Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Milchpreis Maisaussaat Ackerboden Rapspreis

Aus dem Heft

Flexibilisierung: Profitieren Sie vom neuen EEG!

Lesezeit: 9 Minuten

Das EEG 2017 hat einen Boom bei der Flexibilisierung von Biogasanlagen ausgelöst. Wir stellen neue technische Lösungen und Vermarktungstrends vor.


Das Wichtigste zum Thema Energie freitags, alle 4 Wochen per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Die 50 m lange und 12 m breite Folienhalle für den neuen Gasspeicher mit 2800 m3 Nutzvolumen ist fertig, der neue Trafo mit 2,5 Megawatt (MW) ist installiert und die Fundamente für zwei weitere Blockheizkraftwerke (BHKW) sind gegossen: So wie auf der Baustelle von Klaus und Klaus Hölzl aus Schwindegg (Bayern) sieht es derzeit auf vielen Biogasanlagen in Deutschland aus. „Wir erweitern unsere Anlage mit 600 kW aus dem Jahr 2006 um zwei BHKW mit je 550 auf 1700 kW“, erläutert Hölzl Senior.


1,3 Mio. € investiert:

Der neue Gasspeicher soll dafür sorgen, dass die Landwirte für ca. zwölf Stunden Gas speichern können, um dann bedarfsgerecht Strom nur zu der Zeit zu liefern, in der er gebraucht wird. Eines der älteren BHKW mit 200 kW soll ständig in Betrieb bleiben, um die Wärme für das Nahwärmenetz mit 30 Häusern zu liefern. Gleichzeitig haben Hölzls einen Pufferspeicher mit 100 m3 gebaut, in dem die anderen BHKW auch Wärme speichern können. Insgesamt hat der Betrieb für die Erweiterung 1,3 Mio. € investiert.


Für diese Investition sprachen zwei Gründe: Zum einen hat sich Sohn Klaus entschieden, in den Betrieb einzusteigen. Zum anderen hat der Gesetzgeber mit der Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG 2017) eine Anschlussregelung für bestehende Biogasanlagen geschaffen. Danach können Altanlagen am Ende des 20-jährigen Vergütungszeitraums an Ausschreibungen teilnehmen und sich so um eine Förderung für weitere zehn Jahre bemühen.


Dieses kommt für den Betrieb Hölzl zwar erst ab dem Jahr 2027 infrage. „Aber wir mussten ja heute die Entscheidung dafür treffen, um noch volle zehn Jahre die Flexprämie im EEG zu erhalten“, erklärt der Landwirt. Denn Betreiber haben auf sie nur Anspruch für eine Dauer von zehn Jahren, maximal jedoch bis zum Ende des ersten EEG-Vergütungszeitraums. Im Fall Hölzl also bis Ende 2027.


Die Prämie bringt bei der dreifachen Überbauung wie im Fall Hölzl (also der Erhöhung der Höchstbemessungsleistung von 570 auf 1700 kW) Einnahmen von rund 110000 € pro Jahr. Dazu kommen rund 6000 € Direktvermarktungsprämie (früher: „Managementprämie“). „Und unser Stromabnehmer, die Stadtwerke Rosenheim, haben uns zwischen 40000 und 60000 € Zusatz-erlös pro Jahr versprochen“, sagt Nikolaus Hölzl. Dieser Erlös entsteht über den Stromverkauf zu Hochtarifzeiten und Regelenergie.


Flexprämie als Chance:

„Der Umbau der Biogasanlage für die Flexibilisierung bietet die Chance, die gesamte Technik zu optimieren und auf den neuesten Stand zu bringen“, sagt Sachverständiger Adam Bürger vom Ingenieuerbüro B.R.E. aus Haag (Bayern), der den Betrieb Hölzl bei der Erweiterung beraten hat. Das erkennen auch immer mehr Landwirte. Bislang haben die Biogaserzeuger von der insgesamt verfügbaren Leistung von 1350 MW zwar erst 244 MW umgestellt. Aber die Flexibilisierung hat im letzten halben Jahr deutlich an Fahrt aufgenommen.


Die Prämie ist unbedingt notwendig, um die erheblichen Investitionen refinanziert zu bekommen. Wer dann nach Ende des ersten Förderzeitraums an einer Ausschreibung teilnehmen will, kann ein günstigeres Angebot abgeben, als wenn er dann erst neu investieren muss. „Für viele Betreiber ist das jetzt die Motivation, sich doch noch einmal mit der Flexibilisierung zu beschäftigen“, bestätigt Carsten Bahlburg, Vertriebsleiter bei Biogas Service Tarmstedt aus Niedersachsen. Denn bei Anlagen mit weniger als acht Jahren Restlaufzeit bis zum EEG-Ende zeigt sich, dass die Investition trotz Flexprämie häufig nur eine schwarze Null bringt. Aber mit der Option auf zehn Jahre Verlängerung wird die Modernisierung wieder interessant.


