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„Oma kommt nicht ins Heim“

Lesezeit: 4 Minuten

Auf vielen Höfen werden pflegebedürftige Angehörige zu Hause betreut. Für die Pflegenden ist diese Situation häufig sehr belastend, zeigt unsere Umfrage.


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18 Prozent der Teilnehmerinnen der Bäuerinnenumfrage betreuen zu Hause pflegebedürftige Angehörige. Mehr als jede Dritte fühlt sich dabei leicht oder sogar stark überlastet. Über 40 Prozent der Frauen wünschen sich bei der Pflege der Altenteiler Unterstützung. Grund genug, die Situation der Bäuerinnen mit pflegebedürftigen Angehörigen einmal genauer zu beleuchten.


Belastung für Körper und Psyche


Die Altenteiler werden zu Hause gepflegt – das ist auf vielen Höfen noch immer eine Selbstverständlichkeit. „Oma kommt nicht ins Heim“ – das stand auch für Familie Tienken fest, als die Altenteilerin begann, wunderlich zu werden. Oftmals ist dieser Wunsch bei den leiblichen Kindern der Pflegebedürftigen besonders stark ausgeprägt. Doch verantwortlich für die Pflege sind meistens die Frauen, die häufig selbst „nur“ eingeheiratete Schwiegertöchter sind.


Die Pflegeleistung, die sie erbringen, ist unterschiedlich. Im Extremfall unterstützen sie die Altenteiler nicht nur bei der körperlichen Pflege morgens und abends und bei den Mahlzeiten. Hinzu kommt nicht selten eine aufwändige Rundum-Betreuung. Diese ist oft nur leistbar, wenn die Bäuerin ihr Leben nach dem pflegebedürftigen Menschen ausrichtet und eigene Interessen zurückstellt.


Gerade Menschen mit Demenz oder Alzheimer fordern die betroffenen Familien besonders heraus. „Unsere Mutter ist ständig ausgerissen.Wenn wir sie gefunden haben, wusste sie oft selbst nicht mehr, wohin sie eigentlich wollte. Das war auch für sie schlimm“, beschreibt Margret Semken die Betreuung ihrer an Alzheimer erkrankten Schwiegermutter.


Überhaupt: Mehr als die Einschränkungen, die sie selbst durch die aufwändige Pflege hinnehmen müssen, belastet viele Bäuerinnen die schleichende Veränderung des geliebten Menschen. So auch Margret Semken. Ihre Schwiegermutter litt bedingt durch die Alzheimer-Erkrankung unter Verfolgungswahn und schrie sehr viel. „In ihren lichten Momenten hat sie den eigenen Verfall bemerkt und sich furchtbar dafür geschämt. Das hat mir richtig weh getan“, erinnert sie sich.


Zu Beginn der Erkrankung beherrschten Wut und Unverständnis für das merkwürdige Verhalten der Erkrankten die Familienmitglieder. Erst ein Besuch beim Hausarzt brachte eine eindeutige Diagnose.


Mit Voranschreiten der Krankheit nimmt neben der seelischen auch die körperliche Belastung zu. Häufig sind die pflegenden Bäuerinnen selbst schon älter als 50 Jahre. Körperlich strengt sie das Umlagern und Heben der unbeweglichen alten Menschen an. Zudem wird die Pflegesituation oft dann akut, wenn die Kinder flügge sind, und die Frauen endlich wieder genug Freiraum hätten, sich um die eigenen Wünsche und Interessen zu kümmern. Da ist es nur menschlich, dass so manche Betroffene mit dem Schicksal hadert. Besonders schwer können sich die Frauen auf die Pflegesituation einstellen, die zuvor ein schwieriges oder getrübtes Verhältnis zur pflegebedürftigen Person hatten.


„Jede Hilfe annehmen“


Das war in den Familien Semken und Tienken zwar nicht der Fall. Sich in die Pflege hineinzufinden fiel ihnen dennoch schwer. Margret Semken beobachtete an sich selbst anfangs sogar leichte Anzeichen einer Depression. Sie holte sich ärztlichen Rat und hat während der schwierigen Anfangsphase gelernt, sich Entlastung zu verschaffen.


Was vielen Familien noch nicht gelingt, konnte sie ganz leicht: Das schlechte Gewissen abschütteln und sich Hilfe holen. „Ohne die Unterstützung der Familienmitglieder geht gar nichts“, bestätigt auch Ingrid Tienken. In beiden Familien waren Kinder und Enkel in der Altenpflege eingespannt. „Das war für alle Beteiligten eine Bereicherung“, glaubt Margret Semken heute.


Daneben holten sich die Semkens Unterstützung des Pflegedienstes und der Tagespflege. Von Anfang an stand für alle Familienmitglieder fest: „Mutters Rente ist für Mutter da – für ihre Pflege und ihre Betreuung“, berichtet die 65-Jährige. Jeden Morgen und jeden Abend kümmerte sich der ortsansässige Pflegedienst um die Körperpflege. Dreimal pro Woche wurde die Seniorin in einer Tagespflegeeinrichtung betreut. „Sie hatte anfangs Angst, in den Bus einzusteigen, also musste immer eines der Kinder mitfahren“, erinnert sich Margret Semken. „Aber in der Einrichtung fühlte sie sich wohl.“


Zusätzlich besuchte die heutige Altenteilerin in der Pflegephase ein Gerontologie-Seminar und machte eine Ausbildung zur Seniorenbegleiterin.


Ehrenamtlich betreut sie jetzt stundenweise alte Menschen und möchte ein kirchliches Betreuungsangebot im Ort einrichten. „Seit der Pflege unserer Mutter bin ich nicht mehr die Gleiche“, sagt sie rückblickend. Kathrin Hingst

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