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Wenn der Staatsanwalt zweimal klingelt …

Lesezeit: 5 Minuten

Bei Arzneimittel-Kontrollen auf Höfen kennen die Ermittler oft wenig Pardon. Um so wichtiger, dass Sie Ihre Rechte kennen und sich nicht unberechtigt unter Druck setzen lassen.


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Es ist kurz nach dem Melken, als drei fremde Pkw auf den Hof einbiegen. Vorweg ein Streifenwagen, dahinter zwei Zivilfahrzeuge. Wenig später wird der Milchviehbetrieb durch einen Staatsanwalt, mehrere Polizeibeamte und zwei Amtsveterinäre lahmgelegt. Sie präsentieren dem völlig überraschten Milchviehhalter einen gerichtlichen Durchsuchungsbeschluss und eine Beschlagnahmeanordnung.


Ihr Vorwurf: Der Landwirt soll gegen mehrere arzneimittelrechtliche Bestimmungen verstoßen haben. In den nächsten zwei Stunden durchsuchen die Ermittler jeden Raum und jeden Winkel des Betriebes. Am Ende packen sie nicht nur die betriebliche EDV-Anlage ein, sondern nehmen auch sämtliche vorhandenen Bestandsbücher und die in einem separaten Raum gelagerten Arzneimittel mit.


Fälle wie dieser häufen sich. Jeder neue Lebensmittel-Skandal sensibilisiert nicht nur die Verbraucher, sondern erhöht auch den Druck auf Veterinär- und sonstige Behörden, die Überwachung zu verschärfen. Die Zahl der Kontrollen nimmt deutlich zu. Selbst bei vagen Verdachtsmomenten wird härter durchgegriffen. Dabei schießen die Ermittler mit ihrem Vorgehen und ihren Vorwürfen an die Adresse des Landwirts nicht selten übers Ziel hinaus.


Latte von Vorwürfen:

Dies gilt auch für den von der „Razzia“ betroffenen Milchviehbetrieb. Es handelt sich um einen relativ großen Bestand, der wöchentlich vom betreuenden Tierarzt besucht wird. Dieser untersucht und behandelt regelmäßig die erkrankten Tiere. Bei bestimmten Erkrankungen, die erfahrungsgemäß auf weitere Tiere übergreifen, händigt er dem Landwirt genau kalkulierte Arzneimittel aus, damit dieser im Sinne der Tiergesundheit schnell reagieren kann.


Das Problem: Die unangemeldete Kontrolle fand ausgerechnet einen Tag nach dem letzten Bestandsbesuch des Tierarztes statt. Die Stallapotheke umfasste deshalb – naturgemäß – größere Mengen von Arzneimitteln. Dies genügte den Ermittlern, um dem Milchviehhalter (und seinem Tierarzt) gleich mehrere angebliche Verstöße gegen das Arzneimittel-Gesetz vorzuwerfen:


  • Der Landwirt wende die entsprechenden Medikamente willkürlich nach eigenem Ermessen an.
  • Es seien deutlich mehr Arzneimittel vorhanden, als für den konkreten Einzelfall aufgrund der tierärztlichen Behandlungsanweisung erforderlich seien.
  • Vielmehr sei von einer Arzneimittelbevorratung und damit von einer für den Tierhalter freien Verfügbarkeit verschreibungspflichtiger Medikamente auszugehen, einschließlich Antibiotika.


Juristisch gesprochen hätte der Landwirt damit gegen die Vorschriften in § 57 Abs. 1 a des Arzneimittel-Gesetzes verstoßen (Besitzverbot von Arzneimitteln, die nur durch den Tierarzt selbst angewendet werden dürfen), und gegen § 58 Abs. 1 Satz 1 des gleichen Gesetzes (Anwendung verschreibungspflichtiger Arzneimittel nur nach tierärztlicher Behandlung für den betreffenden Fall).


Unzulässig oder nicht?

Ob die Vorwürfe ganz oder teilweise berechtigt sind, wird derzeit im Rahmen des weiteren Ermittlungsverfahrens geklärt. Landwirt und Tierarzt argumentieren, die vorgefundene Menge an Arzneimitteln sei korrekt auf der Basis des vorangegangenen Bestandsbesuchs und der dabei festgestellten Erkrankung berechnet worden. Die Ermittler bezweifeln dies. Erfahrungsgemäß tun sich viele Veterinär- und Ermittlungsbehörden auch sehr schwer damit, zwischen einer unzulässigen Medikamentenabgabe „auf Vorrat“ und einer im Einzelfall durchaus rechtmäßigen „Abgabe im Voraus“ zu unterscheiden (siehe Seite 44).


