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„Viele Altanlagen wären betroffen“

Lesezeit: 4 Minuten

Ein neues Urteil zum Anlagenbegriff könnte dafür sorgen, das ältere Biogasanlagen sich nicht an der Ausschreibung beteiligen müssten. Doch noch ist der Richterspruch nicht rechtskräftig.


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Das Landgericht Frankfurt/Main hat ein Urteil zur Einspeisevergütung von Biogasanlagen gefällt. Was wurde beklagt?


Theunissen: Ein Landwirt hatte seine Biogasanlage im Jahr 2005 in Betrieb genommen und im Jahr 2011 um ein zweites Blockheizkraftwerk (BHKW) erweitert. Der Netzbetreiber ist der Meinung, dass das zweite BHKW unter das EEG 2009 fällt und er damit (nur) den Kraftwärmekopplungsbonus (KWK-Bonus) nach EEG 2009 in Höhe von 3 ct/kWh erhält. Jetzt hatte der Anlagenbetreiber aber in seinem Wärmenetz in den Jahren 2015 und 2016 Verluste von über 25%, weshalb er für diese Jahre laut EEG 2009 keinen KWK-Bonus erhält. Der Betreiber erfüllte jedoch die Vorgaben des EEG 2004. Der Netzbetreiber wollte den Bonus jedoch nicht auszahlen. Das bedeutet einen Verlust von über 110000 €. Dagegen hatte der Landwirt geklagt.


Unserer Meinung nach legen die Übergangsvorschriften des EEG fest, dass sich die Vergütung nach der Inbetriebnahme der gesamten Anlage richtet. Danach würde das zweite BHKW wie das erste vergütungstechnisch unter das EEG 2004 fallen, die Vergütungshöhe aber einer Degression von sieben Jahren unterliegen, also dem Zeitraum zwischen 2004 und 2011. Das hätte zur Folge, dass er zwar nur 2 ct/kWh KWK-Bonus erhält, aber es dafür keine 25%-Verlustgrenze gibt. Das Landgericht hat aber dem Netzbetreiber Recht gegeben.


Warum ist das Urteil so bedeutend?


Theunissen: Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte im Jahr 2013 entschieden, dass alle BHKW bei einer Erweiterung einer bestehenden Anlage Teil der gleichen Anlage werden. Allerdings sollte nach Auffassung des BGH für neue BHKW eine eigenständige Vergütungsdauer neu zu laufen beginnen und die Vergütungshöhe der Degression unterliegen. Der Gesetzgeber hat darauf mit der EEG-Novelle 2014 reagiert und bestimmt, dass die Vergütungslaufzeit auch für neue BHKW immer bezogen auf das Inbetriebnahmejahr der gesamten Biogasanlage berechnet wird. Das hat das Landgericht Frankfurt/Main gekippt, weil es gegen den Vertrauensschutz verstieße. Im EEG 2017 heißt es, für die Förderdauer zählt das EEG, das zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme (der Anlage) galt. Das neue Urteil weicht von der BGH-Rechtsprechung ab und behandelt das neue BHKW bei Berechnung der Vergütungshöhe so, als sei es eine eigenständige Anlage.


Welche Folgen hat das Urteil?


Theunissen: Wäre das Urteil rechtskräftig, würde bei der Erweiterung der Anlage um ein BHKW immer die Vergütung des EEG gelten, das zum Zeitpunkt der Erweiterung galt. Fatal ist das bei BHKW, die ab dem Jahr 2017 neu dazugekommen sind. Denn konsequenterweise hätten sie an einer Ausschreibung teilnehmen müssen und dürften dann auch die Flexprämie nicht erhalten. Das kann der Gesetzgeber so nicht gewollt haben. Daher gehen wir in Berufung.


Welche Konsequenzen hat das für Altanlagen konkret?


Theunissen: Wenn man dem Landgericht folgt, ergibt sich anhand der vielen Übergangsvorschriften folgendes: Anlagenbetreiber, die zwischen Januar 2009 und dem 31. Juli 2014 ein BHKW dazu gebaut haben, würden für das neue BHKW die bei Inbetriebnahme geltende Vergütungshöhe sowie eine neue zwanzigjährige Laufzeit erhalten. Wenn ein Betreiber wie in dem beklagten Fall aus dem Jahr 2005 im Jahr 2011 ein neues BHKW dazu gebaut hätte, bekäme er für das zweite BHKW eine feste Vergütung bis zum Jahr 2031. Das heißt, das erste BHKW aus dem Jahr 2005 müsste der Betreiber Ende 2025 stilllegen, könnte dann aber mit dem zweiten BHKW noch bis zum Jahr 2031 weiter Strom erzeugen, ohne in die Ausschreibung zu müssen. Das wäre eine völlig neue Situation.


Warum gilt das nur für einige BHKW?


Theunissen: Das hängt mit den unterschiedlichen Regelungen zur Förderdauer zusammen. Beim EEG 2009 und EEG 2012 galt nach dem BGH eine generatorbezogene Vergütungslaufzeit. Gleiches gilt für Anlagen, die unter dem EEG 2009 neu errichtet wurden. Wer nach dem 31. Juli 2014 erweitert hat, verliert den Vertrauensschutz.


Was passiert, wenn Sie in der Berufung Recht bekommen?


Theunissen: Entweder wird eine neue Förderlaufzeit angenommen, jedoch eine Vergütungshöhe, die nach den Übergangbestimmungen des heutigen EEG berechnet wird. Dann kann der Anlagenbetreiber bis Ende 2031 für das Erweiterungs-BHKW eine Vergütung einschließlich KWK-Bonus nach dem EEG 2004 verlangen. Oder das Berufungsgericht erklärt entgegen der bisherigen BGH-Rechtsprechung, dass es eine einheitliche Vergütungslaufzeit und -höhe für alle BHKW gäbe. Dann gilt jedoch der höhere, nicht abgesenkte Vergütungssatz des Inbetriebnahmejahres 2005 und ebenfalls der KWK-Bonus des EEG 2004. Die Lage wird also immer komplizierter. Das Chaos kann nicht im Sinne des Gesetzgebers sein.

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