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„Wir dürfen den Bauern auch mal Danke sagen!“

Lesezeit: 9 Minuten

Die Kritik an der modernen Landwirtschaft wächst. Wie steht die Bundeskanzlerin dazu? Wie bewertet sie die Zukunft der Landwirtschaft und wo sieht sie politischen Handlungs­bedarf? Angela Merkel stellte sich den Fragen von Agra-Europe und top agrar.


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Frau Bundeskanzlerin, viele Verbraucher sehen die moderne Landwirtschaft kritisch. Das gilt insbesondere für die Tierhaltung. Teile der Opposition und einige Verbände verstärken dies noch. Hat sich die Landwirtschaft in eine falsche Richtung entwickelt?


Merkel: Viele Menschen legen Wert auf Lebensmittel aus ihrer Region, zumindest aus Deutschland. Das zeigt, dass die deutsche Landwirtschaft alles in allem großes Vertrauen genießt. Zu Recht, wie ich finde, denn die Landwirtinnen und Landwirte, ob sie nun konventionell oder ökologisch produzieren, arbeiten gut und verantwortungsvoll. Und dafür darf man auch mal Dankeschön sagen.


Wie alle anderen Wirtschaftsbereiche unterliegt die Landwirtschaft einem ständigen Wandel. Sie nutzt den technischen Fortschritt und treibt ihn voran, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Und sie muss gestiegene Anforderungen erfüllen – zum Beispiel im Umweltschutz. Für die Bauern kommt es darauf an, dass sie die Bürger bei dieser Entwicklung mitnehmen. Menschen, die berechtigte Fragen haben, muss erklärt werden, warum Landwirte so arbeiten, wie sie arbeiten.


Was kann die Politik tun, um Erwar­tungen der Bevölkerung und die wirtschaftlichen Interessen der Landwirte besser in Einklang zu bringen?


Merkel: Die Politik muss sich mit Argumenten an dieser Diskussion beteiligen. Deshalb ist es gut, dass Bundesministerin Ilse Aigner den intensiven Dialog zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft zur „Charta für Landwirtschaft und Verbraucher“ moderiert hat. Der Politik hilft so ein Dialog, um zu erkennen, wo wir handeln müssen. Gleichzeitig habe ich den Eindruck, dass der Dialog auch innerhalb der Landwirtschaft weitere Diskussionen ausgelöst hat.


Vor allem neue Technologien wie die grüne Gentechnik werden von der großen Mehrheit der Verbraucher abgelehnt, während der Einsatz weltweit massiv zunimmt. Ist es richtig, Deutschland zur „gentechnikfreien Zone“ zu machen?


Merkel: Der Schutz von Mensch und Umwelt steht immer an oberster Stelle. Darauf beruht das europäische Zulassungsverfahren für den Anbau gentechnisch veränderter Organismen. Ergänzend haben wir sogenannte Koexistenzregeln und auch Kennzeichnungsregeln. Entscheidend ist letztlich die Nachfrage auf dem Markt: Wenn die Verbraucher keine Lebensmittel kaufen, die auf der grünen Gentechnik beruhen, werden die Landwirte sie nicht anbauen.


Gerade deshalb steht auch das geplante Freihandelsabkommen der EU mit den USA in der Kritik. Sollten Landwirtschaft und Verbraucherschutz davon ausgenommen werden, um hiesige Standards zu sichern?


Merkel: Das geplante Abkommen soll neuen Schwung für Wirtschaft und Arbeitsmarkt bringen. Von einer weiteren Handelsliberalisierung wird auch der exportorientierte deutsche Mittelstand profitieren. Die Landwirtschaft von vornherein auszunehmen, wäre nicht sinnvoll. Schließlich sind die USA nach Russland und der Schweiz der drittwichtigste Markt für Exporte der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft außerhalb der EU. Die Bundesregierung wird aber darauf achten, dass die hohen Standards der Europäischen Union beim Umwelt-, Klima- sowie Verbraucherschutz durch das Abkommen nicht infrage gestellt werden.


Bei der niedersächsischen Landtagswahl hat die CDU Stimmen im ländlichen Raum verloren, weil viele Wähler die Konzentration der Tierhaltung kritisch sehen. Wie wollen Sie diese Wähler wieder zurückgewinnen – mit strengeren Tierschutzanforderungen?


