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Schwierige Zeiten für Italiens Schweinehalter

Lesezeit: 7 Minuten

Einbrüche beim Parmaschinken-Absatz und immer wieder Ärger bei der Preisnotierung: Die italienischen Schweinehalter stehen derzeit vor großen Herausforderungen. Jana Püttker von der ISN war vor Ort.


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Die italienische Schweineproduk-tion befindet sich im Umbruch. Treten die Prognosen von Experten ein, werden die italienischen Sauenbestände in den kommenden Jahren um 30 bis 50 % auf 350 000 Tiere sinken!


Die Vorhersagen basieren auf der Tatsache, dass zahlreiche italienische Sauenhalter immer noch nicht auf die Gruppenhaltung umgestellt haben. Tausende kleinere Sauenhalter werden bis zum Jahr 2013 aus der Ferkelerzeugung aussteigen. Vielen fehlt das notwendige Kapital für Umbaumaßnahmen. Nur größere Betriebe werden durchstarten.


Zu den Betriebsleitern, die auch nach 2013 weiter produzieren, gehört Ferkelerzeuger Guiseppe Tinelli (42 Jahre). Er wird in diesem oder im nächsten Jahr investieren und seinen Sauenstall auf Gruppenhaltung umrüsten. Mit welchem System er später arbeiten wird, weiß er noch nicht. „Ich muss mich zuerst über die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Verfahren informieren. Immerhin kostet mich der Umbau ca. 500 bis 600 € pro Sauenplatz. Und wenn ich ganz neu baue, bin ich mit 600 bis 800 € pro Platz dabei. Daher will ich schon im Vorfeld genau wissen, worauf ich mich einlasse“, gibt Tinelli zu bedenken.


Der italienische Landwirt bewirtschaftet einen Betrieb mit 300 Sauen in der norditalienischen Region Emilia Romagna. Es handelt sich um einen typischen italienischen Familienbetrieb mit Sauenhaltung und Ferkelaufzucht. Die Mast gehörte bislang nicht zu den Betriebszweigen. Das änderte sich im letzten Jahr. Als sein 20-jähriger Sohn Anfang letzten Jahres in den Betrieb einstieg, wurde umgehend ein neuer Maststall mit 1 500 Plätzen gebaut. Dieser wurde im Dezember 2009 erstmals mit eigenen Ferkeln belegt. „Wir beiden ergänzen uns prima. Ich erledige die Arbeit im Sauenstall, mein Sohn kümmert sich um die Mastschweine“, freut sich Guiseppe Tinelli über die neue Aufgabenteilung.


Parmaschinken-Produzent


Tinelli arbeitet mit dänischer Genetik und paart seine Sauen mit Durocebern an. Momentan werden 24 Ferkel pro Sau und Jahr abgesetzt. Damit liegt der Betrieb etwa zwei Ferkel über dem italienischen Durchschnitt.


Duroceber setzt der Landwirt ein, weil er zu den typischen italienischen Parmaschinken-Produzenten gehört. Durch den Duroceinsatz bekommen die Schinken eine sehr intensive Marmorierung. So soll der unverwechselbare Schinken-geschmack sichergestellt werden.


Die Richtlinien des Verbandes der Parmaschinken-Hersteller geben die Schlachtgewichte vor. Die Mastschweine werden bei dieser Produktionsform sehr schwer vermarktet. Erst mit einem Gewicht von mindestens 150 kg gehen die Tiere zur Schlachtung und sie müssen mindestens neun Monate gemästet worden sein. Zudem sind nur Schinken für den weiteren Produktionsprozess zugelassen, die mindestens 11 kg wiegen.


Darüber hinaus ist festgeschrieben, dass die Schweine nur aus einer fest definierten Region in Nord- und Mittelitalien stammen dürfen, in der besondere klimatische Bedingungen herrschen.