Nach jetzigem Stand liegt das Höchstgebot bei der Ausschreibung zwar bei nur 16,9 ct/kWh, was als Stromerlös für die meisten Anlagen unwirtschaftlich wäre. „Aber der Gesetzgeber gewährt für zehn Jahre jährlich einen Flex-Zuschlag von 40 €/kW, der bei dreifacher Überbauung rund 1,2 ct/kWh ausmachen kann“, rechnet Bahlburg vor.


Dazu kommen Erlöse für die Wärme, die nicht selten über 1,5 ct/kWh (elektrisch) liegen, sodass man überschlägig bis zu 19 ct/kWh Stromerlös bekäme. „Zwar steigen Wartungs- und Reparaturkosten an. Aber wenn der Kapitaldienst abgeschlossen ist, können die meisten Anlagen mit 17 bis 19 ct/kWh zurechtkommen“, meint Bahlburg, der auch eine Biogasanlage betreibt.


Keine Markterlöse:

Wer heute über die Flexibilisierung nachdenkt, sollte allerdings kaum noch mit Markterlösen kalkulieren, rät er: „Diese schwanken stark, sodass eine seriöse Betrachtung nicht möglich ist.“ Im Moment scheinen die Börsenstrompreise zwar leicht zu steigen, was eine Einspeisung in Hochtarifzeiten interessant macht. Aber das ist kein Dauerzustand. Wie schnell Geschäftsmodelle wegbrechen können, haben Stromhändler bei den Erlösen für die Regelenergie feststellen müssen: Diese sind innerhalb von zwei Jahren um rund 80 % gesunken.


Für kalkulierbar hält Bahlburg dagegen die gesetzlich festgelegte Flexprämie nach dem EEG, Einsparungen von Substrat aufgrund des besseren Wirkungsgrades der neuen BHKW, die vollständige Nutzung des erzeugten Biogases sowie geringere Wartungskosten. Denn die BHKW sind ja nicht mehr im Dauereinsatz. „Bis zu drei Start/Stopps am Tag sind nach Aussage von BHKW-Herstellern möglich, ohne dass der Verschleiß und damit die Wartungskosten steigen“, berichtet Bahlburg aus der Praxis.


Einige Stromhändler versprechen zwar höhere Erlöse mit der Primärregelleistung, bei der die Leistung des BHKW innerhalb von wenigen Sekunden hoch- oder heruntergeregelt wird. Aber das ist nur möglich, wenn das BHKW dauerhaft in Teillast läuft. „Dadurch fällt der Vorteil der geringeren Wartungskosten weg. Und auch der Wirkungsgrad sinkt um mindestens 1 %“, erklärt er. Interessant könnte die Primärregelleistung dagegen sein für Betreiber, die ein sehr gutes Wärmekonzept haben und dauerhaft Wärme produzieren müssen.


Vermarkter steuern Anlage:

Was vor einigen Jahren für viele Betreiber noch undenkbar war, wird jetzt immer mehr Realität: Viele lassen dem Stromvermarkter freie Hand bei der Steuerung der BHKW, damit dieser den Strom möglichst optimal verkaufen kann.


Ein typisches Beispiel dafür ist Christof Marketsmüller aus Obertaufkirchen (Bayern), der seine Anlagenleistung im Jahr 2016 mit einem weiteren BHKW mit 500 kW doppelt überbaut hat. Er liefert seinen Strom an den privaten Energieversorger „Kraft Werke Haag“ (KWH), der den Strom regional vermarkten will. „Wir haben Zugriff auf das BHKW und sehen auch den Füllstand des Gasspeichers“, berichtet KWH-Geschäftsführer Dr. Ulrich Schwarz. „Auch wenn wir das BHKW von der Ferne aus steuern können, behält der Betreiber immer die Oberhand“, sagt er.


Gutes Wärmekonzept:

Marketsmüller z.B. will eine Grundlast von 250 kW dauerhaft fahren. Denn er nutzt die Wärme für ein Nahwärmenetz mit 14 Häusern. Im Sommer trocknet er Körnermais, Getreide oder Heu. „Wir bieten dann zwischen 250 und 1000 kW als Flexibilität an“, sagt er. Sein Gasspeicher auf dem Gärrestlager ist so groß, dass er für zehn bis zwölf Stunden Gas speichern kann. „Mit dieser Flexibilität können wir verschiedene Märkte bedienen, so eine Anlage ist für uns sehr attraktiv“, erklärt Schwarz.


„Wir haben gute Erfahrungen gemacht, wenn Anlagenbetreiber 4 bis 5 m³ Speicher pro kW vorhalten. Langfristig sollte eine Anlage das Gas ein bis zwei Tage speichern können“, rät Harald Donner, Abteilungsleiter Regionalvertrieb beim Stromvermarkter Natgas.