Merkel: Dauerhafte Verbesserungen beim Tierschutz erreichen wir nur, wenn dabei sowohl die Erfahrungen der Tierhalter als auch die Erkenntnisse der Wissenschaft berücksichtigt werden. Die Bundesregierung hat die Regeln für die Tierhaltung behutsam weiterentwickelt, indem wir das Tierschutzgesetz und das Arzneimittelgesetz angepasst haben. Ich begrüße es, dass auch der Berufsstand selbst Initiativen zum Tierschutz ergreift, um von seiner Seite deutlich zu machen, wie besserer Tierschutz auch wirtschaftlich vertretbar ist. Ein guter Tierhaltungsstandort Deutschland und ein guter Tierschutz gehören zusammen.


Deutschland hat sich zu einem wichtigen Exporteur für Fleisch und Fleischwaren entwickelt. Wie wichtig ist die deutsche und europäische Landwirtschaft für die Sicherung der Welternährung?


Merkel: Den Beitrag der Landwirtschaft in Deutschland und Europa sehe ich darin, dass wir zum einen mit dem Potenzial unserer eigenen Landwirtschaft verantwortungsvoll umgehen, zum anderen durch Forschung und Entwicklungszusammenarbeit dazu beitragen, die weltweite Produktivität zu steigern und zugleich Fortschritte beim Klima- und Umweltschutz zu erreichen.


Unsere Agrarexporte sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Gleichzeitig warnen Kritiker vor negativen Folgen für die Produktion in Schwellen- und Entwicklungsländern. Ist der Export von Agrargütern schädlich?


Merkel: Es ist zunächst einmal positiv, dass unsere Land- und Ernährungswirtschaft auch auf dem Weltmarkt erfolgreich Abnehmer für ihre hochwertigen Produkte findet. Ganz überwiegend exportieren wir in Industriestaaten und nicht in die Entwicklungsländer. Die Exportsubventionen durch die EU sind weitgehend Vergangenheit, und Deutschland plädiert im Übrigen für ihre vollständige Abschaffung. Zum anderen bietet der Handel mit Agrar- und Ernährungsgütern auch Schwellen- und Entwicklungsländern Chancen. Allerdings ist es in diesem sensiblen Bereich besonders wichtig darauf zu achten, dass die Anforderungen an eine nachhaltige Produktion berücksichtigt werden.


Einige machen die Spekula­tion mit Agrarrohstoffen für steigende Nahrungsmittelpreise und zunehmenden Hunger in der Welt verantwortlich. ­Andere ­bestreiten das. Wie sehen Sie das?


Merkel: Die wesentliche Ursache für den langfristigen Anstieg der Agrarpreise ist die steigende Nachfrage nach Grundnahrungsmitteln durch die wachsende Weltbevölkerung. Um spekulativen Geschäften zu begegnen, müssen wir Leitplanken einbauen, für die ein international abgestimmtes Vorgehen erforderlich ist.


Müssen die Warentermin­geschäfte mit Agrarrohstoffen stärker reglementiert werden?


Merkel: Spekulationen werden vor allem dann angeheizt, wenn die Märkte undurchsichtig sind. Die Bundesregierung setzt sich sowohl im Rahmen der G20 als auch in der EU mit Nachdruck für mehr Transparenz und eine angemessene Regulierung der Warentermingeschäfte ein. Wir haben deshalb ein internationales Agrarmarktinformationssystem auf den Weg gebracht. Außerdem wollen wir die Berichtspflichten der Börsen an die Aufsichtsbehörden erweitern und die Positionen der Marktteilnehmer begrenzen. Zudem braucht auch der automatisierte Handel klare Regeln.


Funktionierende Agrarterminmärkte machen es den Marktteilnehmern und damit auch den Landwirten möglich, sich gegen Preisschwankungen abzusichern, und geben Signale über künftige Preisentwicklungen. Bei der notwendigen Regulierung müssen wir deshalb auch darauf achten, dass diese Funktionen nicht beeinträchtigt werden.


Vor kurzem haben sich die EU-Agrar­minister und das Europäische Parlament auf eine Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik verständigt. Wie bewerten Sie das Ergebnis?


Merkel: Deutschland hat seine Vorstellungen erfolgreich in die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik eingebracht. Das Ergebnis ist natürlich – wie immer in Brüssel – ein Kompromiss. Zudem ist die Zustimmung des Europäischen Parlaments erforderlich, das erstmals im vollem Umfang als Gesetzgeber mitwirkt. Aus meiner Sicht ist entscheidend, dass es uns am Ende des Verhandlungsmarathons zwischen ­Ministerrat, Kommission und EU-­Parlament gelingt, die Agrarpolitik auf Reformkurs zu halten.


