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Zukunft Ackerbau: Spritzroboter oder Hacke?

Lesezeit: 10 Minuten

Wie wir Düngung und Pflanzenschutz in 20 Jahren handhaben oder ob wir gar flächendeckend Biolandbau betreiben werden, dazu wagt Dr. Hansgeorg Schönberger, N.U. Agrar, einen Ausblick.


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Düngen und Spritzen werden wir auch in 20 Jahren. Allerdings wird nicht mehr jeder selbst mit der Spritze auf den Acker fahren, sondern das Spritzen den dafür ausgebildeten Spezialisten überlassen. Schon heute zeichnet sich ab, dass nicht mehr jeder Mitarbeiter und Landwirt bereit ist, mit der Spritze Pflanzenschutzmittel auszubringen.


Mehr noch: Auf großen Flächen werden Spritzroboter diese Arbeit übernehmen. Die Voraussetzungen dafür sind durch GPS sowie Mess- und Regeltechniken gegeben. So wie die U-Bahn in Nürnberg ohne Fahrer auskommt, werden die Spritzen automatisch gesteuert durch die Fahrgassen fahren, am Vorgewende drehen und anhalten, um gefüllt zu werden.


Roboter führen die Arbeit aus:

Der Mitarbeiter kontrolliert nur noch den Ablauf vom Feldrand aus und übernimmt das Anmischen der Spritzbrühe. Die Zusammensetzung der Brühe erfolgt auf der Basis von Daten, die vorher ein Beobachtungsroboter ermittelt hat. Dieser kann die Farbintensitäten auseinanderhalten und die Bestandsentwicklung erfassen. Anhand von Farbunterschieden zeichnet er den Nährstoffbedarf lokal differenziert auf. Heute gibt es bereits Sensoren, die die Unterversorgung mit verschiedenen Nährstoffen auseinanderhalten können.


Auch Krankheiten lassen sich bereits in frühen Stadien durch Sensoren diagnostizieren und quantifizieren. Zudem sind Unkräuter mithilfe von Kameras zu unterscheiden. Damit lässt sich der Unkrautbesatz berechnen und daraus eine darauf abgestimmte Bekämpfungsstrategie ableiten. Die Behandlung von Teilflächen in einem Arbeitsgang macht es jedoch erforderlich, vorgefertigte Spritzbrühen zusätzlich einzuspeisen oder die Flächen mehrmalig durch den Spritzroboter zu behandeln.


Resistente Unkräuter:

Ob die Resistenzentwicklung bei Unkräutern (Ackerfuchsschwanz, Windhalm) in 20 Jahren gelöst sein wird, das ist zu bezweifeln. Neue Wirkstoffe sind auf jeden Fall nicht in Sicht. Eine Lösung der Resistenzprobleme könnte durch die Entwicklung von Antidots (Gegengift) oder Safenern kommen, die die Kulturarten unempfindlich gegenüber wirksamen Herbiziden machen. Denkbar ist, das Saatgut mit Safener zu beizen oder sogar zu pillieren. Dies versetzt die Kulturpflanze in die Lage, einen Herbizid-Wirkstoff abzubauen, ohne selbst Schaden zu nehmen. Vorteil dieser durch Beizung induzierten Resistenz gegenüber genetisch induzierter Resistenz: Ausfallsamen besitzen diese Resistenz nicht. Deshalb lässt sich der Durchwuchs in der Folgekultur bekämpfen.


Ein anderer Ansatz besteht darin, die Resistenz von Ungräsern und Unkräutern durch eine Vorbehandlung zu brechen und die Unkräuter dadurch wieder empfindlicher für Herbizide zu machen.


Verbesserte Formulierungen verringern das Risiko für die Kulturpflanze und verstärken die Wirkung auf die Unkräuter. Die Formulierung von Pflanzenschutzmitteln wird auch bei Fungiziden und Insektiziden eine größere Bedeutung erlangen, um Wirkstoffe dorthin zu bringen, wo sie benötigt werden.


