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Resistenz: Schonen Sie die neuen Carboxamide!

Lesezeit: 6 Minuten

Die Resistenzsituation bei Getreidefungiziden ändert sich von Jahr zu Jahr. Beginnen die Azole bei Septoria tritici zu schwächeln? Droht den neuen Carboxamiden bei sorglosem Umgang ein ähnliches Los wie den Strobis?*


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Zu Beginn der Pflanzenschutzsaison stellen sich für die Praxis in jedem Jahr neu die Fragen: Ist eine volle Wirksamkeit der Fungizide noch gegeben? Wie ist das Resistenzrisiko für die verschiedenen Wirkstoffe, vor allem für die neuen SDHI-Carboxamide (top agrar 1/2012, S. 60)? Wie hoch ist die Resistenzgefahr in meiner Anbauregion?


Um diese Fragen zu beantworten, führen die Pflanzenschutzfirmen Monitoring-Studien für Schadpilze in ganz Europa durch. In diese Resistenz-Untersu-chungen sind auch private Unternehmen und Universitäten eingebunden. Auf der Basis dieser Erhebungen erarbeitet das Fungizid-Resistenz-Aktions-Komitee (FRAC) der Pflanzenschutzindustrie Empfehlungen für die nächste Saison. Diese beinhalten auch die Resistenzeinstufung der Wirkstoffe und Schadpilze (siehe Übersicht 1).


Die nationalen Fachausschüsse der europäischen Länder diskutieren diese Empfehlungen und passen sie bei Bedarf an regionale Gegebenheiten an. Die Pflanzenschutzberatung baut auf Basis dieser Informationen Wirkungsänderungen der Fungizide in ihre Beratungsstrategie ein. Aktuell stuft die FRAC die Resistenz der einzelnen Wirkstoffgruppen wie folgt ein:


Strobilurine:

Bei dieser Gruppe ist die Resistenzgefahr, bezogen auf die Punktmutation G143A für Echten Mehltau, Ramularia und Septoria tritici, stabil hoch. Bei Netzflecken und Microdo-chium-Blattflecken wurden einige Herkünfte mit Mutationen gefunden.


Bei Rhynchosporium-Blattflecken und den Rosten wird allgemein von voller Wirksamkeit im Feld berichtet. Der Zwergrost in Gerste scheint sich etwas zu wandeln, da man im Labor einige Änderungen in der effektiven Dosis beobachtet hat.


Azole:

Diese Gruppe wirkt derzeit bei den meisten Pilzkrankheiten in Getreide gut, mit Abstrichen bei Septoria tritici. Bereits in 2010 war in Frankreich zu beobachten, dass sich dieser Schadpilz weiter an verschiedene Azol-Wirkstoffe anpasst. Weitere Erhebungen sollen die Entwicklung verfolgen und prüfen, inwieweit sich diese MDR-Stämme („multi drug resistant“ = Mehrfachresistenz) in der natürlichen Feldpopulation etablieren.


Innerhalb der Azole scheint nur Prothioconazol effektiver auf die MDR-Stämme von Septoria tritici zu wirken. Gegenüber Carboxamiden und Chlor-thalonil zeigen sich fast alle Biotypen des Erregers stark sensitiv. Sehr effektiv bekämpft Prochloraz die häufig gefundenen Biotypen R6 bis R8. Auf welche Fungizide die Biotypen von Septoria tritici derzeit noch sensibel reagieren, entnehmen Sie der Übersicht 2, S. 70.


Morpholine:

Bei dieser Gruppe war auch in der vergangenen Vegetation keine größere Anpassung und Abnahme der Sensitivität der Schadpilze festzustellen.


Carboxamide:

Weil aus dieser Wirkstoffklasse erste Getreidefungizide wie Adexar, Aviator Xpro zugelassen sind bzw. zur Zulassung anstehen (siehe top agrar 1/2012, Seite 60), hat man in Europa sehr intensive Monitoring-Daten in Getreide erhoben. Es zeigen sich keine Sensitivitätsveränderungen. Da die Carboxamide nur an einem Wirkort in der Atmungskette des Pilzes wirken, besteht aber die Gefahr – wie seinerzeit bei den Strobilurinen – dass sich die Schadpilze schnell anpassen.


Die Erfahrungen mit den Strobis beunruhigen Berater und Praktiker. Sie befürchten eine ähnlich kurze „Lebensdauer“ der Carboxamide. Das führt eher zu einer zögerlichen Nutzung dieser hochpotenten Wirkstoffe. Die Praxis erwartet daher ein Konzept, das eine langfristige Nutzung dieser neuen Fungizide – ähnlich wie bei den Azolen – gewährleistet.


Probleme könnte hierbei aber das neue EU-Pflanzenschutzrecht bereiten. Denn es wird möglicherweise die Verfügbarkeit bestimmter Wirkstoffgruppen gefährden. Die Folge: Es werden weniger Wirkstoffe zur Verfügung stehen.


