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Tierwohl hängt nicht von der Bestandsgröße ab!

Lesezeit: 9 Minuten

Geht es Schweinen in größeren Beständen schlechter als in kleineren Herden? Antworten geben Sophie Meyer-Hamme und Christian Lambertz von der Uni Göttingen.


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Kritiker kanzeln die moderne Schweinehaltung häufig als Massentierhaltung ab. In öffentlichen Diskussionen stellen sie zudem immer wieder einen Zusammenhang zwischen der Bestandsgröße und dem Tierschutzniveau heraus. Das Tierwohl ist in großen Herden schlechter als in kleinen, so die Behauptung.


60 Mastbetriebe ausgewertet:

Beweise oder belastbare Aussagen dafür bleiben die Kritiker bislang jedoch schuldig. Die Georg-August-Universität Göttingen hat das zum Anlass genommen und Untersuchungen zum Tierwohl in unterschiedlich großen, konventionell wirtschaftenden Mastbetrieben durchgeführt.


Die Datenerhebung fand in 60 Betrieben mit Schweinemast statt. Die befragten Landwirte hielten im Durchschnitt 2641 Schweine, wobei die Zahl der Mastplätze zwischen 260 und 11000 variierte. Unter Berücksichtigung der Betriebsgrößenentwicklung in der deutschen Schweineproduktion und in An-lehnung an die Einteilung der Betriebe nach dem Bundes-Immissionsschutz-gesetz (BImSchG) wurden drei Größenkategorien mit je 20 Schweinemastbetrieben gebildet.


  • Klein: unter 1500 Mastplätze
  • Mittel: 1500 bis 3000 Mastplätze und
  • Groß: über 3000 Mastplätze.


Es wurden ausschließlich konventionell arbeitende Betriebe mit den am weitesten verbreiteten Haltungsverfahren berücksichtigt. Die Ställe wurden zwangsbelüftet und -entlüftet, das Futter wurde mithilfe von Flüssigfütterungen bzw. Rohrbreiautomaten vorgelegt. 92% der Betriebe hielten ihre Tiere auf Voll- und 8% auf Teilspaltenboden. Im Rahmen der Auswertung wurde jeder Betrieb einmal besucht.


Die Beurteilung des Tierwohls erfolgte mithilfe des Welfare-Quality-Protokolls (WQP) für Mastschweine. Das WQP definiert vier Grundsätze, die im Hinblick auf das Tierwohl entscheidend sind. Dazu gehören eine


  • gute Fütterung,
  • gute Haltung,
  • gute Gesundheit und ein
  • artgemäßes Tierverhalten.


Aufbauend auf diesen vier Grundsätzen wurden von den Entwicklern des Bewertungskonzeptes zwölf Kriterien zur Beurteilung des Tierschutzes festgelegt. Die Schweine dürfen z.B. nicht hungern oder unter Durst leiden. Die Tiere müssen bequem ruhen und sich frei bewegen können sowie ihr arttypisches Verhalten ausleben können. Die Tiere sollen in allen Situationen gut behandelt werden, das heißt, der Betreuer soll eine vertrauensvolle Mensch-Tier-Beziehung aufbauen. Je besser die Anforderungen in einem Haltungssystem erfüllt werden, desto mehr Punkte erhält das entsprechende Verfahren.


Auf Grundlage des Beurteilungsschemas wurden die Betriebe in vier Kategorien eingeteilt. Betriebe mit mehr als 80 Punkten wurden in Kategorie1 eingestuft, Betriebe mit 55 bis 80 Punkten in Kategorie2, Betriebe mit 20 bis 54 Punkten in Kategorie3 und Betriebe mit unter 20 Punkten in Kategorie4.


Große Bestände nicht schlechter:

Die Bestandsgröße hat keinen signifikanten Einfluss auf das Tierwohlniveau, wie Übersicht1 deutlich zeigt. Im Mittel erreichten die Betriebe in allen drei Größenkategorien 55 von 100 Welfare-Quality-Punkten. Annähernd 80% der Betriebe wurden in Kategorie2 eingestuft, alle anderen in Kategorie3. In dieser Kategorie gilt das Tierwohl noch als akzeptabel.


Das Tierwohlniveau ist damit als eher niedrig einzustufen und bietet in den meisten Betrieben Optimierungspotenzial. Woran das lag, wird deutlich, wenn man sich die einzelnen Grundsätze bzw. Bereiche näher ansieht.


