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Biokraftstoffe sind wieder im Spiel

Lesezeit: 7 Minuten

Die deutschen Klimaziele für den Verkehrssektor lassen sich nur erreichen, wenn alle Optionen wie Elektromobilität, Biokraftstoffe oder E-Fuels genutzt werden. Davon könnten die Bauern profitieren.


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In der deutschen Biokraftstoffbranche könnte wieder einmal Ernüchterung herrschen: Im Dezember 2018 hat die EU die überarbeitete Erneuerbare-Energie-Richtlinie (Renewable Energy Directive, kurz RED II) beschlossen. Darin sollen erneuerbare Energien im Verkehrssektor bis zum Jahr 2030 einen Anteil von 14% des Verbrauchs abdecken. Das ist nicht nur ein wenig ambitioniertes Ziel gegenüber den 10%, die die EU für das Jahr 2020 ausgegeben hatte. Im Detail enthält die Richtlinie auch jede Menge Sprengstoff aus Sicht der Biokraftstoffbranche, erfuhren die 600 Teilnehmer von Europas größtem Kraftstoffkongress „Kraftstoffe der Zukunft“ im Januar 2019 in Berlin:


  • Optionen, wie z.B. die Elektromobilität oder Biokraftstoffe aus Rest- und Abfallstoffen, dürfen sich die Mitgliedsstaaten mehrfach anrechnen lassen. Nach Berechnungen des Verbandes der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) wird der reale Anteil der erneuerbaren Energien im Verkehr im Jahr 2030 statt bei 14 nur bei 7,4% liegen.
  • Der Anteil konventioneller Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse wie Raps oder Getreide darf zwar weiterhin bei 7% liegen. Wegen der Mehrfachanrechnungen bleiben laut VDB dafür aber nur zwei Prozentpunkte – das wäre eine Halbierung der Menge, die heute eingesetzt wird.
  • Neu ist, dass Mitgliedstaaten auch einen geringeren Anteil festlegen dürfen – ohne dafür an anderer Stelle nachlegen zu müssen.


Ehrgeizige deutsche Ziele


So ernüchternd die Situation auf EU-Ebene wirkt: In Deutschland sieht es ganz anders aus. Denn die Bundesregierung hat die ambitioniertesten Klimaziele für den Verkehr in der EU. Nach dem Klimaschutzplan 2050 will Deutschland bis zum Jahr 2030 eine Minderung der Treibhausgas-Emissionen (THG) um 40 bis 42% gegenüber dem Basisjahr 1990 erreichen. Statt aktuell 170 Mio. t CO2 soll es im Verkehr nur noch 95 bis 98 Mio. t geben.


Das will die Bundesregierung in diesem Jahr in einem Klimaschutzgesetz verankern. Um die Ziele zu erreichen, sind aus folgenden Gründen eher mehr als weniger Biokraftstoffe nötig:


  • Emissionen sind gestiegen,10


  • der Umstieg dauert lang,11


  • die Elektromobilität wächst langsam,12


  • der Ökostromausbau stockt,13


  • der E-Antrieb ist nur eine Teillösung,14


  • Alternativen fehlen noch.15


1.Emissionen sind gestiegen


Eine Reduktion der THG-Emissionen um 40 bis 42% gegenüber 1990 ist auf den ersten Blick nicht viel. Allerdings will Deutschland mit diesem Ziel in nur zehn Jahren eine Absenkung schaffen, die 30 Jahre davor nicht gelungen ist. Denn von 2010 bis 2017 wuchs der Pkw-Bestand in Deutschland um 12%, die Zahl der Lkw legte um 27% zu.


Das hat zu mehr gefahrenen Kilometern und damit auch zu mehr Emissionen geführt – alle Einsparungen aufgrund höherer Motoreffizienz sowie aufgrund der Beimischung von Biokraftstoffen wurden damit zunichte gemacht. Damit ist die Absenkung der THG-Emissionen im Verkehr eine größere Herausforderung als die im Stromsektor.


2. Umstieg dauert lang


In Westeuropa gibt es rund 250 Mio. Fahrzeuge, jährlich werden ca. 12 bis 14 Mio. Neuwagen zugelassen. Bei einer Lebensdauer von 10 bis 20 Jahren wird es also noch lange dauern, bis neue Antriebskonzepte umgesetzt sind. 98 % der Energie, die im deutschen Transportsektor heute benötigt wird, stammt aus Rohöl, die Infrastruktur ist darauf ausgelegt. Um die CO2-Emissionen schnell abzusenken, sind also Alternativen zu fossilen Treibstoffen gefragt. Hier können Biokraftstoffe sofort helfen: Allein im Jahr 2017 haben sie in Deutschland 7,7 Mio. t CO2 vermieden.


3. E-Flotte wächst langsam


Als wichtige Alternative gelten E-Autos, da sie keine Emissionen ausstoßen. Ein Treiber dafür sind u.a. die neuen Flottengrenzwerte der EU. Damit ist der durchschnittliche Ausstoß aller neu zugelassenen Fahrzeuge eines Herstellers gemeint, der einen gesetzlichen Grenz-wert in einem Jahr nicht überschreiten darf. Für Pkw wird der Wert von 130 g CO2/km im Jahr 2015 auf 95 g/km ab 2021 abgesenkt. Das ist wohl nur mit Elektrofahrzeugen zu schaffen.


Auch die Bundesregierung puscht den Umstieg und fördert mit 1 Mrd. € Kaufprämien für neue Fahrzeuge oder Ladesäulen. Das Ziel für das Jahr 2020 waren 1 Mio. E-Fahrzeuge auf deutschen Straßen. Das wird nach Prognose der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) jetzt wohl erst im Jahr 2022 erreicht. Eine mutige Prognose: Ende 2018 lag der Bestand in Deutschland laut Verband der Automobilindustrie (VDA) erst bei knapp 200000 E-Autos.