Auf jeden Fall werden wir in 20 Jahren mit einigen Problemen zu kämpfen haben, die heute noch regional begrenzt auftreten. In wenigen Jahren werden sie aber flächendeckend grassieren. Beispiel: Die Resistenz von Kamille gegen Sulfonylharnstoffe, die sich bislang noch auf die Westküste Schleswig-Holsteins beschränkt. Sie tritt dort auf, wo die mehrfache ALS-Spritzung gegen den Ackerfuchsschwanz zu einer Standardmaßnahme geworden ist. Ein vergleichbares Dilemma ist beim Ackerstiefmütterchen zu erwarten. j


Ob GVO-Sorten mit Resistenz gegen Totalherbizide eine dauerhafte Lösung für Unkrautprobleme sein werden, sei dahin gestellt. Das Hauptproblem besteht darin, dass Glyphosate, ALS-Hemmer (Sulfonylharnstoffe) und ACCase-Hemmer (Fop-Mittel) über dasselbe Enzymsystem (Cytochrom-Monooxygenasen = Cyt-MOG) entgiftet werden, und die Cyt-MOG durch externe Maßnahmen zu beeinflussen sind. Pflanzen unterscheiden sich offensichtlich in der Fähigkeit, die Cyt-MOG zu aktivieren. Das fördert Resistenzen.


Veränderung der Unkrautflora:

Die Zusammensetzung des Unkrautspektrums wird sich in den kommenden 20 Jahren stark verändern. Vor allem wärmeliebende Unkrautarten (z. B. Hirsen), Tiefkeimer (zum Beispiel Windenknöterich oder auch Hundspetersilie) und ­bisherige Straßenrandunkräuter werden ­zunehmen. Die unzureichende Straßenrandhygiene, der Verzicht auf wendende Bodenbearbeitung, aber auch die veränderten Behandlungsroutinen führen dazu, dass sie sich stärker ausbreiten werden.


Durch die Einschränkung des IPU- und CTU-Einsatzes nahm z. B. der Wiesenkerbel zu. Vom Straßenrand aus dringen Storchschnabel oder Ackerkrummhals in die Schläge ein. Durch den Zwischenfruchtanbau werden exotische Unkräuter, wie z. B. Samtpappel oder Ambrosia, eingeschleppt. Infolge des Temperaturanstieges finden sie bei uns günstige Voraussetzungen und können sich somit weiter ausbreiten.


Schaderreger passen sich an:

Um eine Vorstellung zu erhalten, mit welchen Problemen wir in Zukunft als Folge der Erwärmung zu kämpfen haben, brauchen wir nur einen Blick nach Norditalien oder ins Rhonetal zu werfen. Dort ist die Gefährdung durch Schädlinge mindestens so stark wie durch Pilzkrankheiten. Bereits in den letzten Jahren sind die Ausgaben für Insektizide im Vergleich zu den Fungizidkosten stärker gestiegen.


Interessant ist, dass derzeit mehr neue Insektizid-Wirkstoffe auf den Markt kommen als Fungizide oder gar Herbizide. Diese Insektizide, z. B. Pymetrozine (Plenum), Indoxacarb (Avaunt, Steward)oder Flonicamid (Teppeki) wirken wesentlich spezifischer als die bisherigen Rundumschläge mit Pyrethroiden oder Organophosphaten. Das erfordert allerdings eine sichere Diagnose der auftretenden Schädlinge.


Krankheitsdruck verlagert sich:

Die Gefährdung durch Pilzkrankheiten wird sich durch die Anbaugewohnheiten und durch die Klimaentwicklung verschieben. Krankheiten mit hohen Temperaturansprüchen, z. B. Braunrost, Drechslera-Arten, Ramularia oder Fusarien-Arten wie Fusarium graminearum im Getreide, Alternaria, Cercospora oder auch Roste in dikotylen Kulturen werden an Bedeutung gewinnen. Der Befall mit Krankheiten mit weniger hohen Temperaturansprüchen (M. nivale, Septoria tritici, Gelbrost) sowie der Mehltau im Getreide wird in den Herbst und Winter verlagert. Dagegen verliert das Befallsrisiko im Frühjahr aufgrund der häufiger eintretenden Frühjahrstrockenheit eher an Bedeutung. In Einzeljahren werden diese Krankheiten aber weiterhin zu Ertragsausfällen führen. Das bedeutet aber auch, dass im Wintergetreide Fungizide mit Herbstzulassung zur Verfügung stehen müssen.