Der Grundsatz „Fütterung“ erzielte mit Abstand die höchste Punktzahl, wie Übersicht2 zeigt. Die Futterversorgung der Schweine war also in Ordnung, die Tiere mussten nicht hungern. Mängel wurden jedoch in Bezug auf die Wasserversorgung dokumentiert. In 40 von 600 Buchten stand den Schweinen nur eine Tränke zur Verfügung. Nach den Vorgaben des WQP sind grundsätzlich mindestens zwei Tränken pro Bucht sinnvoll, um die Wasserversorgung für alle Tiere zu gewährleisten. Hier hagelte es also für einige Betriebe Punktabzüge.


Das Protokoll sieht außerdem vor, dass sich maximal zehn Tiere eine Tränke teilen. Bei deutlich mehr Schweinen pro Tränke bestehe die Gefahr, dass die rangniederen Tiere zu wenig Wasser erhalten, heißt es hierzu im WQP. Zum Vergleich: Die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung erlaubt maximal zwölf Schweine pro Tränke.


In den ausgewerteten Betrieben mussten sich im Durchschnitt acht Tiere eine Tränke teilen. Über alle Betriebe hinweg gesehen passte das Verhältnis also. Es gab jedoch eine große Schwankungsbreite in den Betrieben, in einigen Fällen wurde der rechtlich zulässige Rahmen sogar überschritten. Im Extremfall erhielten die Tiere am Besuchstag Flüssigkeit nur über die Flüssigfütterung, was ein klarer Verstoß gegen die QS-Vorgaben ist. Die Probleme der teilweise mangelhaften Verfügbarkeit der Tränkestellen bestand übrigens unabhängig von der Bestandsgröße.


Die Auswertung ergab auch, dass eine ausreichende Anzahl von Tränken und die entsprechende Verfügbarkeit von Trinkwasser ein größeres Problem zu sein scheint als die Wasserqualität selbst. Hier besteht also erheblicher Verbesserungsbedarf, der nicht nur das Tierwohl verbessert, sondern sich auch positiv auf die Leistung und die Wirtschaftlichkeit auswirken dürfte.


Rund 12Tierwohlpunkte schlechter als der Grundsatz „Fütterung“ wurde der Grundsatz „Haltung“ in den Betrieben bewertet. Probleme gab es u.a. in Bezug auf den Liegekomfort. Dieser wurde anhand des Verschmutzungsgrades und der Häufigkeit von Schleimbeutelentzündungen (Bursitis) bewertet.


Im Mittel wiesen in den 60 ausgewerteten Betrieben 35% der Schweine moderate Schleimbeutelentzündungen auf. Das betraf alle Bestandsgrößen gleichermaßen, wie Übersicht 3 auf Seite S24 zeigt. Damit war die Bursitis der am häufigsten zu findende Indikator für einen unzureichenden Liegekomfort.


Problem Spaltenboden?

Als Haupt-einflussfaktor gelten vor allem die Art und die Qualität des Stallbodens, Böden mit harter Liegefläche schneiden hier schlechter ab als eingestreute Stallsysteme. In zahlreichen Literaturquellen ist das eindeutig belegt. Ungeklärt ist in diesem Zusammenhang allerdings das Ausmaß der damit verbundenen Schmerzen.


Kommen die Schweine häufig mit ihren Exkrementen in Kontakt, kann sich das negativ auf die Gesundheit der Tiere auswirken. Wie Übersicht4 zeigt, gab es in Bezug auf den Verschmutzungsgrad der Tiere deutliche Unterschiede zwischen den Betriebsgrößen. Mit steigender Bestandsgröße nahm die Verschmutzung der Tiere signifikant zu. In kleinen Betrieben betrug der Anteil moderat verschmutzter Tiere 11%, in mittleren waren es 15% und in großen Beständen 21%.


Die Ursachen sind nicht eindeutig geklärt, aber in der Literatur werden das Fütterungssystem und die Art des Bodens als Einflussfaktoren diskutiert. Im Vergleich zur Trockenfütterung ist das Risiko für Verschmutzungen beim Einsatz einer Flüssigfütterung höher. Da in dieser Studie mit steigender Bestandsgröße häufiger eine Flüssigfütterung eingesetzt wurde, ließe sich das erhöhte Vorkommen von verschmutzten Tieren in größeren Betrieben erklären.


Schmutzige Tiere auf Teilspalten:

Betrachtet man den Buchtenboden, wird klar, dass die Tiere in Buchten mit Vollspaltenboden sauberer sind. Teilspaltenböden hingegen verschlechterten den Hygienestatus deutlich, was in dieser Untersuchung bestätigt werden konnte. Auf Teilspaltenböden gehaltene Tiere waren signifikant stärker verschmutzt als Tiere, die auf Vollspaltenböden gemästet wurden.


