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das Aktuelle Interview - „Die Bauern müssen Massen­tierhaltung neu definieren!“

Lesezeit: 4 Minuten

Der Begriff Massentierhaltung ist bei den Verbrauchern längst gesetzt. Deshalb bringt es nichts, sich dagegen zu wehren, meint die Hamburger Kommunikationsexpertin Kerstin M. Molthan. Die Landwirte müssten den Begriff aktiv mit neuen Inhalten füllen.


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Ist der Begriff ‚Massentierhaltung’ fest im Wortschatz der Deutschen verankert?


Molthan: Absolut. Sie müssen nur morgens die Tageszeitung aufschlagen, die Nachrichten der Online-Dienste abrufen oder abends durch die Talkrunden zum Thema Lebensmittel zappen. Überall werden Sie feststellen: Wenn über die Herkunft unserer Steaks oder Schnitzel geredet wird, fällt sofort das Stichwort Massentierhaltung.


Die Landwirte haben den Begriff nie akzeptiert oder benutzt. Wieso hat er sich trotzdem durchgesetzt?


Molthan: Weil sich nur die kritischen Stimmen lautstark zu Wort gemeldet haben. Seit Jahren sprechen Tierschutzverbände und andere Kritiker über Massentierhaltung. Mit ihren Kampagnen stimmen sie Meinungsbildner, politische Entscheider, Medien und Verbraucher auf ihre Sicht der Dinge ein. Andere markante Stimmen - zum Beispiel aus dem landwirtschaftlichen Berufsstand – habe ich zum Thema nicht gehört. Deshalb haben alle bis heute nur gelernt: Massentierhaltung bedeutet Tierquälerei, Antibiotikaresistenzen und Umweltverschmutzung.


Wie muss man darauf reagieren?


Molthan: Die Landwirte haben den ersten Schritt inzwischen gemacht. Sie widersprechen! Wir sind keine Tierquäler, wir kümmern uns um unsere Tiere, ist zu hören. Das heißt doch: Es gibt noch eine andere Wahrheit zum Thema Massentierhaltung. Diese muss in unserem Lande ebenfalls Gehör finden. In klaren Aussagen und in Bildern. Es ist Zeit, dass die Landwirte IHRE Sicht der Dinge darstellen.


Wie geht das?


Molthan: Zuerst müssen alle relevanten Fakten auf den Tisch. Es gilt herauszuarbeiten, wo die Kritiker mit Verallgemeinerungen und Emotionalisierungen falschen Vorstellungen Vorschub leisten und was die Landwirte dem entgegensetzen können. Dann sind die Kernaussagen der Kampagne zu definieren und das Orchester zu besetzen. Das heißt, wir brauchen Sprecher für die Landwirte, die die Haltung der Branche in der Öffentlichkeit vertreten. Deutschland braucht aber wohl auch Nachhilfe in moderner Massentierhaltung. Ohne ein Grundwissen, wie heute Nutztiere gehalten werden, können wir in einer breiten Öffentlichkeit kein Verständnis für dieses Thema herstellen. Dann werden Bilder mit Tieren, die zwischen Stangen „eingezwängt“ sind, auch weiter für Empörung sorgen.


Kennen Sie Branchen, die mit einer solchen Strategie erfolgreich waren?


Molthan: Die Chemiebranche zum Beispiel. Nach einer Reihe von großen Unfällen im letzten Jahrhundert war deren Image im Keller. Das hat die Branche auf den Plan gerufen. Die Sicherheitsstandards wurden verbessert, Aufklärungskampagnen und eine Nachbarschaftskommunikation gestartet usw. Viele Jahre wurde Hand in Hand daran gearbeitet, vom öffentlichen Pranger wieder wegzukommen.


Auch die kritischen Themen der Automobilbranche wie Unfälle mit Todesfolge, Luftverpestung oder Rohstoff-Raubbau sind weitgehend aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden. Wie das wirkt, zeigt sich daran, dass wir jetzt nicht mehr über den CO2-Ausstoß der Autos, sondern über den der Kühe diskutieren.


Sind Tierschutzverbände kampagnenfähiger als die Bauern?


Molthan: Tierschutzverbände wollen Spendengelder einsammeln. Das funktioniert nur über aufmerksamkeitsstarke Kommunikation, sprich Kampagnen. Nutztiere aufzuziehen, um später ein Schnitzel auf dem Teller zu haben, braucht dagegen keine Kommunikation. Wichtig sind Futter, ein Stall, Sachverstand und viel Geduld. Deshalb hat es wohl so lange gedauert, bis die Landwirte das permanente Anprangern satt hatten. Die Bauern sind dann kampagnenfähig, wenn sie eine klare Haltung haben und diese auch deutlich vertreten. Dann können wir loslegen.


Wenn Sie morgen eine Image-Kampagne für die deutschen Schweinehalter aufziehen sollten, wie würden Sie diese anlegen?


Molthan: Ich kann hier nur Schlaglichter werfen. Wichtig wäre eine interne und externe Kommunikation. Intern müssten gemeinsame Kernaussagen erarbeitet werden, die alle in der Branche mittragen. Nur wenn intern Einigkeit herrscht, trägt eine Kampagne. Dann gilt es von den Schulen bis in die breite Öffentlichkeit ein entsprechendes Grundwissen zu vermitteln. Eine Kernbotschaft könnte lauten: „Ohne die Schweinehalter läuft in unserem Land gar nichts. Sie kümmern sich um ihre Tiere. 365 Tage nichts als Schweine.“


Notwendig wäre es vor allem, die Multiplikatoren einzubinden. Das sind zum Beispiel die Journalisten. Ihnen muss man die moderne Nutztierhaltung erklären, denn sie sind keine gelernten Landwirte. Dazu braucht man flächendeckend Workshops und Redaktionsbesuche.


Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Kampagne ist die Diskussion über die Zukunft des Fleischkonsums. Als Gegenpol zur wachsenden Gruppe der Vegetarier muss deutlich werden, dass der Verzehr einer Wurst oder eines Steaks Genuss bedeutet und obendrein Teil einer ausgewogenen Ernährung ist.


Wie viel Geld würde das kosten?


Molthan: Vergleichbare Konzepte haben 3 bis 5 Mio. € gekostet. Je mehr Geld und Personal zur Verfügung stehen, desto größer sind die Chancen. Aber nur wenn die Kampagne und ihre Vertreter glaubwürdig und überzeugend sind. Sonst nützt das größte Budget nichts. Dr. Ludger Schulze Pals

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