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Flüssiggas – ein Markt für Biogasanlagen?

Lesezeit: 7 Minuten

Die Nachfrage nach flüssigem Erdgas als Kraftstoff (LNG) steigt. Davon könnten auch Biogasanlagen profitieren – aber nur, wenn die Bundesregierung die Weichen richtig stellt.


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Der Schwerlastverkehr gilt als die Achillesferse der Energiewende. Denn Lkw und andere Fahrzeuge mit mehr als 3,5 t Gesamtgewicht stoßen 40 Mio. t CO2 und damit rund ein Viertel der Emissionen im Verkehr aus. Erste Unternehmen wie Aldi Süd oder Speditionen experimentieren daher mit Elektro-Lkw als emissionsarme Alternative. Bei ihnen reduzieren aber die bis zu 2 t schweren Batterien die Nutzlast. Auch haben sie noch nicht ausreichend hohe Reichweiten.


Eine andere, derzeit erprobte Alternative sind Oberleitungs-Lkw, die aber wegen der störenden Leitungen über den Autobahnen in der Kritik stehen. Wasserstoff als Treibstoff für Brennstoffzellenfahrzeuge wird viel diskutiert, ist aber für den Schwerlastverkehr noch länger nicht verfügbar.


Eine bereits erfolgreich eingeführte Alternative sind dagegen Gasfahrzeuge mit Ottomotoren, die mit dem Flüssigkraftstoff „LNG“ betankt werden. „Die Verflüssigung von Erdgas zu LNG (Liquified Natural Gas) hat sich in den letzten Jahren auf dem Weltmarkt etabliert“, berichtet der Biogasrat e.V.


Vorteile von Bio-LNG


Schon die Nutzung von erdgasbasierten Kraftstoffen reduziert den CO2-Ausstoß im Vergleich zu fossilem Diesel. „Aber erst durch die Beimischung von erneuerbarem Methan zu Erdgas könnten bei Gasfahrzeugen Klima- und Ressourcenvorteile erreicht werden“, antwortet die Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage im Bundestag.


Setzen Biogasanlagenbetreiber für den Kraftstoff Rest- und Abfallstoffe wie Gülle, Festmist, kommunale Bioabfälle oder Stroh ein, können sie damit die Vorgaben der „Erneuerbare-Energien-Richtlinie“ (RED II) der EU für fortschrittliche Biokraftstoffe erfüllen. Die Richtlinie gilt seit Anfang 2019 und soll dazu beitragen, den Anteil dieser Kraftstoffe bis zum Jahr 2030 von 0,5 auf 1,75% zu erhöhen.


LNG aus Biomethan wird landläufig „Bio-LNG“ genannt. Der Kraftstoff wird entweder direkt an der Biogasanlage oder in der Nähe von LNG-Verbrauchszentren in speziellen Verflüssigungsanlagen auf -162°C bei 1 bar Druck abgekühlt und dann per Lkw zur Tankstelle transportiert.


Folgende Vorteile hat der Kraftstoff laut Deutscher Energieagentur (dena):


  • Das Volumen des Gases nimmt um das 600-fache ab.
  • Bio-LNG hat eine hohe Methanzahl von 100. Diese ist eine Kennzahl für die Klopffestigkeit. Laut dena liegt sie bei fossilem LNG selten über 80.
  • Mit LNG betriebene Fahrzeuge verursachen 50% weniger Lärm und 95% weniger Feinstaubemissionen als Dieselfahrzeuge. Stickoxide fallen kaum noch an.
  • Erdgas-LNG reduziert den CO2-Ausstoß gegenüber Diesel um 22%, Bio-LNG dagegen um bis zu 77%.
  • Im Vergleich zu Diesel hat LNG je Liter zwar eine 60% geringere Energiedichte. Allerdings ist diese im Vergleich zu komprimiertem Erdgas (CNG) bzw. komprimiertem Biomethan 2 bis 2,5 Mal höher. Das ist vor allem für den Schwerlastverkehr oder die Schifffahrt relevant, bei denen die Fahrzeuge längere Zeiten ohne Tankunterbrechung bewältigen müssen.
  • Biomethan stammt heute ausschließlich aus Biogasanlagen. Künftig könnte es auch aus Power-to-Gas-Anlagen stammen. Dabei wird Solar- oder Windstrom dazu verwendet, in Elekrolyseanlagen Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten. Der Wasserstoff lässt sich in einem weiteren Schritt mit CO2 zu Methan verbinden.


Chance für Biogasanlagen


Die dena sieht in bestehenden Biogasanlagen, deren Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz ausläuft, großes Potenzial. Nach der Studie „Effiziente Mikro-Biogasaufbereitungsanlagen (eMikroBGAA)“ des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) gibt es aktuell rund 2000 Anlagen mit einer elektrischen Leistung von über 400 kW, für die eine Umrüstung auf die Biomethanproduktion infrage käme.


Bei kleineren Anlagen jedoch steigen die Aufbereitungskosten für das Biomethan so stark an, dass die Produktion zu teuer wäre. Allerdings könnten sich diese zusammenschließen und eine gemeinsame Gasaufbereitung bauen, so die Studienautoren.


Die Bereitstellungskosten für den Kraftstoff frei Tank schwanken je nach Einsatzstoff sehr stark. Auch sind sie davon abhängig, ob und in welcher Höhe der Anlagenbetreiber für Gülle oder Bioabfall einen Entsorgungserlös erhält. Die Kosten liegen bei 35 €/t Entsorgungserlös sowie 500 Norm-m3/h Biogaskapazität je nach Rohstoff zwischen 2,42 bis 2,61 Cent pro Megajoule (ct/MJ, siehe Übersicht). Im Vergleich zu Erdgas-LNG und Biodiesel ist Bio-LNG also teurer. Allerdings können höhere Entsorgungserlöse oder größere Aufbereitungsanlagen zu deutlich niedrigeren Kosten führen.


