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Viele Mängel bleiben unerkannt

Lesezeit: 8 Minuten

Wartungsverträge der Hersteller schützen nicht vor teuren Schäden. Abhilfe schafft eine regelmäßige Inspektion.


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Der Wind frischt auf. Der Wetterdienst hat einen Sturmtief von der Nordsee her gemeldet. Jedem Windmüller schlägt jetzt das Herz höher. So auch Landwirt Walter Ommen aus Ostfriesland (Name geändert), der bei seiner Windenergieanlage eine reiche Strom­ernte erwartet. Auf den ersten Blick ist auch alles in Ordnung, der Rotor dreht sich normal im Wind.


Doch was er zu der Zeit nicht wusste: Ein


Serviceteam des Anlagenherstellers wollte alle drei Rotorblätter tau­schen, hat aber vor dem Sturm nur eines geschafft. Die Folge: Die ungleichen Flü­gel führten zu einer Un­wucht auf der Antriebswelle. Die Anlage lief damit nicht auf Nennleistung, sondern wurde auf 6 kW Einspeiseleistung gedrosselt. „Während der zwei Wochen produzierte die Anlage über 90 000 kWh weniger als erwartet. Das waren rund 10 % vom Jahres­ertrag“, stellte Martin Rosendahl vom Sachverständigenbüro RFE (www.rfe-gmbh.de) aus Krummhörn (Ostfriesland) hinterher fest. Damit entging dem Landwirt ein Stromerlös von rund 7 200 €. Dank eines Gutachtens von Rosendahl hat er den Ertragsausfall vom Hersteller erstattet bekommen. „Aber es gibt viele Anlagen, bei denen diese Fehler nie festgestellt werden“, berichtet der Berater aus seiner Praxis.


Der RFE-Geschäftsführer betreut mit seinem Team über 100 Windenergieanlagen in Norddeutschland. „Die meisten Anlagenbetreiber haben einen Service- und Wartungsvertrag mit dem Anlagenhersteller abgeschlossen und fühlen sich damit sicher. Aber das ist ein Trugschluss“, musste er feststellen.


Mangelhafter Service: Als Grund sieht er zum einen die langen Serviceintervalle: Pro Jahr sind die Monteure zwar zwei bis vier Mal auf den Anlagen. Aber das oft nur theoretisch. Denn wegen des starken Zubaus an Windenergieanlagen in Deutschland kommen viele Hersteller mit der Ausbildung von Servicekräften nicht hinterher. Aus Zeitmangel werden dann auch schon mal zwei Wartungen auf einmal erledigt oder die Intervalle in die Länge gezogen Das führt dazu, dass aus kleinen Fehlern große Probleme werden: Leergelaufene Ölbehälter führen zu Getriebeschäden, abgerissene Schläuche verhindern die Schmierung von Lagern, Softwarefehler lassen die Anlagen häufiger abschalten.


Ein weiteres Problem: Bei fehlenden Ersatzteilen überbrücken einige Servicetechniker der Hersteller Bauteile wie Sensoren oder deaktivieren ganze Schaltschränke vorübergehend. Denn damit können die Anlagen erst einmal wieder in Betrieb gehen.


Daran haben die Hersteller großes Interesse, weil sie dem Betreiber per Vertrag eine Anlagenverfügbarkeit von mindestens 95 % garantieren. Das bedeutet: Die Anlage darf nicht mehr als 5 % des Jahres stillstehen. „Aber nicht selten vergessen sie hinterher aufgrund des Zeitdrucks, das Ersatzteil einzubauen“, stellt Rosendahl fest. Die Anlage läuft dann im Notbetrieb oder – wie im Fall von Landwirt Ommen – leistungsreduziert weiter. Die Folge sind häufige Abschaltungen oder sogar Unfälle, wenn Sicherheitseinrichtungen versagen. Außerdem verliert der Betreiber viel Geld.