Mithilfe der Sensortechnik in Kombination mit Boden- bzw. Ertragszonenkarten werden die Aufwandmengen an Fungiziden und Wachstumsregulatoren dem Bestand und Standort angepasst ausgebracht. Mit drehbaren Gestängen und zuschaltbaren Düsen wird es möglich sein, die Wirkstoffe gezielt zum Wirkort zu bringen. Aufgrund variabler Wasseraufwandmengen werden wir nicht mehr über Mittelmengen pro Hektar diskutieren, sondern – wie jetzt bereits im Obstbau – über die Wirkstoffkonzentration, um gezielt die notwendige Anzahl an Molekülen an den Wirkort zu bringen. Dadurch wird die Effizienz der Pflanzenschutzmaßnahmen zunehmen.


Mehr Effizienz beim Düngen!

Höhere Effizienz wird auch notwendig sein, um die höheren Düngemittelpreise zu kompensieren. Steigende Energiekosten und Rohstoffknappheit (Phosphor), die durch zunehmende Monopolstellung der Hersteller auch künstlich beeinflusst werden, zwingen uns, die organischen Dünger und Reststoffe effektiver zu nutzen. In 20 Jahren wird die Politik eingesehen haben, dass es aus energetischer Sicht und aus Umweltgesichtspunkten unsinnig ist, nicht mit Schadstoffen belasteten Klärschlamm viele Kilometer zur Müllverbrennung zu bringen, dort den Stickstoff und Kohlenstoff in die Luft zu blasen und den darin enthaltenen Phosphor als Restmüll einzubunkern, um ihn dann mit einem Riesenaufwand wieder zu recyceln.


Die Ausbringung von Nährstoffen wird mehr in den Boden hinein erfolgen, um die Wirkung zu erhöhen. Das erfolgt durch Lockerung unter oder neben der Drillreihe mit gleichzeitig tiefer, konzentrierter Einbringung von Nährstoffen in Reihenkulturen, aber auch zu Pfahlwurzlern wie dem Raps. Zudem werden wir mehr Nährstoffe bedarfsgerecht über das Blatt düngen. Bestands- und standortangepasste Düngung wird in 20 Jahren der Normalfall sein.


Dann müssen wir allerdings unsere Untersuchungsmethodik verbessern, um den aktuellen Bedarf exakter zu ermitteln. Dazu dient auch die Kombination von Boden- und Pflanzenuntersuchung, mit deren Hilfe wir die Effizienz der Düngung zeitnah messen können. Das erfordert gut ausgebildete Agrikulturchemiker. Deren Ausbildung wird durch die jetzigen Studienordnungen nicht gerade gefördert. So haben derzeit Bodenkunde und Pflanzenernährung an den Hochschulen nur noch einen geringen Stellenwert. Das muss sich ändern!


Inwieweit gesetzliche Begrenzungen des Düngeraufwandes zusätzlich eine höhere Effizienz von Düngungsmaßnahmen nach sich ziehen, sei dahin gestellt. Zu hoffen ist nur, dass die Politik nicht, wie jetzt in Dänemark, durch starre Obergrenzen das Leistungspotenzial unserer Standorte einschränkt.


Ausbringungstechnik:

Stabilisierte Stickstoffdünger werden nicht nur aufgrund der Nitratdiskussion in größerem Umfang eingesetzt. Sie machen es auch möglich, die Zahl der Arbeitsgänge einzuschränken und mehr Wirkungssicherheit zu erzielen. Dazu werden auch neue Dünger auf den Markt kommen, z. B. Harnstoffe mit Urease-Hemmer, die im schweren Boden beweglicher bleiben als N-Dünger mit Nitrifikationshemmern.


