Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

Aus dem Heft

Faktencheck: CO2-Einsparungen der Energiewende

Immer wieder argumentieren Kritiker, dass mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland kein Gramm CO2 eingespart werde. Schuld seien fossile „Schattenkraftwerke“, die wegen der unregelmäßigen Stromerzeugung von Wind- und Photovoltaikanlagen weiter kontinuierlich am Netz seien.

Lesezeit: 5 Minuten

Immer wieder argumentieren Kritiker, dass mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland kein Gramm CO2 eingespart werde. Schuld seien fossile „Schattenkraftwerke“, die wegen der unregelmäßigen Stromerzeugung von Wind- und Photovoltaikanlagen weiter kontinuierlich am Netz seien. Außerdem würde die Stromerzeugung nach dem Ernerneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) nicht zur CO2-Einsparung beitragen, sondern sie lediglich in andere Sektoren bzw. europäische Länder verlagern, kritisiert beispielsweise die Expertenkommission „Forschung und Innovation“ der Bundesregierung. Die Begründung: Produzieren erneuerbare Energien mehr Strom, sinkt der Verbrauch von fossilen Brennstoffen und damit auch von Emissionszertifikaten nach dem europäischen Zertifikatehandel. Die frei werdenden Zertifikate könnten dann verwendet werden, um in anderen Industriezweigen mehr CO2 auszustoßen. Unterm Strich würde der CO2-Ausstoß also gleich bleiben.

Wir sind der Kritik auf den Grund gegangen und haben Experten dazu befragt. Folgende Argumente widerlegen die Argumente:

  • Nach den jährlichen Auswertungen des Umweltbundesamtes sinken die Gesamtemissionen im deutschen Stromsektor auch im europäischen Umfeld trotz steigendem Stromverbrauch seit Jahren. Und das, obwohl die erneuerbaren Energien zurzeit vor allem Strom aus Atomkraftwerken ersetzen, die wenig CO2-Emissionen verursacht haben (https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/emissionsbilanz-erneuerbarer-energietraeger).
  • Laut Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) sorgen sinkende Volllaststundenzahlen bei Kohlekraftwerken für steigende Kosten. Auch würden Kohle- und Zertifikatekosten ansteigen.
  • Künftig werden sich laut Fraunhofer ISE nicht die günstigsten Kraftwerke durchsetzen, sondern diejenigen, die sich am flexibelsten an- und abfahren lassen. Das wären Gaskraftwerke, die weniger CO2-Emissionen verursachen als Kohlekraftwerke (https://www.ise.fraunhofer.de/de/presse-und-medien/presseinformationen/2018/studie-zu-stromgestehungskosten-photovoltaik-und-onshore-wind-sind-guenstigste-technologien-in-deutschland.html)
  • Kohlekraftwerke laufen auch dann weiter, wenn es viel Solar- und Windstrom gibt. „Der überschüssige Strom wird dann exportiert und reduziert den Einsatz konventioneller Kraftwerke im Ausland. Europäisch gesehen wird damit durchaus CO2 eingespart“, erklärt Energieexperte Prof. Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin.
  • Der schleppende Stromnetzausbau sorgt dafür, dass z.B. Windstrom aus dem Norden nicht abtransportiert werden kann. „Bei Engpässen im Stromnetz werden die unflexiblen Kohlekraftwerke nicht immer abgeregelt und stattdessen die Produktion von erneuerbaren Energien gekappt. Das behindert die Senkung der THG-Emissionen“, erklärt Alexander Knebel, Sprecher der Agentur für Erneuerbare Energien.
Dass Deutschland seine selbst gesteckten Klimaschutzziele für 2020 leider voraussichtlich verfehlen wird, liegt laut AEE zum einen an fehlenden Fortschritten beim Eindämmen des Energieverbrauchs und zum anderen an der unverminderten Verbrennung von fossilen Energieträgern. „Anschaulich wird das anhand der deutschen Strom-Handelsbilanz: So erhöhten sich Deutschlands Strom-Nettoexporte 2017 auf das neue Rekordniveau von 55 Mrd. kWh“, erklärt Knebel. Zum Vergleich: Der Stromverbrauch in Deutschland beträgt rund 600 Mrd. kWh. „Fast jede zehnte Kilowattstunde wird exportiert, weil Deutschland es bislang nicht geschafft hat, einen Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohleverstromung einzuleiten. Mit der Abschaltung von Kohlekraftwerken würden wir unsere Stromexporte verringern und unsere Strombilanz klimafreundlicher machen“, betont der AEE-Sprecher.