Weitere Mängel, die von Wartungsteams oft übersehen werden:


  • Wenn sich die Gondel horizontal je nach Windrichtung dreht, können sich die Kabel verdrehen und aufscheuern. „Oft fehlen Gummimatten als Schutz um die Kabel“, berichtet Rosendahl. Die Fehlersuche ist dabei schwierig. Denn nach einem Kurzschluss wird häufig nur ein defektes Bauteil getauscht, ohne die eigentliche Ursache zu beheben.
  • Falsch verlegte Luftschläuche oder nicht gereinigte Lüftungsgitter können zu Überhitzung in der Gondel, im Getriebe oder in Schaltschränken führen.
  • Nicht entdeckte Software-Probleme können zu häufigen Abschaltungen und damit zu Ertragsverlusten führen.
  • Auch beim Tausch von Getrieben passieren Fehler aufgrund des Zeitdrucks. Wenn z. B. die ausgetauschten Komponenten nicht genau in der Flucht stehen, sind vorzeitige Lagerschäden möglich.
  • Bei größeren Anlagen gibt es häufig Fundamentkeller, in denen z. B. der Trafo untergebracht ist. Durch schlecht abgedichtete Kabeldurchführungen kann es zu Wassereinbrüchen und damit zu Störungen in der Elektronik kommen.


An der Küste häufiger Schäden! Der jährliche Windenergiereport des Fraunhofer Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik gibt Rosendahl recht (s. Übersicht). Gerade Anlagen an der Küste, aber auch im Mittelgebirge sind von hohen Ausfallraten betroffen. Das Fraunhofer Institut sieht die Ursache in den höheren Windgeschwindigkeiten und den damit verbunden Turbulenzen. Ein entscheidender Einflussfaktor sei aber auch der Instandhaltungsservice.


Die meisten Störungen gehen laut Report auf defekte oder gelockerte Bauteile sowie Fehlfunktionen der Steuerung zurück. Im Mittelgebirge spielen aber auch Vereisung, Sturm und Netzausfall als Störungsursache eine große Rolle.


Auf die Finger schauen lassen müssen sich die Hersteller zwar von Sachverständigen, die im Rahmen der „wiederkehrenden Prüfung“ regelmäßig Sicherheits-Checks der Anlagen durchführen. Diese Prüfung schreiben viele Baugenehmigungsbehörden, aber auch das Deutsche Institut für Bautechnik vor.


Bei diesen prüft ein Sachverständiger Maschine, Rotorblätter und Turmkonstruktion auf Sicherheitsmängel. Die Prüfung muss aber nur alle zwei Jahre, bei Vorliegen eines Servicevertrages mit dem Hersteller sogar nur alle vier Jahre durchgeführt werden. Viele Behörden fordern jedoch keinen Nachweis zu den Prüfungen. Auch kennt nicht jeder Betreiber diese Vorschrift. „Ich kenne Anlagen, auf denen 18 Jahre lang kein Sachverständiger war“, berichtet Rosendahl.


Eine gewisse Qualitätskontrolle bringt die „zustandsorientierte Instandhaltung“, die einige Versicherungen inzwischen fordern. Bei Anlagen über 1,5 MW Nenn-leistung muss ein Sachverständiger jährlich prüfen, ob Schäden zu erwarten sind und wie sich diese vermeiden lassen. Was und wie dabei zu prüfen ist, hat der Sachverständigenbeirat des Bundesverbandes Windenergie genau festgelegt.


Doch auch diese Prüfung schützt vor Schäden nicht, wie Rosendahl an einem konkreten Beispiel feststellen musste: Bei einer älteren Anlage mit 1,5 MW Nennleistung hatten die Monteure trotz regelmäßiger Öluntersuchungen einen Getriebeschaden viel zu spät festgestellt. Statt üblicher Reparaturkosten von 30 000 €, die für den Austausch von einzelnen Lagern anfallen, summierte sich der Schaden auf über 90 000 €. Grund war eine falsche Entnahmestelle für das Getriebeöl.


Der Hersteller hatte dafür rund 50 cm oberhalb des Getriebes eine Entnahmevorrichtung angebracht. Bei der regelmäßigen Wartung stellten die Servicetechniker jedes Mal fest: Die Ölqualität ist in Ordnung, die Anlage kann ohne Einschränkung weiter betrieben werden.


