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Reaktionen nach dem Urteil

Kükentöten: Gerangel um den Ausstieg

Die Geflügelwirtschaft ist zufrieden mit dem Urteil zum Kükentöten. In der Politik drängen alle auf ein Ende der Praxis. Offen bleibt, wie schnell das kommt.

Lesezeit: 10 Minuten

Das Bundesverwaltungsgericht hat am Donnerstag entschieden, dass das Töten männlicher Eintagsküken tierschutzrechtlich übergangsweise noch zulässig ist. Das soll aber nur solange so bleiben, bis praxisreife Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei vorliegen. Die Reaktionen auf das Urteil zeigen, dass das Ende der Praxis parteienübergreifend besiegelt ist. Nur wie schnell und mit welcher Alternative es kommt, ist weiter umstritten. Die Reaktionen im Einzelnen:

Der Präsident der deutschen Geflügelwirtschaft Friedrich-Otto Ripke:

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"Wir begrüßen ausdrücklich, dass damit die Zukunft der Brütereien in Deutschland gesichert ist. Wir sehen uns durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in unserer Rechtsauffassung bestätigt, wir verstehen die Entscheidung aber auch als klaren Auftrag an alle Beteiligten, intensiv daran zu arbeiten, praxistaugliche Alternativen der In-ovo-Geschlechtsbestimmung zum Erfolg zu führen. Unser ausdrückliches Bekenntnis gilt: Wir wollen lieber heute als morgen aus dem Kükentöten aussteigen. Ohne praxistaugliche Alternativen geht das aber nicht. Es muss alles daran gesetzt werden, dass möglichst bald eine entsprechende Technik flächendeckend für alle Brütereien in Deutschland zur Verfügung steht. Folgende Bedingungen formuliert die Geflügelwirtschaft für eine praxistaugliche Alterative:

  • flächendeckende tatsächliche Verfügbarkeit der Technik (Sortiermaschinen) für alle Brütereien bundesweit
  • ausreichende Geschwindigkeit mit einer erforderlichen Sortierkapazität von etwa 100.000 Eiern am Tag
  • Genauigkeit von mindestens 95 Prozent bei der Bestimmung des Geschlechts
  • allenfalls geringfügig verminderte Schlupfrate der weiblichen Eier
  • keine Festlegung auf einen methodischen Ansatz bei der wissenschaftlichen Forschung zu Alternativen zum
  • Identifizierung des Geschlechts soll zu einem möglichst frühen Zeitpunkt erfolgen

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU):

„Meine Position zum Kükentöten ist schon lange klar: Ethisch ist es nicht vertretbar, diese Praxis muss so schnell wie möglich beendet werden. Mit insgesamt über acht Millionen Euro fördere ich mit meinem Ministerium daher mehrere Verfahren und Initiativen, die das zukünftig überflüssig machen. Dazu zählt die Aufzucht und Haltung männlicher Küken aus Legelinien, so genannte ‚Bruderhähne‘ oder ‚Zweinutzungshühner‘, die wir voranbringen.

Ein Durchbruch ist vergangenes Jahr zudem mit einem Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Brut-Ei gelungen. Mit fünf Millionen Euro haben wir die Entwicklung gefördert. Es ist auf dem Weg zur Serienreife, wird den Brütereien bald flächendeckend zur Verfügung stehen. Alternativen stehen also zur Verfügung. Sie müssen aber auch rasch angewendet werden, um das Kükentöten schnellstmöglich zu beenden. Verbände und Unternehmen nehme ich hier in die Pflicht, habe die klare Erwartungen an sie, tätig zu werden. Mit Vertretern der Wissenschaft werde ich sie daher zeitnah an einen runden Tisch zusammenholen. Miteinbezogen werden müssen aber auch die Verbraucherinnen und Verbraucher. Mit ihrer Kaufentscheidung haben sie es letztlich mit in der Hand, ob sich innovative Verfahren durchsetzen oder immer mehr Eier importiert werden.“

NRW Landwirtschaftsministerin Heinen-Esser (CDU):

"Das Urteil ist ein Durchbruch für den Tierschutz, auch wenn unsere Revision formal betrachtet nicht erfolgreich war. Die Tötung männlicher Eintagsküken muss nach einer Übergangszeit nun eingestellt werden", kommentierte Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerin Ursula Heinen-Esser die Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes.

