Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Milchpreis Maisaussaat Ackerboden Rapspreis

Traktoren

Wie sich Bärenkräfte in den Boden krallen

Das Fahrwerk ist die Schnittstelle zwischen Motor und Boden. Und die Leistung der Traktoren steigt weiter. Räumen Räder künftig das Feld für die Raupen?

Lesezeit: 11 Minuten

Das Fahrwerk ist die Schnittstelle zwischen Motor und Boden. Und die Leistung der Traktoren steigt weiter. Räumen Räder künftig das Feld für die Raupen?


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Nur zwischen Gummi und Boden kann der Schlepper seine Motorleistung in nutzbare Zugkraft umwandeln. Parallel zur Arbeitsbreite der Geräte hat sich in den letzten Jahren die Motorleistung der Traktoren fast explosionsartig entwickelt. Heute kratzt der Standardschlepper an der 400 PS-Marke. Doch so viel ist sicher: Viel mehr Leistung lässt sich mit diesem Fahrzeugkonzept kaum noch auf den Boden bringen.


Wie zieht ein Schlepper?


Funktioniert Zugkraftübertragung in Zukunft nur noch mit Raupen, oder bringen neue Radkonzepte die Leistung genau so effizient auf den Boden? Mit dieser Fragestellung setzte sich das Team „Rad oder Raupe“ auseinander. Bei der schweren Bodenbearbeitung experimentierten die Entdecker mit verschiedenen Fahrwerkskonzepten von Fendt und Challenger und diskutierten unterschiedliche Lösungsansätze mit den Ingenieuren.


Der Schlepper kann nur 25 % seiner Dieselenergie in wirkliche Zugleistung umwandeln. Ein großer Teil geht im Fahrwerk in Form von Spurbildung und Schlupf verloren. Durch simples Pushen der Motorleistung allein lässt sich kaum mehr Zugleistung herausholen: Denn die Kraft muss beim Ziehen schließlich auf den Boden gebracht werden. Grenzen setzt hier die Physik! Mehrere Fakto-ren beeinflussen das Zugverhalten des Schleppers: Das Gewicht bzw. die Ballastierung, das Fahrwerk und seine Aufstandsfläche, der Schlupf sowie die Verzahnung mit dem Boden.


Gewicht: Zum Ziehen braucht jeder Schlepper Gewicht – er kann nie mehr als sein Eigengewicht ziehen – egal ob Rad oder Raupe. Standardschlepper erreichen Werte vom 0,4 bis 0,7-fachen ihres Eigengewichts. Dieser Faktor ist der Triebkraftbeiwert. Er hängt vom Fahrwerk und vom Bodenzustand (Asphalt oder Schlamm) ab. Ein Triebkraftbeiwert von 0,5 bedeutet also, dass der Schlepper genau die Hälfte seines Gewichts in Zugkraft umwandeln kann. So hat ein 10 t schwerer Schlepper mit einem Triebkraftbeiwert von 0,5 auf dem Acker eine Zugkraft von etwa 5000 daN. Das entspricht in etwa 5 t. Soll der Schlepper bei gleichen Bodenverhältnissen mehr ziehen, reicht es also nicht, nur die Motorleistung zu erhöhen. Mit der Leistung müsste auch sein Gewicht zunehmen – das würde beim Standardschlepper aber auf Kosten der Nutzlast gehen.


Genau das ist der Unterschied bei Knicklenkern und Raupen: Sie müssen in erster Linie ziehen, nicht tragen. Daher sind sie von Haus aus sehr schwer, um überhaupt Motorleistungen von bis zu 600 PS übertragen zu können. Allein das Leergewicht dieser Giganten liegt mit 20 t schon deutlich über dem zulässigen Gesamtgewicht der größten Standardschlepper. Voll aufgelastet bringen sie bis zu 27 t auf die Waage – das ist mehr als das Doppelte des Leergewichts eines Fendt 936! Rechnet man jetzt wieder mit dem (niedrigen) Triebkraftbeiwert von 0,5 entspricht das allein schon einem Zugvermögen von über 13 t.