Rosendahl hat dagegen bei der Anlage Öl direkt aus dem Getriebe entnommen und im gleichen Institut wie der Hersteller untersuchen lassen. Ergebnis: Das Öl war hochgradig mit Metallspänen durchsetzt, das Prüfinstitut riet zum sofortigen Austausch. „Wegen der zu hoch angebrachten Ölentnahme, die auch noch durch einen dünnen Schlauch erfolgt, wurden kleine Metallteilchen nicht entdeckt, sie setzten sich unten im Getriebe ab“, schlussfolgerte Rosendahl. Und da es sich um ein Serienproblem des Herstellers handelt, geht er davon aus, dass auch viele andere Anlagen davon betroffen sind.


Ständige Überwachung hilft! Abhilfe aus dem Dilemma kann nur eine regelmäßige und vorbeugende Technikkontrolle führen, rät Rosendahl. „Diese sollte überwiegend im Sommer stattfinden, weil dort weniger Wind weht und somit weniger finanzielle Einbußen zu erwarten sind.“


Zu den Wartungsarbeiten zählt unter anderem die Rotorblattuntersuchung. Rosendahl und sein Team prüfen die Blätter auf Risse und andere äußerliche Schäden. Dabei klop­fen sie die Rotorblätter auch von außen ab. Klingt eine Stelle hohl, ist das ein Hinweis, dass sich im Innern eine Verstrebung gelöst hat. Der Rotorblatt­hersteller kann den Defekt anschließend beheben.


Bei der Rotorblattuntersuchung setzt die RFE GmbH auf die Abseiltechnik. „Ein Kran kostet in der Stunde rund 400 Euro. Außerdem kommt er nicht zu jeder Anlage durch, weil die Wege häufig nicht für diese Lasten zugelassen sind“, erklärt der Sachverständige. Wenn sich die Servicetechniker dagegen von oben abseilen, ist das günstiger und schneller.


Im Innern der Anlage prüft das Team routinemäßig unter anderem Schaltschränke, Keller, Aufstieghilfe, Lager, Sicherheitssysteme, Generator und Getriebe auf Risse, Korrosion, Leckstellen und andere Anzeichen für Defekte. Besonderes Augenmerk legen sie auf das Getriebe: Mit einem Endoskop prüfen sie innere Schäden. „Wir machen aber nur eine grobe Analyse. Im Verdachtsfall ziehen wir einen Getriebespezialisten zurate, der mit einem hochwertigen Endoskop genauer untersuchen kann“, schildert Rosendahl.


Eine gründliche Analyse der Anlage dauert rund einen Tag. Am Ende erhält der Betreiber einen ausführlichen Prüfbericht.


Zum Service gehört auch, dass Rosendahl und Kollegen nach den Wartungsterminen des Herstellers prüfen, ob auch alle Arbeiten zufriedenstellend erledigt wurden. Genauso begutachten sie u.a. auszutauschende Getriebe, die beim Hersteller geöffnet werden. Dann entscheiden sie mit dem Hersteller, welche Teile getauscht werden müssen. Per Fernüberwachung kontrollieren sie die Anlagen einmal täglich, bei Starkwind auch mehrmals. „Wir können dabei wesentlich gründlicher überwachen als der Hersteller, der viel mehr Anlagen unter Vertrag hat“, erklärt Rosendahl. So führt er für jede Anlage eine Lebenslaufakte, in der alle Ereignisse wie Störungen oder Reparaturen aufgeführt sind. Mit dieser Auflistung lassen sich wiederholte Schäden an bestimmten Bauteilen schneller erkennen und damit die Fehlersuche vereinfachen.


Pro Jahr schafft Rosendahl rund 200 Windgutachten. Damit kämpfen er und andere Berufskollegen buchstäblich gegen Windmühlenflügel. Denn in Deutschland gibt es rund 50 Sachverständige, aber über 25 000 Windräder. Bei vielen wissen die Betreiber nicht, dass etwas falsch läuft. Darum ist er überzeugt: „Würden die Anlagen technisch besser überwacht, ließe sich die Effizienz der Windenergie deutlich verbessern.“


Hinrich Neumann

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