Neben den speziellen Gewichts- und Altersvorgaben müssen sich die Landwirte bei der Parmaschinken-Produktion an einen speziellen Fütterungsplan halten. Es kommen vorwiegend Mais, Gerste und Molke aus der Parmesan-Käseproduk-tion zum Einsatz.


Schinkenerlöse fahren Achterbahn


Auch wenn Guiseppe Tinelli stolz darauf ist, jetzt zu den Parmaschinken-Mästern zu gehören. Zufrieden ist er mit seiner Situation derzeit nicht. Kopfschmerzen bereiten ihm die Erlöse. „Weil preiswerter Importschinken den Markt überschwemmt und gleichzeitig der Parmaschinken-Konsum im Inland rapide zurückgeht, sind die Preise im Keller. Der Verbraucher achtet mehr und mehr auf den Einkaufspreis, die Qualität hingegen gerät immer mehr ins Hintertreffen“, nennt der Ferkelerzeuger zwei wichtige Gründe für die Preiskrise.


Den ausländischen Importeuren spielt in die Hände, dass sie die genaue Herkunft und den exakten Produktionsstandort auf ihren Verpackungen nicht zwingend angeben müssen. Der italienische Bauernverband läuft dagegen zwar Sturm und fordert schon seit längerem eine Änderung der Richtlinien. Bislang aber vergebens. „Die EU-Vorschriften und der freie Markt machen es möglich“, ärgert sich Landwirt Guiseppe Tinelli.


Die Folge der zunehmenden auslän-dischen Konkurrenz ist, dass der Absatz von schweren italienischen Parmaschinken-Schweinen im Jahr 2009 auf etwa 8,6 Mio. Stück gesunken ist. Im Jahr zuvor lag die Produktion noch bei über 9 Mio. Parma-Tieren, das waren etwa 67 % der gesamten italienischen Schlachtschweineproduktion (siehe Übersicht 1).


Der steigende Angebotsdruck bei gleichzeitig nachlassendem Konsum wirkt sich natürlich negativ auf das Erlösniveau aus. Das Jahr 2007 traf die italienischen Mäster besonders hart, wie Übersicht 2 zeigt. Im Jahresdurchschnitt wurden für Schweine im Gewichtsbereich 150 bis 176 kg nur 1,24 € je kg Lebendgewicht (LG) an den beiden wichtigsten Märkten Mailand und Mantova gezahlt. Aufgrund der hohen Futterkosten und der schlechten Futterverwertung der schweren Mastschweine kletterten die Vollkosten im gleichen Zeitraum auf 1,40 € je kg SG deutlich an.


Auch das Jahr 2008 war sehr durchwachsen. Die Vollkosten stiegen noch einmal um 6 Cent je kg SG an. Zwar erreichten die Erlöse kurzfristig ein Rekordniveau, aber schon im Januar 2009 folgte der nächste jähe Absturz bis auf 1,20 € zur Jahresmitte. Anschließend ging es zwar kurzfristig wieder steil nach oben auf 1,47 €, im Herbst 2009 setzte aber der nächste Preisverfall auf ein Niveau von unter 1,15 € ein.


„Mit dieser Situation leben wir bis heute. Der Absatz von hochpreisigem Parmaschinken gestaltet sich wegen der Kaufzurückhaltung nach wie vor schwierig“, bedauert Silvano Menozzi, Präsident der italienischen Interessenvertretung für die Schweinehalter (Unapros), die unbefriedigende Situation.


Wäre vor dem Hintergrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage der Einstieg in die konventionelle Mast eine Alternative? Für die meisten italienischen Schweinehalter nicht, weil leichte Schweine noch schlechter bezahlt werden. Allerdings könnte jetzt wieder neuer Schwung in die Diskussionen kommen. Jedenfalls haben verschiedene Erzeugergemeinschaften das Thema auf ihre Tagesordnung gesetzt. Wie sich die Landwirte verhalten werden, ist jedoch ungewiss. Die „Leichtmast“ ist bei den Landwirten nicht beliebt, denn die italienische Produktpalette ist nach wie vor tendenziell auf eher hohe Schlachtgewichte zugeschnitten.