Weiteres Problem: Viele Amtstierärzte berechnen die im Einzelfall „erforderliche Menge“ von Arzneimitteln alleine auf der Basis der Dosierungsempfehlung des Herstellers. Das passt aber nicht immer. Beispiel: Der Tierarzt weiß, dass es Resistenzprobleme im Bestand gibt. Dann kann er – was im Einzelfall erlaubt ist – die Dosis erhöhen und damit eine größere Medikamentenmenge abgeben. Wenn die Ermittler dies ignorieren bzw. nicht akzeptieren, steht sofort der Vorwurf einer „Abgabe auf Vorrat“ durch den Tierarzt und einer „unzulässigen Bevorratung“ von Arzneimitteln durch den Tierhalter im Raum.


Fazit: Halten Sie die gesetzlichen Vorschriften beim Tierarzneimittel-Einsatz penibel ein. Bilden Sie sich regelmäßig fachlich fort, was Anwendung, Lagerung usw. betrifft. Verstöße zahlen sich im Regelfall nicht aus, können im Gegenteil bittere Konsequenzen haben.


Denn bei Verstößen gegen das Arzneimittel-Gesetz können die Gerichte nicht nur Geldstrafen verhängen, sondern auch eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren. In besonders schweren Fällen („grober Eigennutz“, „Erlangung von Vermögensvorteilen großen Ausmaßes“) sind sogar Freiheitsstrafen bis zu 10 Jahren möglich. Der Hinweis auf Unkenntnis oder die komplizierten rechtlichen Bestimmungen schützt Sie nicht vor unangenehmen Konsequenzen. Denn schon die fahrlässige Missachtung der Vorschriften des Arzneimittel-Gesetzes ist strafbar. In extremen Fällen könnte ein Gericht gegen den Tierhalter sogar zusätzlich ein Berufsverbot für die Dauer von 1 bis 5 Jahren verhängen!


Wie ins Visier geraten?

Die Zahl der reinen Zufalls- bzw. Routinekontrollen steigt seit Jahren. Häufig gehen die Behörden aber auch so vor, dass sie gezielt Tierarzt-Praxen überprüfen, die dortigen Unterlagen auswerten und eine Kettenreaktion für die Landwirte in Gang setzen. Diese erhalten dann unangemeldeten „Besuch“ von Beamten der Kriminalpolizei oder der Staatsanwaltschaft, oft begleitet von Tierärzten der Veterinärbehörde. Sobald die Ermittler ihre Arbeit abgeschlossen haben, ist die Staatsanwaltschaft am Zuge. Sie entscheidet dann, ob sie das Verfahren eingestellt oder Anklage erhebt, mit der Folge, dass ein Hauptverfahren vor dem Strafgericht eröffnet wird. Damit ist häufig eine öffentliche Hauptverhandlung verbunden. Auch das Gericht kann das Verfahren dann noch einstellen – oder es durch ein Urteil (Verurteilung oder Freispruch) beenden.


Purer Stress!

Auch wenn Sie überzeugt sind, eine weiße Weste zu haben: Ein arzneimittelrechtliches Ermittlungsverfahren bedeutet in der Regel puren Stress. Die Durchsuchung des gesamten Betriebes, bei der außerdem noch wichtige Unterlagen beschlagnahmt werden, ist so ziemlich das Unerfreulichste, mit dem ein landwirtschaftlicher Betrieb konfrontiert werden kann. Eine Steuerfahndung ist kaum dramatischer.


Umso wichtiger ist, dass Sie im Ernstfall Ihre Rechte kennen, und dass Sie den Ermittlern nicht durch unbedachte Aussagen zusätzliche Munition für das weitere Verfahren liefern. Die folgende Checkliste machen Sie fit für den Tag X – der Ihnen und Ihrem Betrieb aber hoffentlich erspart bleibt!


Über die wichtigsten gesetzlichen Bestimmungen zum Arzneimittel-Einsatz informiert unser Beitrag auf Seite 44.

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