Sobald die schriftliche Begründung des Urteils vorliegt, werde das Ministerium diese sorgfältig auswerten und verbleibende Handlungsoptionen ausloten. "Das Bundeverwaltungsgericht hat klar von einer Übergangszeit gesprochen. Ich erwarte daher, dass angesichts des erheblichen technischen Fortschritts das Bundeslandwirtschaftsministerium schnellstmöglich die Rahmenbedingungen fördert, das Töten männlicher Küken zu unterbinden.

Gemeinsames Ziel aller Beteiligten muss ein Ausstieg aus der Kükentötung sein. Die Wirtschaft soll schnellstmöglich auf tierschützende Praktiken bei der Legehennen-Erzeugung umsteigen. Die Methoden zur frühzeitigen Geschlechtsbestimmung im Ei stehen kurz vor der Marktreife, sind also sehr zeitnah umsetzbar. Schon heute gibt es Alternativen im Lebensmitteleinzelhandel wie etwa die Mast von Bruderhähnchen oder die Aufzucht von Hühnern, die sowohl Eier legen als auch Fleisch ansetzen. Auch Methoden zur frühzeitigen Geschlechtsbestimmung im Ei stehen kurz vor der Marktreife“, sagte Heinen-Esser.

Der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes Thomas Schröder:

„Wir hätten uns ein sofortiges Verbot gewünscht. Die bisherige Praxis des Kükentötens wird erstmal wie gehabt weitergehen und an jedem weiteren Tag leiden und sterben lebensfähige Küken“, sagte Schröder. Er kritisierte zudem, dass das Gericht keine Frist festlegte, ab wann die Tötung verboten sein sollte. Die Richter verwiesen auf die Geschlechterbestimmung im Ei, die ohnehin „in näherer Zukunft“ möglich sein würde.

„Jetzt ist Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner umso stärker gefordert, schnellstmöglich tierschutzfreundliche Alternativen voranzutreiben und, wie im Koalitionsvertrag versprochen, das Kükentöten bis Mitte der laufenden Legislaturperiode zu beenden“, so Schröder.

Aus Sicht des Deutschen Tierschutzbundes sollte in erster Linie die spektroskopische Methode vorangetrieben werden, die am 4. Bruttag angewandt wird und bei der ein Schmerzempfinden des Embryro ausgeschlossen ist. Langfristig müsse es aber eine Rückkehr zu Zweinutzungshühnern geben.

Und der Tierschutzverein Vier Pfoten kritisiert, dass die zugesprochene Übergangszeit tierschutzgerechtere Alternativen wie das Zweinutzungshuhn ausbremst. Rüdiger Jürgensen, Country Director bei VIER PFOTEN Deutschland: „Das Urteil setzt auf die Geschlechtsbestimmung im Ei und fördert damit weiter die Hochleistungszucht, die für die Legehennen mit großen gesundheitlichen Problemen verbunden ist. Dieses Urteil ändert nichts am bestehenden pervertierten System der Intensivtierhaltung. Männliche Küken bleiben weiterhin wertlos. Das massenhafte und grausame Töten in den Brütereien muss jetzt ein Ende haben.“

Die Sprecher für Agrarpolitik und Tierschutz Rainer Spiering und Susanne Mittag (SPD):

"Das ist ein Armutszeugnis für die bisherigen Bemühungen des Bundeslandwirtschaftsministeriums, entsprechende Verfahren auf den Weg zu bringen, zumal selbstgesetzte Fristen immer wieder verschoben wurden. Es ist endlich an der Zeit, dass dieser langanhaltende Tierschutzverstoß der Vergangenheit angehören soll, zumal dies sowohl im Koalitionsvertrag als auch in einem ergänzenden Entschließungsantrag seitens der SPD gefordert und vereinbart wurde. Wir brauchen einen konkreten Zeitpunkt und Vorgaben von der Bundeslandwirtschaftsministerin, wie genau der Umstellungsprozess gestaltet werden soll. Nur so können sich große und kleine Brüterein darauf einstellen. Die Technik sowie alternative Haltungsmethoden gibt es bereits. Sie müssen nun auch genutzt werden."