Ballastierung: Die Ballastierung hat erheblichen Einfluss auf die Zugkraft. Verpasst man z. B. dem 10 t Schlepper mit dem Triebkraftbeiwert von 0,5 zusätzliche 2 t Ballast, erhöht sich die Zugkraft rein rechnerisch schon um weitere 1 000 daN, sprich 1 t. Einen ähnlichen Effekt nutzt der Standardschlepper auch bei der Arbeit mit angebautem Gerät. Das Gerät belastet mit seiner Gewichtskraft zusätzlich die Hinterachse des Schleppers. Diese Gewichtsverlagerung erhöht – praktisch kostenlos – die Zugkraft des Schleppers.


So arbeitet z. B. auch die Zugkraftregelung. Muss der Schlepper schwer ziehen, weil z. B. der Pflug in eine sehr feste Bodenschicht hineinläuft, reagiert die Zugkraftregelung: Um die benötigte Zugkraft etwas herunterzusetzen, wird der Pflug um wenige Zentimeter angehoben. Die Gewichtskraft des Pfluges belastet jetzt zusätzlich die Hinterachse – die Zugkraft des Schleppers nimmt zu. Einige Gerätehersteller nutzen diese Verlagerung von Kräften, in dem sie mit hydraulischen Oberlenkern Gewichtskräfte vom Gerät auf die Schlepperhinterachse übertragen.


Aus diesem Grund ist der Standardschlepper von je her konstruktiv auf seine Dreipunktanhängung ausgerichtet. Er muss die Geräte also nicht nur ziehen, sondern auch tragen können. Entsprechend sind auch die Achsen und die Bereifung dieser Schlepper dimensioniert: Hinten groß und vorne klein. Nebeneffekt: Der Schlepper ist sehr wendig.


Breite Geräte kann der Schlepper jedoch kaum noch tragen. Sie sind zu schwer und brauchen ein eigenes Fahrwerk. Doch damit entfällt die Belastung der Hinterachse – bis auf die Stützlast – komplett. Dann muss anders ballastiert werden. Schwere Front- und Heckgewichte kompensieren zwar die fehlende Gewichtskraft, müssen aber auch mit über den Acker geschleppt werden.


Bei Knicklenkern, den Trac und auch den Mehrachs-Konzepten ist die Situation eine andere als beim Standardschlepper, denn sie sollen ja in erster Linie ziehen, nicht tragen. Daher fahren sie auf gewaltigen, gleich großen Rädern und ihr Gewicht ist sehr gleichmäßig auf die Achsen verteilt. Beim Knicklenker ist die Gewichtsverteilung noch etwas extremer. Hier ruhen sogar bis zu 60 % des Gewichts auf der Vorderachse, deshalb steht auch die Front beim Knicklenker so weit über die Achse hinaus. 20 t Leergewicht können beim Knicklenker auf bis zu 27 t Einsatzgewicht aufballastiert werden und machen die Riesen richtig schwer.


Auch bei den Raupenschleppern ist die richtige Ballastierung wichtig. Raupen bauen wesentlich kürzer als ein Knicklenker. Durch ihr enormes Drehmoment, das von dem weit hinten liegenden Antriebsrad übertragen wird, kann es zum Aufbäumen der Raupe und damit zu einer Entlastung des vorderen Teils des Laufwerks kommen. Dann kann das Fahrwerk kaum noch Kraft übertragen. Das Bandlaufwerk muss also immer komplett aufliegen, denn nur dann können Raupen ihre enormen Zugkräfte vollständig übertragen. Sie müssen deshalb mit Gewichten in der Front oder im Laufwerk exakt an der Stützlast und der benötigten Zugkraft des Gerätes ausballastiert werden.


Aufstandsfläche: Die Aufstandsfläche ist die Kontaktfläche zum Boden. Verdoppeln sich Motorleistung und Gewicht, muss sich die Aufstandsfläche vervierfachen, um die Leistung wirklich in Zugkraft umzusetzen. Den größten und einfachsten Zugkraftgewinn beim Radschlepper bringt das Abplatten des Reifens, also das Verlängern der Reifenaufstandsfläche. Praxisversuche zeigen, dass das Verringern des Luftdrucks sogar viel mehr zu einer Zugkrafterhöhung führt als eine zusätzliche Ballastierung. Zu hoher Reifendruck verursacht dagegen – genauso wie zu viel Ballast – tiefe Spuren. Das vergrößert den Rollwiderstand und kostet Kraftstoff. Der Schlepper muss permanent gegen den Erdkeil vor den Rädern anfahren. Wird der Rollwiderstand im extremsten Fall genau so hoch wie die Zugkraft, bleibt der Schlepper stecken. Also wächst die Zugkraft auf weichem Boden nicht nur mit der Aufstandsfläche, sondern auch um den Betrag des geringeren Rollwiderstandes. Und je weicher der Boden ist, desto mehr wirkt sich die Luftdruckabsenkung auf die relativen Zugkraftgewinne aus.