Was die Stromversorgung im Inland angeht: Gerade im Norden Deutschlands mussten in den vergangenen Jahren zu häufig Windenergieanlagen abgeregelt werden. Der Stromnetzausbau bleibt ein Thema. Gleichzeitig gilt aber auch: Leider werden Kohlekraftwerke bei Engpässen im Stromnetz nicht immer abgeregelt und stattdessen die Produktion von Erneuerbaren Energien gekappt. Das Problem sind aktuell die unflexiblen, konventionellen Kraftwerke, die die Senkung der THG-Emissionen behindern.

Beim Umbau des Energiesystems auf eine Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien steht Deutschland noch am Anfang. Wind- und Solarenergie als witterungsabhängige Energieträger werden künftig eine immer wichtigere Rolle für die Stromversorgung spielen. Knebel dazu: „Das bedeutet aber auch, dass wir für Zeiten mit geringem Angebot an Wind- und Solarstrom, z.B. an grauen Februartagen, vorsorgen müssen, um die so genannte Residuallast abzudecken.“ Unter Residuallast versteht man den Anteil der Stromnachfrage, der bislang nicht durch fluktuierende Erneuerbare Energien abgedeckt werden kann.

Zur Deckung der Residuallast stehen künftig eine ganze Reihe von Möglichkeiten zur Verfügung, die zusammen zum Zuge kommen sollten.



Gut ausgebaute Stromnetze und eine verstärkte Kooperation über EU-Landesgrenzen hinweg bieten künftig verstärkt Möglichkeiten, Angebot und Nachfrage auf den Strommärkten für Erneuerbare Energien zusammenzubringen. Auch die Verschiebung von Stromnachfrage, das so genannte Demand Side Management bietet Möglichkeiten, u.a. in der Industrie.

Auf Seiten des Stromangebots sind ebenfalls Entwicklungen notwendig. Zum einen kann die Bioenergie verstärkt einspringen, wenn die Versorgung mit Wind- und Solarstrom nicht ausreicht. Dies allein wird angesichts einer bislang installierten Kapazität von 8.000 Megawatt (MW) für die Biomasse-Stromerzeugung aber nicht ausreichen. Hinzu kommen müssen weitere Speicher. Die Power to Gas-Technologie ist eine interessante, heute schon leistungsfähige Technologie, die Angebotslücken effektiv decken kann. Wie die jüngsten Ausschreibungen für Wind- und Solarstrom eindrucksvoll zeigen, haben sich Wind- und Solarstrom stark vergünstigt. Angesichts dieses Preisniveaus werden Power to Gas-Lösungen immer interessanter.



„Mit einem Anteil von rund 36 Prozent Erneuerbare Energien am Strommix kann in Deutschland noch lange nicht davon die Rede sein, dass wir zu viel Ökostrom im Netz hätten. Vielmehr müssen wir den Ausbau Erneuerbarer Energien beschleunigen, damit das Angebot an sauberem Strom mit der steigenden Nachfrage, z.B. durch E-Fahrzeuge, Schritt hält“, sagt er.

Nachbarländer Deutschlands mit höherem Ökostromanteil wie z.B. Dänemark zeigen, wie das bestehende Energiesystem mit großen Zuwächsen an Erneuerbaren Energien zurechtkommen kann und klimafreundlicher wird. Dänemark hat einen Ökostromanteil von weit über 50 Prozent, und zwar hauptsächlich Windenergie.

 

Weitere Informationen erhalten Sie auf der größten Datenbank zur Stromerzeugung in Deutschland unter www.energy-charts.de. Dort sehen Sie z.B., dass Deutschlands Stromexport im Q1 2018  bei 13,9 Terawattstunden netto lag- ein neuer Rekord. Die durchschnittlich exportierte Leistung von 6,44 Gigawatt entspricht fünf AKW.

Weitere Informationen gibt es bei der Agentur für Erneuerbare Energien unter www.unendlich-viel-energie.de

Die Redaktion empfiehlt

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.