Carina Konrad (FDP) stellv. Vorsitzende des Agrarausschusses des Bundestags:

„Bei der Frage der Früherkennung brauchen wir unbedingt eine einheitliche europäische Lösung. Ich sehe in der Frage den Verbraucher als wegweisend, denn jeder von uns nimmt mit seinem Einkaufsverhalten Einfluss darauf, der Tötung männlicher Küken ein Ende zu setzen. Die Technik der Früherkennung sollte deshalb weiter in die Fläche gebracht werden.“

Friedrich Ostendorff, Sprecher für Agrarpolitik der Grünen im Bundestag:

„Dies ist ein schwarzer Tag für alle, die so lange gegen die grausame Praxis des Kükentötens gekämpft haben. Dass pro Jahr über 40 Millionen gesunde Lebewesen vernichtet werden, weil kein Profit damit zu machen ist, ist unwürdig und unethisch. Das Bundesverwaltungsgericht hat bestätigt, dass die Praxis des Kükentötens dem Tierschutzgesetz widerspricht, räumt der Industrie aber noch eine leider nicht zeitlich begrenzte Übergangsfrist ein. Es ist unsäglich, dass die Hühnerindustrie mit Verweis auf angebliche neue Verfahren ihre grausame Praxis auf unbestimmte Zeit weiter fortsetzt.

Bundesministerin Klöckner muss diesem grausamen Treiben jetzt ein sofortiges Ende setzen. Wir müssen endlich aus der industriellen Extremzucht aussteigen, die nur auf ein lukratives Merkmal zielt. Die Zukunft gehört dem Zweinutzungshuhn, bei der Hennen und Hähne gehalten werden. Die bäuerlichen Initiativen, die bereits intensiv an dieser ethischen Art der Zucht arbeiten, brauchen dringend mehr staatliche Unterstützung.“

Und Martin Häusling, landwirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament, erklärte: „Ich bedaure, dass das Gericht die wirtschaftlichen Interessen der Massentierhaltung über das Staatsziel Tierschutz stellt. Tiere sind keine Massenware, die nach Bedarf weggeworfen werden kann. Wir Grünen werden weiterhin dafür kämpfen, dass Tierwohl vor Profit steht, in ganz Deutschland und in der ganzen Europäischen Union. Tiere dürfen nicht mehr einseitig auf Leistung gezüchtet werden. Langlebigkeit und Robustheit müssen die Hauptkriterien sein. Bei Geflügel müssen wir zum Zweinutzungshuhn zurück.“

Kirsten Tackmann, agrarpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag:

„Wenn für ein paar Cent Ersparnis männliche Eintagsküken weiter legal getötet werden dürfen, müssen Gesetze entsprechend geändert werden. Sonst bleibt das Staatsziel Tierschutz eine leere Hülle. Und das obwohl mit ‚Zweinutzungsrassen‘ oder ‚Bruderhahninitiativen‘ Alternativen zum Kükenschreddern längst verfügbar sind. Die von Agrarministerin Klöckner favorisierte Selektion der männlichen Küken im Ei ist eine teure technologische Scheinlösung, die den Kern des Problems verkennt.“

Niedersachsens Agrarministerin Otte-Kinast (CDU):

„Das Kükentöten muss so schnell wie möglich beendet werden! Nun erwarte ich von der Geflügelwirtschaft, dass sie ihre Anstrengungen zur Erreichung der Praxistauglichkeit der Geschlechtsbestimmung im Ei nochmals deutlich erhöht. Die Entwicklung der Verfahren zur Geschlechtsdifferenzierung im Ei begleitet Niedersachsen intensiv und steht mit der Wissenschaft ebenso in engem Kontakt wie mit den Brütereien.

