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topplus Reportage

Mama kommt nicht mehr heim

Lesezeit: 3 Minuten

Eine Landwirtsfrau, ein großer Betrieb, immer Vollgas. Plötzlich streikt der Körper. Die Bäuerin stellt sich Fragen, die ihr Mann nicht hören mag. Sie geht vom Hof, ihre vier Kinder bleiben.


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Es war ein Mittwoch. Frühsommer und warm. Ich zog die Haustür ins Schloss, ging die Dorfstraße entlang, wie betäubt, bis zum Bahnhof. Norddeich-Mole, zwei Wochen Nordsee. Die Freundin einer Freundin lebte dort, ich konnte ihr Gästezimmer beziehen, zur Besinnung kommen. Ich war am Ende.


Mein Ex-Mann und ich, wir hatten 15 Jahre zuvor geheiratet, eine glückliche Ehe geführt. Unsere Kinder kamen zur Welt, wir hatten immer viel Arbeit, aber auch richtig viel Freude – ein gutes Leben! Dann kam es Schlag auf Schlag: Ziehen im Rücken, massive Schmerzen, Krankenhaus, Bandscheibenvorfall.


AUF SINNSUCHE


Ich hatte größte Mühe, wieder auf die Beine zu kommen. Der Körper heilte, die Seele nicht. Plötzlich stellte ich mein komplettes Leben infrage und fand keine Antworten. Mein Mann, so glaube ich heute, war überfordert mit der Situation und meiner Sinnsuche.


Irgendwann fühlte ich mich wie in der Falle: Ich konnte so nicht weitermachen, aber ich konnte auch nicht gehen, die Kinder zurücklassen, außerdem Haus, Hof, Garten. Es fühlte sich an wie Verrat.


Und mir war klar: Wer aus diesem engen dörflichen Gefüge ausbricht, hat keine Freunde und Unterstützer mehr.


Die Zerrissenheit quälte mich über eineinhalb Jahre, ich hatte nur eine Freundin, mit der ich offen redete. Sie vermittelte mir den Kontakt an die Nordsee – und ich fuhr los.


Danach war mir klar: Auf den Hof kannst Du nicht mehr. Im Heimatdorf begann sofort der Spießrutenlauf mit Nachbarn und Verwandten. Ich suchte mir eine Wohnung, fand eine Stelle als Hauswirtschafterin und hatte die Kinder fortan immer wieder zu Besuch.


Ihr Schmerz über mein Verschwinden vom Hof war groß. Bis heute – die Vier sind inzwischen alle erwachsen – wage ich es nicht, sie auf die Trennungssituation anzusprechen. Ich weiß, meine Angst, die Schuldigkeit und Scham, das alles käme wieder hoch.


Dabei wusste ich damals sehr genau, warum ich nur ohne die Kinder gehen konnte: Weil sie Hofkinder waren. Immer aktiv und draußen, im Stall, in Bewegung, eng im Kontakt mit den Großeltern. Wie hätte ich sie aus diesem System herausreißen sollen?


ZWISCHEN ALLEN STÜHLEN


Und dennoch: Wollte ich die Kleinen am Wochenende abholen, klammerten sie an der Autotür: „Wenn wir mit zu Dir gehen, ist der Papa allein. Wenn wir bei Papa bleiben, bist Du traurig.“ Die Situation änderte sich, als wir als Eltern, gemeinsam mit dem Jugendamt, einen offiziellen Plan aufstellten. Damit gab es feste Regeln, die Kinder mussten nicht mehr selbst entscheiden, sich nicht mehr zu einem Elternteil bekennen.


Wenig später begegnete ich immer mehr getrennten Frauen vom Hof. Ich gründete eine Selbsthilfegruppe, die über lange Zeit bestand. Es war tröstlich, in dieser Gemeinschaft zu sein, das Verständnis für die Lebensumstände und Zwänge war immens groß.


Heute weiß ich: Nicht der Hof war der Grund oder Auslöser für meine damalige Krise. Ich selbst war es. Und an diesem Punkt, als ich gar nicht mehr weiter wusste, verloren wir uns als Paar.“

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