Im Rahmen der Auswertung wurde festgestellt, dass die Buchten teilweise zu dicht belegt waren. Unklar bleibt allerdings, ob das nur an einzelnen Tagen der Fall war, da für die Auswertung jeder Betrieb nur einmal besucht werden konnte. Zu einer kurzfristigen Über-belegung kann es z.B. kommen, wenn die neu aufgestallten Ferkel erst einige Tage später nach Größe sortiert werden. Auch vor dem Ausstallen der ersten Vorläufer kann es kurzfristig eng in den Buchten werden.


Der Grundsatz „Gesundheit“ erzielte mit durchschnittlich 29 von 100 Punkten den schlechtesten Wert aller vier Grundsätze. Das dazugehörige Kriterium „Abwesenheit von Verletzungen“ bezieht unter anderem den Indikator Wunden ein. Mit einem Durchschnitt von 11% verwundeten Schweinen über alle 60 Betriebe hinweg ist der Anteil vergleichsweise hoch. Grundsätzlich muss dabei unterschieden werden, ob die Wunden durch Mängel im Haltungssystem entstehen oder durch soziale Interaktionen. Die Auswertung ergab, dass Wunden unter anderem durch Rangkämpfe während der Jungebermast entstehen.


In Bezug auf die Gesundheit wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen den Bestandsgrößen-Kategorien gefunden. Tiere in großen Beständen waren nicht häufiger verletzt als Schweine in kleineren Beständen. Allerdings wurde festgestellt, dass beim Einsatz von Flüssigfütterungen signifikant weniger Tiere verwundet waren. Ursache hierfür könnte ein besseres Tier-Fressplatz-Verhältnis gewesen sein, das zu weniger Rangkämpfen führt.


Andere Faktoren wie das Geschlecht, das Platzangebot, die Gruppengröße und das Alter der Tiere werden in der Literatur ebenfalls als Einflussfaktoren auf den Verwundungsgrad diskutiert. Sie konnten in dieser Studie nicht detaillierter untersucht werden, da auf allen Betrieben Schweine unterschied-lichen Geschlechts und Alters gehalten sowie verschiedene Gruppengrößen gemanagt wurden.


Die geringe Punktzahl beim Grundsatz „Gesundheit“ rührt auch daher, dass beim Kupieren der Ferkelschwänze und beim Kastrieren der männlichen Tiere in keinem Ferkelerzeugerbetrieb ein Anästhetikum verwendet wurde.


Obwohl das Kupieren der Schwänze für den Moment sicherlich schmerzhaft ist, muss vor dem Hintergrund der momentan laufenden Diskussionen weiter untersucht werden, inwieweit sich der Eingriff auf das Wohlbefinden der Tiere im weiteren Mastverlauf auswirkt. Ähnliches gilt beim Thema Kastration. Auch wenn die Ebermast sicherlich gewisse Vorteile bietet, im Vergleich zur Kastratenmast kann z.B. das bei Jungebern zu beobachtende Penisbeißen massive und lang anhaltende Schmerzen auslösen.


Schweinen ist oft langweilig:

Der Grundsatz „Artgemäßes Verhalten“ erreichte im Schnitt ebenfalls nur eine geringe Punktzahl von knapp über 30 von 100 Punkten (siehe Übersicht2 auf Seite S22). Defizite gab es z.B. beim Erkundungsverhalten.


Obwohl fast alle Buchten mit Spiel-material ausgestattet waren, haben sich nur wenige Schweine längere Zeit intensiver mit den Materialien beschäftigt (unter 3%). Daraus lässt sich schlussfolgern, dass das in konventionellen Haltungssystemen üblicherweise eingesetzte Beschäftigungsmaterial wie z.B. Kugeln, Kunststoffelemente u.ä. eher uninteressant für die Schweine zu sein scheint bzw. die Attraktivität auf Dauer verloren geht, wenn nicht ein regelmäßiger Austausch erfolgt.


Ein weiteres Problem könnte sein, dass die Tiere die Ausübung von arttypischen Verhaltensweisen (Wühlen, Erkunden) unter konventionellen Bedingungen nicht ausreichend ausleben können. Kritiker der modernen Tierhaltung bemängeln das immer wieder. Sie fordern vehement den Einsatz von Stroh, Luzerne oder Wiesenheu.

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