Auch wenn der ursprünglich angepeilte Ausstieg bis Ende 2018 nicht realisierbar war, weil sich bei der Umsetzung in die Praxis noch unerwartete Schwierigkeiten ergeben haben, sind inzwischen verschiedene Verfahren über das Versuchsstadium hinaus zur Marktreife herangewachsen und eine Einführung in den Betrieben in der Fläche steht hoffentlich bald bevor.

Niedersachsen hält das sogenannte spektroskopische Verfahren, mit dem bereits wenige Tage nach der Befruchtung des Eies die Geschlechtsbestimmung erfolgen kann, für den aus Tierschutzsicht sinnvollen Weg. Das sogenannte endokrinologische Verfahren, das frühestens neun Tage nach der Befruchtung eingesetzt werden kann, greift hingegen zu spät ein und wird von Tierschutzexperten daher abgelehnt.

Niedersachsen hat daher bereits 2011 per Erlass vorgegeben, dass für eine Übergangszeit, bis zum Vorliegen einer tatsächlich praktikablen Lösung, das Töten der männlichen Eintagsküken aus Legelinien nur dann toleriert wird, wenn die Küken als ganze Tiere nach vorheriger tierschutzgerechter Betäubung (z.B. durch ein Kohlendioxid-Sauerstoff-Gemisch) in Zoos, Falknereien etc. als Ersatz für andere Futtertiere (z.B. Mäuse) verwertet werden. Ob eine Anpassung des derzeitigen Erlasses erforderlich ist, wird nach Vorliegen der schriftlichen Urteilsbegründung geprüft.“

ÖTZ: Geschlechtsbestimmung im Ei muss nicht sein!

Inga Günther, Geschäftsführerin der Ökologischen Tierzucht gGmbH (ÖTZ) appelliert, dabei auf echte und ganzheitliche Alternativen zu setzen – und spricht sich gegen die In-Ovo-Selektion aus.

Für Inga Günther bedeutet die Geschlechtsbestimmung im Ei sogar eine „Verschlechterung der Zustände“, da bei dieser Methode eine Verwertung wie beim „Futterküken“, das in Zoos oder Adlerwarten verfüttert wird, nicht möglich sei – und das Kükentöten zudem nur vorverlegt würde. Echte Lösungen seien hingegen die Bruderhahnaufzucht sowie Zweinutzungshühner, die sowohl Eier legen als auch Fleisch ansetzen.

Ein solches echtes Zweinutzungshuhn für die Biobranche züchtet die ÖTZ, ein gemeinsames Projekt von Bioland und Demeter. Schon heute biete die Ökotierzucht mit den ÖTZ-Hühnern und Hähnen eine ganzheitliche Lösung, bei der die männlichen Tiere aufgezogen werden und ihr Fleisch als kostbares Lebensmittel kulinarisch und finanziell wertgeschätzt wird, heißt es. „Damit starten wir nicht weniger als eine Revolution in der Geflügelhaltung. Wir setzen zu hundert Prozent auf Bio und Tierwohl von Anfang an – mit konzernunabhängiger, ökologischer Tierzucht in Bauernhand“, so Günther.

Auch die Bio-Branche ist ihrer Ansicht nach jetzt gefragt: „Um diese Revolution bis auf die Teller zu bringen, müssen sich die Akteure der Bio-Branche zusammentun und gemeinsam für die Aufzucht männlicher Tiere eintreten.“ Günther appelliert an alle Beteiligten und vor allem an den Naturkostfachhandel, diese echten Alternativen zum Kükentöten als Chance zu begreifen: „Lasst uns alle genau auf den setzen, der bislang als wertlos aussortiert wird: den Hahn.“

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