Erste Anlage in Deutschland


Als erstes Projekt dieser Art plant die EnBW-Tochter Erdgas Südwest gemeinsam mit Wärtsilä Oil & Gas Systems den Bau einer „BioHybrid“-Anlage am Energiepark Hahnennest (Baden-Württemberg). Hier soll die bestehende Biogasanlage des Energieparks mit einem Biomethanleitungsnetz gebündelt und das Biomethan dann unter Einsatz erneuerbaren Überschussstroms verflüssigt und gespeichert werden.


Die geplante Anlage soll eine Aufbereitungskapazität von 1000 m3 Biogas pro Stunde haben und bis zu 10 t Bio-LNG/LBG pro Tag produzieren und speichern können.


LNG-Bedarf steigt


Für den Kraftstoff sind bereits viele Abnehmer in Sicht. Laut dena könnten im Jahr 2020 zwischen 500 und 1000 Lkw mit LNG-Antrieb fahren. Mit dem Einsatz von verflüssigtem Biomethan im Schwerlastverkehr ließe sich die Biokraftstoffmenge bis 2030 im Vergleich zu heute verdoppeln.


LNG kann sich laut Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) auch im Schiffsverkehr unter entsprechenden Rahmenbedingungen vor allem bei Containerschiffen, Kreuzfahrtschiffen und Fähren sowie bei Tankern durchsetzen. Bis Ende des Jahres 2018 verkehrten weltweit 125 mit LNG angetriebene Seeschiffe sowie 230 große LNG-Transportschiffe. Bis Mitte der 2020er Jahre erwarten die Forscher einen LNG-Schiffsbestand von etwa 400 Schiffen.


Besserer Rahmen gefordert


„Obwohl die LNG-Lkw verfügbar sind und Flottenbetreiber großes Interesse haben, verläuft die Marktentwicklung bisher noch schleppend“, sagt dena-Geschäftsführerin Kristina Haverkamp.


Zwar hat die Bundesregierung das Klimaschutzpotenzial von LNG im Vergleich zu Diesel erkannt. Allerdings setzt sie verstärkt auf den Import. Heute wird der deutsche Markt mit LNG über die Importterminals in Rotterdam (Niederlande), Zeebrügge (Belgien) oder Swinemünde (Polen) sichergestellt.


Aktuell will die Bundesregierung den Bau eines LNG-Terminals an einem der deutschen Häfen vorantreiben, um Flüssiggas aus den USA importieren zu können. Das Vorhaben wird von Umweltverbänden nicht nur wegen der schlechteren Klimabilanz des fossilen Kraftstoffes kritisiert, sondern auch wegen der Umweltauswirkung: „Die geplanten LNG-Terminals dienen dem Import von Fracking-Gas aus den USA“, urteilt die Deutsche Umwelthilfe. „Die Bundesregierung wirft dafür ihre eigenen Klimaziele über Bord, indem sie auf zusätzliche fossile Energien setzt“, kritisiert die Organisation. Die Kosten für den Anschluss der drei geplanten LNG-Terminals in Wilhelmshaven, Stade und Brunsbüttel belaufen sich auf circa 120 Mio. €. Dieses Geld finanzieren die Gaskunden über Netzentgelte.


Initiative für Bio-LNG


Um dagegen den erneuerbaren Kraftstoff Bio-LNG stärker in den Fokus zu rücken, hat die Deutsche Energie-Agentur mit Partnern aus der Energie- und Mineralölwirtschaft, dem Anlagenbau und der Schifffahrt die „Initiative Bio-LNG“ gestartet. Partner sind u.a. Primagas, Shell, Erdgas Südwest, E.ON Bioerdgas und die BayWa. Um den Gas-Antrieb zu stärken, sollte die Bundesregierung ihr Engagement für biogene und synthetische Kraftstoffe auch zukünftig konsequent ausweiten – zum Beispiel bei der nationalen Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie, der Maut und auch der Energiesteuer, fordert die Initiative. Ein Beispiel: Mit der Befreiung von der Mautgebühr und einem Investitionszuschuss von 8000 bis 40000 € für Lkw mit über 7,5 t fördert das Bundesverkehrsministerium alternative Antriebe im Güterverkehr. Darunter fallen Gas (CNG), Flüssiggas (LNG) oder Elektroantriebe mit Batterie- oder Brennstoffzellen. Mit der Verlängerung der Energiesteuerermäßigung für LNG-Fahrzeuge hat die Bundesregierung zwar eine Forderung der Initiative erfüllt. Diese ist jedoch bis 2026 begrenzt.


Mit besseren Rahmenbedingungen ließen sich auch die Kosten für die Verflüssigung senken: Laut dena ist der Prozess sehr stromintensiv. Würden die Anlagenbetreiber von der EEG-Umlage befreit, wären die Erzeugungskosten um 4 bis 9% niedriger.


Als wichtigen Schritt wertet der Biogasrat die vom Bundeskabinett beschlossene Novelle der 38. Bundes-Immissionsschutzverordnung, wodurch Bio-LNG auf die Treibhausgas-Minderungsquote im Verkehrssektor angerechnet werden kann. Allerdings sollte das auch dann der Fall sein, wenn Bio-LNG in der Schifffahrt zum Einsatz kommt. Das ist nach derzeitiger Rechtslage noch nicht möglich.


Die Aufzählung zeigt: Der LNG-Markt hat große Zukunftsoptionen. In naher Zukunft wird sich allerdings zeigen, ob er eher von fossilem Fracking-Gas aus den USA oder aus heimischen Biomethan gedeckt wird.


hinrich.neumann@topagrar.com

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