Preisfindung neu geregelt


Auch wenn die momentane Situation für die Landwirte sehr unbefriedigend ist. Guiseppe Tinelli glaubt fest daran, dass sich die italienische Qualitätsschinkenproduktion auf Dauer am Markt behaupten wird. „Die Qualitätsmarke Parmaschinken gibt es seit über 40 Jahren. In dieser Zeit gab es immer wieder Höhen und Tiefen“, gibt sich Tinelli betont optimistisch.


Hoffnung setzt der italienische Landwirt vor allem in die neu geregelte Preisfindung. Bislang gab es darum ständig Ärger und Diskussionen. Lange Jahre haben nämlich die zehn Regionen, in denen die Schweineproduktion eine gewisse Bedeutung erlangt hat, eigene Notierungen herausgegeben. „Ein gemeinsames Vorgehen gab es nicht. Die Folge waren stark schwankende Auszahlungspreise je nach Region“, moniert Tinelli.


Damit soll künftig Schluss sein. Seit Juli 2009 versuchen die Italiener, die regionalen Märkte in einer nationalen Notierung zu bündeln. Dazu haben sie eine Kommission gegründet, in der fünf Vertreter der Erzeuger und fünf Vertreter der Schlachtindustrie die aktuelle Marktlage sowie die Schlachtzahlen und -gewichte der Vorwoche analysieren. Aus den gewonnenen Erkenntnissen soll dann ein Einheitspreis für die kommende Woche abgeleitet werden.


Was sich in der Theorie leicht anhört, funktioniert in der Praxis aber noch nicht reibungslos. Die nationale Kommission hat sich in den ersten sechs Monaten dieses Jahres selten auf einen Preis einigen können, so dass keine Notierung zustande kam. In diesem Fall musste der Preis wieder zwischen Landwirt und Abnehmer direkt ausgehandelt werden – meist zum Nachteil der Schweinehalter.


Seit Mai 2010 versucht man einen neuen Weg zu gehen. Nun darf nur noch maximal fünf Mal jährlich keine Notierung mehr bekannt gegeben werden. Die Kompromissbildung funktioniert wie folgt: Liegen die Preisvorstellungen der Schlachter und Erzeuger weit auseinander, wird der Preis notiert, auf den sich die Mehrheit der Vertreter der Erzeuger und Schlachter einigen kann. Gelingt dies nicht, wird eine Einigung zwischen den Präsidenten beider Parteien getroffen.


Bislang funktioniert die neue, speziell italienische Preisfindung. Jede Woche wurden Preise notiert, auch wenn die Vorstellungen der Erzeuger und Schlachter teilweise um bis zu 10 Cent je kg Lebendgewicht auseinander lagen. „Sicherlich ist diese Art der Preisfindung auch noch nicht ideal. Aber wir sind auf einem guten Wege und schauen uns in anderen Ländern um, wie die Preisfindung dort funktioniert. Vielleicht können wir eines Tages die Vorteile anderer Lösungen übernehmen“, so die Hoffnung von Landwirt Guiseppe Tinelli.


Fazit


Die italienischen Schweinehalter stehen vor großen Herausforderungen.


Experten gehen davon aus, dass sich der Sauenbestand nach 2013 um 30 bis 50 % reduzieren wird, da vielen Ferkelerzeugern das Geld fehlt, ihre Bestände auf Gruppenhaltung umzurüsten.


Der Absatz von hochpreisigem Parmaschinken läuft enttäuschend. Viele Verbraucher kaufen lieber preiswerteren Importschinken. Die Leidtragenden sind die italienischen Schweinehalter.


Eine einheitliche Preisfindung existiert bis heute nicht. Oft handeln Landwirt und Abnehmer den Preis direkt aus. Meist zum Leidwesen der Tierhalter.

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