Bei der nationalen Umsetzung der Reform wollen wir Planungssicherheit gewährleisten, gesellschaftliche Ziele wie Umweltschutz berücksichtigen und zugleich auch für Wettbewerbsfähigkeit und ein gutes Investitionsklima sorgen. Hierzu hat Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner erste Vorschläge vorgelegt.


Nach der Reform ist vor der Reform. Sind pauschale Flächenprämien auch nach 2020 notwendig?


Merkel: Europa und Deutschland bieten über weite Flächen klimatisch und geografisch günstige Bedingungen für die Landwirtschaft. Die Zeit bis 2020 sollten die Landwirte nutzen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit gezielt zu stärken. Ich halte es für verfrüht, bereits jetzt über die Direktzahlungen nach 2020 zu diskutieren. Wir müssen in der EU immer wieder neu entscheiden, welche Förderung agrarpolitisch sinnvoll ist.


Das gilt auch für das gegenwärtige Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Müssen die Einspeisevergütungen für Biogas weiter abgesenkt werden, um Verzerrungen auf den Pachtmärkten zulas­ten der Nahrungsmittelproduktion abzubau­en und der wachsenden Kritik an ei­nem großflächigen Maisanbau zu begegnen?


Merkel: Im vergangenen Jahr haben wir mit der EEG-Novelle bereits erste Maßnahmen ergriffen, um die Kosten der Photovoltaik zu dämpfen und um übermäßigen Maisanbau für Biogas zu bremsen. Unser Ziel ist es, zu Beginn der nächsten Legislaturperiode möglichst schnell zu einer grundlegenden Reform des EEG zu kommen. Flächenkonkurrenzen – gerade in Regionen mit großen Viehbeständen – müssen wir dabei berücksichtigen. Dabei werden wir wie in der Vergangenheit auf Verlässlichkeit und Berechenbarkeit auch für die Erzeuger von Bioenergie achten.


Auch der Netzausbau ist ein großer Streitpunkt. Die Landwirte fordern höhere Entschädigungen für die ­Inanspruchnahme von Grund und Boden und Erleichterungen beim Naturschutzausgleich. Zu Recht?


Merkel: Ich habe den Eindruck, dass die Landwirtschaft bereits in der aktuellen Phase der Energiewende sehr erfolgreich ihre Chancen nutzt und insgesamt profitiert. Natürlich ist die Akzeptanz bei den betroffenen Grundeigentümern wichtig. Deshalb begrüße ich, dass sie mit den Netzbetreibern im Dialog sind. Maßstab ist hier ein vernünftiger Ausgleich der verschiedenen Anliegen. Das gilt für die Belange von Grundstückseigentümern ebenso wie für das Interesse der Allgemeinheit an einer sicheren, bezahlbaren und umweltverträglichen Energieversorgung.


Beim Naturschutz hat die Bundesregierung eine Kompensationsverordnung vorgelegt. Sie soll insbesondere sicherstellen, dass bei den Ausgleichsmaßnahmen für Eingriffe in Natur und Landschaft ein besserer Schutz landwirtschaftlicher Flächen gewährleistet ist. Die Länder sollten der Verordnung im Bundesrat zustimmen.


Wie wichtig ist die Landwirtschaft für die künftige Energieerzeugung?


Merkel: Ich setze darauf, dass Land- und Forstwirtschaft aktiv mitwirken. Denn um den Ausbau der erneuerbaren Energien weiter voranzubringen, wird nachhaltig erzeugte Biomasse auch in Zukunft unverzichtbar sein.


Die Stärke der nachwachsenden Rohstoffe liegt dabei in der Grundlastfähigkeit der Bioenergie, aber auch in den regionalen Strukturen und den damit verbundenen Chancen für die ländlichen Räume.


In letzter Zeit hat es innerhalb der CDU intensive Diskussionen um das eigenständige agrarsoziale Sicherungssystem gegeben. Steht die Union ­weiterhin zum System?


Merkel: Ja. Wir haben erst zu Beginn dieses Jahres die 36 Träger der landwirtschaftlichen Sozialversicherung und ihren Spitzenverband zu einem einheitlichen Bundesträger zusammengeschlossen – ein wichtiger Beitrag, damit das berufsständische soziale Sicherungssystem leistungsfähig bleibt. Auch künftig können wir mit diesem System Defizite abfedern, die durch den Strukturwandel bedingt sind.

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