4. Ökostromausbau stockt


Zum Klimaschutz kann die Elektromobilität nur beitragen, wenn der Strom zum Laden der Fahrzeuge aus erneuerbaren Energien stammt. Mit Ladestrom aus Kohlekraftwerken sind die Gesamt-emissionen etwa so hoch wie bei einem Benziner (siehe Übersicht 1). Daher müsste der Ökostromanteil am deutschen Strommix also deutlich stärker wachsen als bisher. Doch Zubaudeckel bei Wind- und Solarenergie sowie eine begrenzte Perspektive für bestehende Biogasanlagen lassen das Wachstum beim Ökostrom aktuell deutlich geringer ausfallen als bisher.


5. E-Antrieb nur Teillösung


Selbst wenn der Anteil von Elektrofahrzeugen im Jahr 2025 zwischen 15 und 25% der Neuzulassungen erreichen sollte, wie es die NPE prognostiziert, würde ihr Anteil am Gesamtfahrzeugbestand in Deutschland maximal 4 bis 6,5% ausmachen. Dazu kommt, dass der E-Antrieb nur eine Option für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge sein wird. Im Schwerlastverkehr ist dagegen eine Elektrifizierung kaum möglich, in der Luft- und Schifffahrt schon gar nicht. Für diese bleiben flüssige Treibstoffe die einzige Option.


6. Alternativen fehlen noch


Flüssige Kraftstoffe, die heute den Markt beherrschen (siehe Übersicht 2), werden noch lange Zeit benötigt. Als Alternative zu Biokraftstoffen wie Biodiesel und Bioethanol gelten strombasierte Kraftstoffe, auch „E-Fuels“ genannt. Basis für sie ist Wasserstoff, der mithilfe von Strom aus erneuerbaren Energien, wie z.B. Wind- oder Solarstrom, in „Power-to-Gas-Anlagen“ erzeugt wird. Mit dem Wasserstoff kann man beispielsweise aus CO2 Methan oder synthetische Kraftstoffe produzieren. Allerdings kostet ein Liter synthetischer Kraftstoff heute noch 2,5 bis 5 €/l. Frühestens in zehn Jahren werden sie in ausreichender Menge und zu konkurrenzfähigen Preisen zur Verfügung stehen, erwartet das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Der Vorteil dieser Strategie ist aber: Die neuen Kraftstoffe könnten nach und nach Biodiesel, Bioethanol oder Biomethan ergänzen, ohne sie zu verdrängen.


Schnelles Handeln gefragt


Was viele Referenten des Kraftstoffkongresses übereinstimmend feststellen:


  • Die Ziele der RED II sind nicht geeignet, um die deutschen und europäischen Klimaziele zu erreichen.
  • Zum Erreichen sind alle Optionen nötig: Elektromobilität, Biokraftstoffe, E-Fuels usw.
  • Für schnelle Erfolge im Klimaschutz muss die Bundesregierung den Anteil der flüssigen und gasförmigen Biokraftstoffe sofort erhöhen. Dazu ist eine Anhebung der Treibhausgas-Quote nötig: Sie liegt aktuell bei 4 %. Das bedeutet: Mineralölkonzerne, die Treibstoffe in Verkehr bringen, müssen nachweisen, dass sie innerhalb eines Jahres 4% THG-Emissionen gegenüber fossilen Kraftstoffen eingespart haben. Im Jahr 2020 soll diese Quote auf 6 % steigen. Nach Berechnungen des VDB wäre im Jahr 2030 zusätzlich zu 6 Mio. Elektrofahrzeugen eine THG-Quote von 16 % nötig, um die deutschen Klimaziele zu erfüllen.
  • Außerdem sind Anreize nötig, damit die Entwicklung von Power-to-Gas und E-Fuels wirtschaftlich wird.
  • Zudem muss eine gemeinsame Verarbeitung von Pflanzenöl oder erneuerbarem Wasserstoff in bestehenden Raffinerien zusammen mit Rohöl möglich sein.
  • Der Ausbau von Flüssigerdgas (LNG) könnte eine Option für den Schwerlastverkehr werden. Sinnvoll ist, hierfür erneuerbares Methan oder Power-to-Gas einzusetzen.


Chancen für Landwirte


Würde die Bundesregierung diese Op-tionen umsetzen, gäbe es große Chancen für die Landwirte:


  • Der Biomasseanbau, vor allem von Raps und Getreide für die Biokraftstoffproduktion, könnte konstant bleiben oder sogar zunehmen.
  • Da künftig deutlich mehr Strom benötigt wird, stehen die Zeichen für mehr Windparks, Solar-, Bioenergie- oder Wasserkraftwerke günstig.
  • Der Verkauf von Strom als Ladeenergie, aber auch als Basis für erneuerbaren Wasserstoff, könnte eine Option für bestehende Wind- und Solarparks werden, die keine Förderung nach dem EEG mehr erhalten.
  • Bestehende Biogasanlagen, die das EEG-Förderende erreichen, bekommen mit der Produktion von Biomethan neue Perspektiven. Vor allem die Produktion von Biogas aus Reststoffen wie Gülle oder Stroh könnte stark angeregt werden.
  • Betreiber von verschiedenen erneuerbare Energien-Anlagen könnten gemeinsam in Elektrolyseure investieren, erneuerbaren Wasserstoff herstellen und vermarkten.


hinrich.neumann@topagrar.com

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