Auch ein breiter Reifen oder Zwillingsbereifung führen nicht automatisch zu mehr Zugkraft. Im Vergleich zur Einzelbereifung hat eine Zwillingsbereifung bei gleichem Luftdruck nur eine etwa 35 % größere Aufstandsfläche. Weil die Belastung des einzelnen Zwillingsreifens geringer ist als beim Einzelreifen, verdoppelt sich bei gleichem Luftdruck die Aufstandsfläche nicht, wie man im ersten Moment annehmen könnte. Die Reifen platten nicht ab. Also muss auch bei Zwillingen unbedingt der Luftdruck runter!


Knicklenker erreichen mit gleich großen Reifen im Doppelpack (z. B. 8 x 710/70 R 42) deutlich mehr Aufstandsfläche als ein Standardschlepper und kommen fast an die Fläche einer Raupe heran. Allerdings liegt ihre Breite dann bei sage und schreibe 5 m – das Aus, wenn man über die Straße muss!


Anders sieht’s beim Trac mit drei oder mehr Achsen aus: Mit sechs Pneus der Größe 800/60 R 34 steht der Fendt Trisix z. B. auf knapp 3,5 m2 und hält trotzdem noch die 3 m-Grenze ein. Das legitimiert das Konzept auch für die Straßenfahrt.


Bandlaufwerke erreichen nach wie vor die größte Aufstandsfläche – quasi wie ein komplett abgeplatteter und in die Länge gezogener Reifen. Die große Challenger-Raupe steht rechnerisch auf 4,2 m2. Zwischen Antriebs- und Umlenkrad sorgen zusätzliche Stützrollen für Auflage auf dem Boden. Allerdings verteilt sich der Druck unter den Bändern nicht ganz gleichmäßig, so dass die tatsächliche Aufstandsfläche ca. 30 % geringer ist. Besonders wichtig ist die Vorspannung des Laufbandes. Ohne Vorspannung steht die Raupe wie auf einem labberigen Teppich. Allerdings kostet das auch (Antriebs-) Kraft. Denn die Vorspannung erzeugt an den Trieb- und Umlenkrollen einen Reibungswiderstand, der von der Raupe zusätzlich überwunden werden muss.


Schlupf und Verzahnung: Zum Ziehen muss sich das Fahrwerk am Boden abstützen. Je intensiver es sich mit dem Boden verzahnt, desto besser. Die natürliche Grenze dieser Kraftübertragung ist erreicht, wenn die Bodenpartikel von den Fahrwerksstollen abgeschert werden oder die vorhandene Reibung zwischen Fahrwerk und Untergrund nicht mehr ausreicht, die Zugkräfte zu übertragen. Dann spricht man vom Schlupf. Schlupf ist der relative Zeit- bzw. Wegverlust (Durchdrehen) eines Fahrwerks. Er äußert sich in entsprechend verringerter Flächenleistung und somit auch einem erhöhtem Dieselverbrauch pro Hektar. Per Definition ist Schlupf also nicht gerade wünschenswert – deshalb sagt man auch Schlupfverlustleistung.


Ganz ohne Schlupf geht’s trotzdem nicht: Reifen benötigen beim schweren Ziehen grundsätzlich Schlupf – sie haben nur wenige Stollen im Eingriff. Bis zu einem Schlupf von etwa 10 bis 15 % verformen sich Reifen und Boden gegeneinander. Die Stollen haben jetzt vollen Griff. Je niedriger der Luftdruck im Reifen, desto mehr Stollen greifen auch in den Boden. Also muss der Luftdruck beim Ziehen runter! Kurz bevor der Boden an der Kontaktfläche durch die Stollen abschert, kommt es zur größtmögli-chen Zugkraftübertragung. Bei höhe-rem Schlupf führt das Abscheren des Bodens – besonders unter feuchten Bedingungen – zu keiner Zugkraftsteigerung mehr und der Boden wird geschädigt (Verschmieren und Verdichten).