Dadurch können wir in 20 Jahren im Getreide auf eine zweigeteilte Stickstoff-Düngung setzen. Dass wir mit nur einer N-Gabe auskommen, ist aufgrund der auch dann noch unterschiedlichen Vorwinterentwicklung der Winterkulturen eher unwahrscheinlich.


Werden wir Biobauern?

Die Ziele des Biolandbaus sind auf den ersten Blick bestechend und scheinen die Lösung für fast alle Probleme zu bieten: Kreislaufdenken, Artenvielfalt, Fruchtwechsel, Anbau von Leguminosen, um den Stickstoff aus der Luft zu nutzen, nur organische N-Dünger, Zufuhr von Grundnährstoffen nur aus „natürlicher“ Herkunft, kein Einsatz synthetisch hergestellter Pflanzenschutzmittel, sondern mechanische Bekämpfung oder Abflämmen von Unkräutern, biologischer Pflanzenschutz. Die Kennzeichen des ökologischen Landbaus sind in der Übersicht 1 auf Seite 87 zusammengestellt.


Die Realität ist aber, dass auch ein Biobetrieb nicht mehr allein als Subsidenz-Landwirt auf seinem Bauernhof wirtschaften kann. Auch er ist Teil der Gesellschaft, damit hat er Ausgaben für private Belange, für Betriebsmittel, für Investitionen und Vorsorge und für das Finanzamt. Daher muss er mit den Verkaufsprodukten Nährstoffe exportieren, um an Geld zu gelangen, die nicht mehr in den Kreislauf zurückkommen. Diese müssen ersetzt werden. Wie hoch zum Beispiel der Phosphat-Export allein für die Lebenshaltung eines 1-Personen- und 5-Personen-Haushaltes ist, entnehmen Sie der Übersicht 2 auf Seite 87.


Biobetriebe setzen insgesamt weniger Energie ein. Denn die meiste Energie wird für die Düngerproduktion benötigt. Biobetriebe haben aber auch eine geringere Energieproduktion. Pro Einheit eingesetzter Energie produzieren viehhaltende Biobetriebe das 6-fache an Energie. Das ist auf den ersten Blick überzeugend. Der Nettoenergiegewinn pro Hektar liegt aber nur bei 60 bis 70 % gegenüber einem reinen Ackerbaubetrieb (siehe Übersicht 3).


Biobetriebe ohne Viehhaltung und noch mehr Biobetriebe, die verunkrautete Flächen nicht beernten, haben sowohl eine schlechtere Energieverwertung als der konventionelle Betrieb als auch eine wesentlich geringere Energiebilanz. Das liegt vor allem am deutlich niedrigeren Ertragsniveau im ökologischen Landbau (siehe Übersicht 4).


Mehr Arbeitskräfte nötig:

Biolandwirtschaft erfordert mehr Arbeitskräfte. Statt bislang unter 2 %, müssen wenigsten wieder 6 % in der Landwirtschaft arbeiten, um die anfallende Arbeit zu bewältigen. Die Auswirkungen auf die Volkswirtschaft mag ein anderer bewerten.


Wie ist im Vergleich zur Biolandwirtschaft eine nachhaltige intensive Landwirtschaft aus Umweltgesichtspunkten zu bewerten?


  • Die Energiebilanz ist bei intensiver Bewirtschaftung positiv. Dadurch fällt auch die CO2-Bilanz günstig aus.
  • Untragbare Einträge von Pflanzenschutzmitteln in die Umwelt sind, nach anfänglichen Sünden, nicht zuletzt durch den Einfluss von Umweltverbänden nahezu unbedeutend geworden.
  • Nach 50 Jahren mit intensivem Pflanzenschutz weisen unsere Böden eine intakte biologische Aktivität auf.
  • Schwachpunkt der intensiven Produktion ist die geringe Biodiversität in Hochertragsregionen. Abhilfe könnten sinnvoll gestaltete Randstreifen und Rückzugsinseln schaffen.


Aus diesen Gründen gibt es keinen Anlass, in 20 Jahren von einer nachhaltigen, intensiven Landbewirtschaftung abzugehen.

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