Denn dann würde Biogasstrom nur von Montag bis Freitag erzeugt, wenn auch die Nachfrage am höchsten ist. Natgas hat zudem einen Speicher-Autopilot eingerichtet. Hierbei misst der Direktvermarkter alle drei Minuten automatisch den Gasspeicherfüllstand der angeschlossenen Anlagen. Wenn dieser den mit dem Anlagenbetreiber vereinbarten maximalen Füllstand erreicht hat, werden die BHKW auf Dauerbetrieb geschaltet – unabhängig vom Strommarkt. „Damit wollen wir vermeiden, dass Biogas bei Überproduktion unnötig abgefackelt wird“, erklärt Donner.


Individuelle Fahrpläne:

Auch andere Direktvermarkter haben entsprechende Lösungen entwickelt. Die Clean Energy Sourcing AG (Clens) bietet z.B. die „Optionsprämie“ in Form einer fixen Vergütung für die Nutzung von Anlagenflexibilität an. Die Höhe der Prämie hängt von der nutzbaren Flexibilität, der Verfügbarkeit und der Leistung der jeweiligen Anlage ab. Clens erstellt im Gegenzug automatisiert mit einer selbst entwickelten Software individuelle Fahrpläne für jede Anlage, die er direkt an die Anlagen senden kann. Dort werden sie automatisiert umgesetzt.


Dies ermöglicht es, innerhalb eines Tages mehrfach zwischen den Marktplätzen (Day-ahead-, Intraday- oder Regelenergiemarkt) zu wechseln und somit die zur Verfügung stehende Flexibilität je nach Strompreis optimal zu nutzen. Die Optionsprämie kann im günstigen Fall mehr als 40000 € pro MW im Jahr betragen. „Wichtig sind optimierte, tägliche Fahrpläne“, rät Uwe Welteke-Fabricius vom Branchennetzwerk „Flexperten“. Damit könne der Vermarkter für den Betreiber schon am Spotmarkt (EPEX) rund 1 ct/kWh Mehrerlös erwirtschaften. Am EPEX- Spotmarkt wird die Stromlieferung für jeweils Viertelstunden gehandelt. „Jeder Tag hat 96 Viertelstunden und jede davon ist mit 30 Minuten Vorlauf handelbar“, erklärt der Experte.


BHKW für Systemdienste:

Eine andere Art der Zusammenarbeit bietet das Handelshaus Energy2Market (E2M) aus Leipzig. Zusammen mit der Genossenschaft Deutscher Grün-Energie-Erzeuger (GDGE), dem Motorenhersteller Jenbacher und dem Netzbetreiber Celle-Uelzen-Netz GmbH hat E2M eine Lösung für eine Biogasanlage aus Niedersachsen gefunden. Die Bioenergie Stoetze hatte im Jahr 2012 von 600 kW auf eine Leistung von 970 kW erweitert und war über die GDGE in die Direktvermarktung eingestiegen. „Im Jahr 2016 wollten wir noch einmal um 900 kW aufstocken, um in die Flexibilität einzusteigen“, berichtet Betreiber Michael Borgard.


Doch der Netzbetreiber hatte die Einspeisung mangels Netzkapazität zunächst verweigert. „Aber wir konnten ihn überzeugen, dass das Biogas-BHKW Systemdienstleistungen im Netz übernimmt wie das Halten der Frequenz und der Spannung über die Lieferung von Blindleistung“, erklärt Ulrich Gerigk von E2M.


BHKW in Teillast:

Das neue, leicht modifizierte BHKW läuft in Teillast. „Wirkungsgradverluste gibt es dabei mit dem neuen Motor kaum“, hat Borgard festgestellt. Die erforderliche Regelenergie ruft der Netzbetreiber automatisch bei Bedarf ab. Hierfür bietet E2M eine Erweiterung zu der bereits vorhandenen Schnittstelle an und verwandelt diese quasi in einen kleinen Computer. „Früher war das eine reine Daten-Schnittstelle. Jetzt kann das Netz darüber das BHKW automatisch steuern“, erklärt Gerigk. Im Jahr 2016 hat die Bioenergie Stötze mit diesem Modell rund 28000 € Mehrerlöse erzielt. „Es gibt also immer die Möglichkeit, mit den jeweiligen Netzbetreibern zu reden, wenn diese auf ein zu volles Netz verweisen“, lautet Gerigks Fazit.


Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Flexibilisierung von Anlagen stark im Kommen ist. Je flexibler eine Anlage ist und je mehr Präqualifikationen sie für verschiedene Märkte hat, desto mehr Erlös kann der Stromhändler für sie erzielen.


Hinrich Neumann

Die Redaktion empfiehlt

top + Zum Start in die Maisaussaat keine wichtigen Infos verpassen

Alle wichtigen Infos & Ratgeber zur Maisaussaat 2024, exklusive Beiträge, Videos & Hintergrundinformationen

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.