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„Es gibt zu viele schlechte Biogasanlagen“

Lesezeit: 5 Minuten

Von Gerichten oder Versicherungen beauftragte Gutachter bemängeln eine hohe Zahl von Schäden an Biogasanlagen. Wir sprachen mit dem Sachverständigen Torsten Fischer über Ursachen und Auswege.


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Sie monieren seit Jahren die schlechte Qualität von Biogasanlagen. Ist keine Besserung in Sicht?


Fischer: Leider nicht. Ich erstelle seit zehn Jahren Gutachten über Biogasanlagen, insgesamt waren es wohl über 100. Das sind Gerichtsgutachten, ­Begutachtungen von Schadensfällen, die Versicherungen in Auftrag geben oder Wertgutachten, wenn eine schlecht laufende Biogasanlage verkauft werden soll. Zählt man die Gutachten der anderen Sachverständigen dazu, dürften rund 10 % der heute existierenden Anlagen begutachtet worden sein. Sie hatten also Probleme bei Planung, Bau oder Betrieb gehabt.


War das schon immer so?


Fischer: So richtig los ging es mit den Gutachten ab dem Jahr 2004. Eine Standardanlage hatte eine Leistung von 500 kW. Die kostete dann rund zwei Mio. Euro. Im Vergleich zu den vorher gebauten Anlagen war das plötzlich ein Haufen Geld. Wenn die nicht lief und kein Geld hereinkam, hat der Betreiber von der Bank Druck bekommen. Bei so viel Geld treffen sich die Parteien am Ende vor Gericht.


Wer klagt dann gegen wen?


Fischer: Der Regelfall ist, dass der Betreiber die Anlage nicht auf Volllast bekommt oder es Mängel an Bauteilen gibt. Wenn der Hersteller nicht nachbessert, klagt der Anlagenbetreiber gegen ihn. Meist werden Fehler in der Planung oder im Bau gemacht.


Woran machen Sie das fest?


Fischer: Die Kommission für Anlagensicherheit im Bundesumweltministerium hat festgestellt, dass 80 % der Biogasanlagen schon vor der Inbetriebnahme gravierende Mängel haben.


Brauchen wir neue Normen?


Fischer: Nein, es gibt seit Jahren eine steigende Flut von Vorschriften und neuen DIN-Normen. Mein Eindruck ist eher, dass Anlagenhersteller und Zulieferer, aber auch Betreiber ignorant und unwissend sind. Viele haben ein absolutes Desinteresse an Dokumentationen.


Welche Unterlagen meinen Sie konkret?


Fischer: Geschätzt haben rund 90 % der Anlagen keine Gefährdungsbeurteilung, obwohl sie nach der Betriebssicherheitsverordnung seit dem Jahr 2002 auf jeder Biogasanlage vorhanden sein muss. Auch gibt es Anlagen, die noch nie eine wiederkehrende Prüfung nach der gleichen Vorschrift erlebt haben. Diese ist aber alle drei Jahre vorgeschrieben. Genauso fehlen Wartungspläne. Das Problem ist auch nicht, dass Papier fehlt. Es zeigt vielmehr, dass sich weder Betreiber noch Anlagenbauer damit auseinandergesetzt und ein Problembewusstsein entwickelt haben.


Worauf ist diese Ignoranz zurückzuführen?


Fischer: Das ist zum einen einfach Bequemlichkeit. Wenn eine Standardanlage für Mais und Gülle geplant wird, dann zieht der Hersteller sein Konzept aus der Schublade. Rohrleitungen, Behälter und andere Komponenten sind Massenware, da wird nichts mehr individuell auf die Bedürfnisse des Betreibers angepasst. Der Ingenieur ist mehr ein Organisator der Baustelle. Das sieht man daran, dass es kaum schriftliche Aufträge vom Generalunternehmer an die Zulieferer gibt. Genauso wenig existieren Aufträge der Betreiber an den Generalunternehmer.


Und wenn der Kunde keinen detaillierten Auftrag mit einzelnen Positionen geschrieben hat, kann er später auch schlecht etwas reklamieren.


Fischer: Genau. Wenn ein Landwirt z. B. bemängelt, dass sein Feststoffeintrag keinen Putenmist verarbeiten kann, muss ich als Gutachter doch feststellen können, ob die Anlage ursprünglich auch für Putenmist ausgelegt war. Wenn der Landwirt per Telefon eine 500 kW-Anlage bestellt hat, kann man konkrete Vereinbarungen nicht mehr nachweisen.


Welche mangelhaften Bauteile stellen Sie besonders häufig fest?


Fischer: Die Mängel ziehen sich durch die ganze Anlage. Ich habe schon Anlagen mit 70 Mängelpunkten gesehen. Es geht los, dass ganze Behälter fehlen oder die Anlage teilweise auf dem Nachbargrundstück steht. Bei den Komponenten gibt es häufig Probleme am Feststoffeintrag, aber auch beim Blockheizkraftwerk. Bei Satelliten-BHKW stellen wir dagegen gravierende Mängel bei den Gasleitungen fest.


Welche Abhilfe könnte da eine Dokumentation schaffen?


Fischer: Das BHKW ist dafür ein gutes Beispiel. Wenn es nicht funktioniert, schiebt der Hersteller das gern auf den Betreiber und bemängelt die fehlende Wartung oder eine zu schlechte Gasqualität. Die Betreiber halten dagegen, dass die Maschine von Anfang an nie richtig lief. Mit einer guten, täglich geführten Dokumentation könnte man das Problem schnell eingrenzen. Natürlich gibt es auch hochprofessionelle Betreiber mit sehr guten Aufzeichnungen. Zu denen kommen wir, wenn es z. B. Schäden nach einem Unwetter gegeben hat. Aber solche Anlagen sind sehr selten.


Was müsste sich jetzt konkret ändern?


Fischer: Wir müssen dafür sorgen, dass Anlagenhersteller und Betreiber die Anlagen sicherheitstechnisch auf das Niveau bringen, das heute schon vorgeschrieben ist. Dazu muss die ­Dokumentation erstellt oder entsprechend vervollständigt werden. ­Während der Hersteller damit den Bau dokumentiert, muss der Landwirt den ordnungsgemäßen Betrieb bescheinigen. Es kann aber auch helfen, wenn ein unabhängiger Sachverständiger die Biogasanlage regelmäßig begeht, die Genehmigungsbescheide und die Dokumentationen mit dem Betreiber durchgeht und ohne behördlichen Druck mitteilt, wo etwas zu verbessern wäre. Die Anlage technisch auf dem neuesten Stand zu halten, ist ein kontinuierlicher Prozess.


Das wären die Aufgaben des Anlagenbetreibers. Was muss getan werden, damit die Qualität der Anlagen besser wird?


Fischer: Wir müssen Antworten finden auf die Fragen: Wer kontrolliert den Anlagenbauer? Wer sorgt für ein belastbares und auf den späteren Betrieb hin abgestimmtes Angebot vom Anlagenbauer? Wer führt eine Inbetriebnahme auf Basis eines vorher abgestimmten Inbetriebnahmekonzepts durch und wer übernimmt die sicherheitstechnische Kontrolle in dieser Phase? Wer schult den Anlagenbetreiber? Wer richtet ein Betriebstagebuch ein? Wer erstellt einen Wartungsplan? Wer schafft ein sicherheitstechnisches Bewusstsein beim Anlagenbetreiber – jedes Jahr aufs Neue? Erst mit den Antworten darauf sind wir auf einem guten Weg.

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