Betriebsleiter Gas und investieren. Sie haben den Schritt aus dem Anbindestall längst hinter sich und peilen jetzt deutlich über 100 Kühe an. Die meisten sind Familienbetriebe, die neben Milch und Getreide noch ein Zusatzeinkommen aus der Forstwirtschaft haben.


Harte Winter, heiße Sommer


Die Motivation der jungen Landwirte ist in Anbetracht der harten und stark schwankenden Standortbedingungen in Finnland beachtlich: Die Winter sind lang, sehr kalt und schneereich. Die Temperaturen können bis auf – 40 °C fallen. Lange Tage und hohe Temperaturen kennzeichnen die finnischen Sommer. Die Vegetationsperiode dauert im Norden nur 110 Tage, im Süden immerhin 170 Tage. Ackerbau lohnt sich fast nur im Westen und Süden des Landes.


Fast die gesamte landwirtschaftliche Fläche (2,2 Mio. ha) ist Ackerland. Grünland ist Teil der Fruchtfolge, die meist aus Weizen, Gerste, Hafer und Roggen besteht. Durch die kurze Vegetationszeit sind auf Grünland nur maximal drei Schnitte möglich, Maisanbau lohnt sich allenfalls im Süden. Die Erträge bei Getreide erreichen im Vergleich zu anderen Anbaugebieten Mitteleuropas nur die Hälfte. Bei Weizen werden beispielsweise nur zwischen 30 und 40 dt/ha erzielt.


Die typischen Milchviehställe sind allseitig geschlossen und isoliert. Die Dachneigung ist meist sehr steil, damit die Schneelast nicht zu groß wird. Die meisten Laufställe sind Zwei- oder Dreireiher mit Hochboxen und Sägemehleinstreu. Die Melkstände sind beheizt. Weidegang war zwar zuletzt angesichts steigender Kosten stärker in der Diskussion, ist in der Praxis bisher aber noch wenig verbreitet – auch aufgrund der oft extremen Wetterverhältnisse.


Angesichts dieser Bedingungen ist es kein Wunder, dass die finnischen Betriebe im EU-Vergleich zu den Ländern mit den höchsten Produktionskosten zählen. Sie liegen nach Berechnungen des International Farm Comparison Network (IFCN) im Schnitt bei 42 Ct/kg ECM. Die finnischen Landwirte erhalten im EU-Vergleich mit die höchsten Direktzahlungen von Brüssel. 2008 erhielten sie im Mittel bis zu 7,3 Ct/Liter.


Enormer Arbeitskräfte-­mangel


Ein weiteres Erschwernis für die Milchproduktion in Finnland ist, dass Arbeitskräfte knapp und teuer sind. Das liegt vor allem an dem vorgeschriebenen Mindestlohn von derzeit etwa 8 €. Außerdem arbeiten viele Frauen in Vollzeit außer Haus. Damit aber betriebliches Wachstum nicht auf Kosten der Lebensqualität geht, wird in Finnland wie in den skandinavischen Nachbarländern Schweden, Norwegen und Dänemark bei einem Neubau ab 60 Kühen immer öfter in Fütterungs- und Melkroboter investiert. In vielen Betrieben findet man auch beides.


Genau diese Wachstumsbetriebe sind es auch, an denen die finnischen Molkereien besonderes Interesse haben, denn der Strukturwandel war zuletzt enorm: Pro Jahr hören 6 bis 7 % der Betriebe auf. Heute produzieren noch knapp 12 000 Milchviehbetriebe. Die Erzeugung sinkt seit 2003 kontinuierlich, die Landesquote von 2,5 Mio. t wird nicht ausgeschöpft (Übersicht). „Viele Betriebsleiter im Alter von 50 bis 60 haben keinen Nachfolger und werden aus der Landwirtschaft aussteigen“, prognostiziert Milchviehhalter Stefan Södergard. Er hat den Betrieb – wie es in Finnland üblich ist – von seinem Vater gekauft.


Mit guten, stabilen Milchpreisen umwirbt die große finnische Molkereigenossenschaft Valio Erzeuger wie ihn. Valio erfasst und verarbeitet rund 80 % der finnischen Milch (10 900 Mitglieder) und erzielte zuletzt einen Umsatz von 1,8 Mrd €. Das Unternehmen produziert vor allem Käse, Butter und Joghurt sowie Zusatzstoffe und Functional Food.


In den letzten Jahren lagen die Milchpreise für die finnischen Erzeuger im EU-Vergleich immer an der Spitze. 2008 lag der landesweite Schnitt bei 42,4 Ct/kg (4,3 % Fett, 3,3 % Eiweiß). Das mit 104 Mio. kg verhältnismäßig kleine Unternehmen Hämeenlinnan Osuusmeijeri führt seit mehreren Jahren die europäische Rangliste an. 2009 zahlte die Molkerei im Schnitt 41,27 Ct/kg (4,2 % Fett, 3,4 % Eiweiß). Die Molkereien profitieren von der Nähe zum russischen Markt, wo die Nachfrage hoch ist. Durch den stetig steigenden Exportanteil bleiben sie aber auch von den Entwicklungen am Weltmarkt nicht verschont. So hat die Schwäche des Rubels im letzten Jahr Spuren hinterlassen.


Aufgrund der jahrelang guten Milchpreise zahlten die Erzeuger Quotenpreise von zum Teil bis zu 40 Ct/kg. Allerdings hat der Staat den Kauf von Quote mit ca. 8 Ct/kg subventioniert. Mittlerweile sind die Quotenpreise auf ein Niveau von derzeit etwa 15 Ct abgestürzt.


Trotzdem ist betriebliches Wachstum nicht so einfach möglich: Der Quotenhandel ist regional beschränkt und in Regionen mit intensiver Milchviehhaltung verkauft kaum jemand Quote. Zudem ist es sehr schwer, an Fläche zu kommen. Vor allem im Süden des Landes sind die Preise durch die dichtere Besiedlung und die Nachfrage der Industrie hoch. Die Betriebsleiter nennen Pachtpreise pro ha Land zwischen 200 bis 500 € je nach Region und Bodengüte. Die Kaufpreise bewegen sich je nach Lage zwischen 5 000 bis 10 000 € pro ha sowohl für Grünland als auch für Ackerland.


Damit nicht genug: Neben den hohen Preisen werden die Landwirte auch durch stetig steigende Umweltschutzauflagen ausgebremst.


Wie geht es weiter?


Den finnischen Milcherzeugern ist klar, dass sie ihre Wettbewerbsfähigkeit bis zum Wegfall der Quote noch deutlich verbessern müssen. Viele wollen über betriebliches Wachstum die Produktionskosten senken und sich als Partner für die Molkereien interessant machen. Um dabei nicht in der Arbeitsfalle zu landen, setzen viele auf die Automatisierung.


Den wachstumswilligen Erzeugern ist aber auch klar, dass die Steigerung ihrer Effizienz, die bestehenden Standortnachteile nicht restlos ausgleichen kann. Stu-dien gehen davon aus, dass sich die Produktionskosten kaum unter 30 Ct/kg Milch senken lassen. Daher wünschen sie sich von Brüssel mehr Hilfe, um ihre Produk-tion trotz der Standortnachteile bis zum Quotenausstieg effizienter machen zu können. Stefan Södergard: „Nur so können wir dem Weltmarkt standhalten.“


S. Lehnert

Die Redaktion empfiehlt

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.