In der Diskussion stehen die Azole, die im Verdacht stehen, eine „endokrine Wirkung“ (das Hormonsystem beeinflussende Wirkung) zu haben. Ihre Zukunft ist daher ungewiss. Wie künftig mit Fungiziden und vor allem mit den Carboxamiden umzugehen ist, muss bei Bekämpfungsstrategien bedacht werden. Die Frage ist, ob sich Azole und Carboxamide oder auch andere Wirkstoffkombinationen gegenseitig vor Wirkungsverlust schützen können?


Leistung der neuen Gruppe:

Charakteristisch ist für die neuen Carboxamide die breite Wirkung gegen zahlreiche Getreidepilze wie Roste, Septoria tritici, Mehltau, DTR, Rhynchosporium, Netzfleckenkrankheit und Ramularia (siehe Übersicht 3). Gute Effekte zeigen sie zudem gegen Apfelschorf, Botrytis, Rhizoctonia und Sclerotinia.


Die Wirkstoffe hemmen aufgrund ihrer ausgeprägten protektiven Wirkung sehr effektiv die frühen Stadien der pilzlichen Entwicklung. Teilweise besitzen einige Wirkstoffe auch eine kurative Wirkung. Spätere Entwicklungsstadien der Pilze erfassen sie nicht immer.


Empfehlung der Industrie:

Alle bisherigen Studien haben keine Kreuzresistenz der Carboxamide zu den Strobis, Azolen und Triazolen festgestellt. Beim seit einigen Jahren durchgeführten Monitoring wurde keine Verringerung der Sensitivität beobachtet. Das ist jedoch kein Grund, sorglos zu sein. Die Entwicklung bei den Carboxamiden ist mit Sorgfalt zu verfolgen. Da sie in der Pilzzelle nur an einem Wirkort ansetzen, hat die FRAC das Resistenzrisiko als „mittel bis hoch“ eingestuft (siehe Übersicht 1). Das erfordert ein gezieltes Resistenzmanagement! Die FRAC-Empfehlung für die Praxis lautet:


  • Maximal 2 Anwendungen pro Saison,
  • nur in Mischung mit einem weiteren Wirkstoff mit anderem Wirkmechanismus,
  • Einsatz mehr vorbeugend oder zu den frühen Stadien des Pilzzyklus,
  • keine reduzierten Aufwandmengen und Mehrfachapplikationen!


Die Anti-Resistenz-Strategie:

Durch die Zulassung der neuen Carboxamide ergeben sich für die Bekämpfung von Schadpilzen in Getreide zahlreiche Möglichkeiten. So lassen sich nicht nur kreuzresistente Wirkstoffe, sondern auch solche mit protektiver und kurativer Wirkung kombinieren. Bei der Planung einer hoch effektiven Spritzfolge sollten Sie aber bedenken, dass der Wirkungsmechanismus der Carboxamid-Wirkstoffgruppe ein erhöhtes Resistenzrisiko – wie bei den Strobis – in sich birgt.


So sollten Sie Strobis dort, wo sie noch voll wirken, nur in Mischung mit nicht kreuzresistenten Partnern wie Azolen oder Morpholinen einsetzen. Sie sollten damit maximal zwei Behandlungen, besser nur eine durchführen. Setzen Sie Azole nur in Mischung mit einem Partner anderer Wirkungsmechanismen ein. Wechseln Sie in der Folgeanwendung möglichst den Wirkstoff. Die Dosis sollte nicht unter 70 % der zugelassenen Aufwandmenge liegen, da sich die Schadpilze sonst langfristig anpassen (“shifting”) und resistent werden.


Um die neue Wirkstoffklasse effektiv und langfristig nutzen zu können, ist ein klares Resistenzmanagement erforderlich. Die Carboxamide mit den Stärken in der protektiven und eradikativen Wirkung benötigen einen kurativen Wirkstoffpartner, um einen hohen Bekämpfungserfolg zu erzielen. Dies ist umso wichtiger, wenn infolge einer nicht optimalen Ausbringung des Fungizids bereits erfolgte Infektionen bekämpft werden müssen. Durch die Kombination mehrerer Wirkmechanismen in der Tankmischung lässt sich eine einseitige Selektion resistenter Pilz-Pathotypen vermeiden. Ein gegenseitiger Schutz der einzelnen Wirkstoffe wäre dadurch gegeben.


Diesen Empfehlungen würde die Anwendung von Carboxamiden, die zukünftig in Packs vermarktet werden könnten, oder eine deutliche Reduktion der Aufwandmenge von Azol-Carboxamid-Lösungen unter 50% der zugelassenen Aufwandmenge entgegenstehen. Die Folgen: Die Selektion resistenter Pilzherkünfte würde erhöht und vor allem Vorschläge eines Resistenzmanagements nicht beachtet. In diesem Zusammenhang muss auch die Anzahl der Anwendungen – abweichend von der globalen FRAC-Empfehlung – auf regionale Befallssituationen angepasst werden.


Versuchsergebnisse der neuen Fungizidklasse und aktuelle Fungizidstrategien für Winterweizen lesen Sie in top agrar 1/2012, ab Seite 60.

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