Bandlaufwerke haben aufgrund ihrer langen Aufstandsfläche viel mehr Stol-len auf einmal im Eingriff. Sie kommen unter trockenen Bedingungen mit einem Schlupf von nur 2 bis 5 % aus – ein echter Vorteil beim Ziehen. Schwierig wird es für die Raupe allerdings unter feuchten oder nassen Bedingungen. Durch ihre große Aufstandsfläche dringt sie nicht wie ein Reifen durch die feuchte Oberfläche bis zum trockeneren Boden. Die Stollen können sich nicht mehr verzahnen und die Laufwerke rutschen durch.


Diese Schlupfunterschiede zwischen Reifen und Bandlaufwerken wirken sich natürlich auf die Produktivität der un-terschiedlichen Schlepper aus. Stan-dardschlepper weisen bei Zugarbeiten Schlupfwerte von 15 % auf. Leistet der Schlepper beispielsweise 1 000 Stunden nur in der Bodenbearbeitung und fasst man nun die kontinuierlich auftretenden Schlupfverluste zusammen, ergibt sich ein Wert von 150 Stunden. In dieser Zeit läuft der Schlepper mit entsprechender Drehzahl und mit Fahrer, ohne auch nur einen einzigen Meter zu bearbeiten. Natürlich verliert die Raupe auch Zeit. Aber bei einem durchschnittlichen Schlupf von 5 % sind das bei 1 000 Stunden in der Bodenbearbeitung rund 100 Stunden weniger als beim Radschlepper.


Einen anderen Effekt nutzen die Mehrachs- bzw. Trac-Konzepte: Da alle Räder gleich groß sind und hintereinander in einer Spur laufen, verringert sich die dieselzehrende Bodenverformung und der Rollwiderstand. Weiterer Vorteil: Die Stollen der hinteren Achsen greifen immer in die (schon festen) Abdrücke der ersten Achse. Dieser so genannte Multipass-Effekt reduziert den Schlupf.


Wer ist Zugkraft-König?


Wenn es um den universellen Einsatz geht, sind Standardschlepper nach wie vor die erste Wahl. Sie sind auf Acker und Straße flexibel und schnell unterwegs. Grenzen werden aber bei der Zugkraft-übertragung erreicht. Um fast 400 PS bei schweren Zugarbeiten auf den Boden zu bringen, sind Zwillingsbereifung und entsprechende Ballastierung ein Muss. Und selbst dann können sie nicht mit den großen Raupen und Knicklenkern mithalten. Noch größere Reifen und mehr Gewicht sind bei diesem Fahrwerkskonzept wohl kaum möglich.


Knicklenker erreichen mittlerweile Motorleistungen wie die großen Raupen. Aufgrund ihrer einfachen Bauweise mit Starr-achsen sind sie aber wesentlich preiswerter. Sie haben den Vorteil der gleich großen Räder und ihres Gewichts, können ihre hohe Motorleistung aber nur über Zwillings- oder sogar Drillingsräder auf den Boden bringen. Das macht sie zu breit für die Straße – sie sind eher auf den Flächen in Osteuropa und Russland unterwegs.


Als Alternative könnten in Zukunft Trac-Konzepte mit drei oder mehr Achsen und bis zu acht gleich großen Rädern kommen. Mit kaum mehr Außenbreite als beim Standardschlepper sind sie voll straßentauglich und erreichen trotzdem fast das Doppelte an Aufstandsfläche! Beim Ziehen nutzen sie den Multipass-Effekt.


Zugkraft-König ist – unter trockenen Bedingungen – unbestritten die Raupe. Mit ihren langen Bandlaufwerken erreicht sie ein Maximum an Aufstandsfläche und Verzahnung mit dem Boden. Mit deutlich geringerem Schlupf als bei den Radfahrwerken ziehen Raupenschlepper schwere und schwerste Ackergeräte besonders effektiv.


Jan-Martin Küper

Die Redaktion empfiehlt

top + Zum Start in die Maisaussaat keine wichtigen Infos verpassen

Alle wichtigen Infos & Ratgeber zur Maisaussaat 2024, exklusive Beiträge, Videos & Hintergrundinformationen

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.