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das Aktuelle Interview - „Zeigen Sie mehr Gefühl!“

Lesezeit: 4 Minuten

Wenn die Landwirtschaft raus aus der Defensive will, muss sie die Verbraucher viel emotionaler ansprechen, als sie es bisher tut. Die NGOs machen es vor, meint Jens Lönneker.


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Der Verbraucher kritisiert die „Massentierhaltung“ und „industrielle“ Landwirtschaft, kauft aber deren Produkte. Wie passt das zusammen?


Lönneker: Wir nennen das eine psychologische Spaltung. Die Verbraucher haben heute kein Problem damit, widersprüchliche Haltungen einzunehmen. 60 % der Konsumenten, die im Discount Fleisch einkaufen, sind gegen Massentierhaltung, obwohl sie wissen, dass dieses Fleisch vermutlich aus Massentierhaltung stammt. Das empfinden sie nicht als un­logisch, sondern schieben das Problem auf die Produzenten.


Warum sind die Verbraucher überhaupt gegen die moderne Tierhaltung?


Lönneker: Das hat mit Ängsten und Stress zu tun, den die Menschen im Alltag erleben. Daraus wollen sie entfliehen. Deshalb ist eine romantische, idyllische Bullerbü-Landwirtschaft hoch attraktiv. Zugleich wollen sie aber auf die Vorteile der modernen Produktion wie günstige Preise oder die dauernde Verfügbarkeit nicht verzichten.


Welche Rolle spielen dabei die Umwelt-, Tier- und Verbraucherschutzverbände?


Lönneker: Sie verstärken den Druck. Die öffentliche Meinung bildet sich heute nicht mehr nur über logische Argumente. Wer Meinung machen will, muss die Menschen auch privat-emotional ansprechen. Das machen die NGOs ziemlich gut. Sie transportieren Gefühle und sind damit Projektionsfläche für die Wünsche der Verbraucher.


Warum sind die NGOs für viele Verbraucher glaubwürdiger als neutrale Wissenschaftler?


Lönneker: Erstens holen sie die Menschen dort ab, wo sie gefühlsmäßig stehen. Das tut die Agrarbranche fast gar nicht. Die Pegida-Bewegung zeigt auf unheimliche Weise, welche Mobilisierung allein über Emotionen möglich ist. Und zweitens halten viele die Wissenschaft doch nicht für so neutral und objektiv, wie sie sich selber sieht. Jedenfalls erwecken manche Gutachten für politische Parteien oder für Verbände einen anderen Eindruck. Drittens hat es die Wissenschaft in einer zunehmend emotional aufgeladenen Welt schwer, gehört zu werden.


Wie reagieren die Medien darauf?


Lönneker: Die Medien müssen im emotionalen Strom mitschwimmen, wenn sie gute Quoten, Auflagen und Klickraten erreichen wollen. Dadurch kann es um un­bedeutende Themen plötzlich einen extremen Medienhype geben. Wenn dann die Betroffenen, wie es in der Landwirtschaft der Fall ist, viel zu passiv reagieren, gerät man extrem unter Beschuss. Die Agrarbranche versucht noch immer mit nüchternen Fakten die Deutungshoheit zu gewinnen, statt selber starke emotionale Bilder zu transportieren. Das wird scheitern.


Erkennt die Branche ihre Defizite?


Lönneker: Es gibt schon Verantwortliche, die Defizite benennen. Viele sagen jedoch zugleich, dass die Strukturen im Berufsstand wenig Spielräume für Veränderung bieten. Und so passiert wenig.


Sind andere weiter?


Lönneker: Die französischen Bauern schaffen es weitaus besser, ihre Verbraucher von sich zu überzeugen. Auf die Frage, wer ist in der Werbung von Nahrungsmitteln besonders glaubwürdig, antworten die deutschen Verbraucher: die Köche. Die Franzosen sagen hingegen: die Landwirte und erst dann die Köche. Ohne Landwirte gäbe es keine guten Produkte, so die Meinung unserer Nachbarn. Das ist ein starkes Image.


Haben die deutschen Bauern ein Glaubwürdigkeitsproblem?


Lönneker: Je stärker sich die heutigen Agrarbetriebe von der bäuerlichen Idylle entfernen, desto mehr Öffentlichkeitsarbeit ist notwendig. Das tut die Agrarbranche aber nicht. Erstens müsste sie viel mehr Endkonsumentenwerbung machen. Wie gut das wirkt, zeigen uns die Franzosen. Zweitens muss man sich auf bestimmte Teil­aspekte konzentrieren. Die Agrarbranche präsentiert aber gern nur das große Ganze. Und das ist obendrein noch ex­trem glatt gebügelt, weil man peinlich genau darauf achtet, intern niemandem auf die Füße zu treten. So bleibt man profillos, ohne Ecken und Kanten.


Was halten Sie von der „Wir machen…“- Kampagne des Bauernverbandes?


Lönneker: Ich finde es sehr gut, dass sich der Bauernverband auf diesen Weg begibt. Wir haben die Wirkung zwar nicht empirisch geprüft. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie normale Bürger inhaltlich und emotional noch nicht wirklich überzeugt. Das Motiv „Wir machen zart“ ist schwierig, weil heute niemand mehr davon ausgeht, dass Kühe noch mit der Hand gemolken werden. Auch „Wir machen sauber“ stellt sich zu sehr gegen die Verbrauchermeinung, dass die Böden durch die Landwirtschaft belastet werden und ist dann so vermutlich nicht glaubwürdig. Bei „Wir machen frisch“ sieht man das Pflanzen, denkt durch den Subtext aber eher ans Ernten von frischem Gemüse. Insofern sind Text und Bild eher widersprüchlich. Aber noch einmal: Der Weg ist richtig.


Was raten Sie DBV-Präsident Joachim Rukwied?


Lönneker: Gehen Sie den Weg der emotionalen Ansprache noch viel konsequenter. Nur so wird die Leistung der Bauern, die dahinter steht, besser wahrgenommen. -sp-

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