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das Aktuelle Interview - Bauer Willi und die Geschichte vom Wutbrief

Lesezeit: 5 Minuten

Mitte Januar hat Bauer Willi den „lieben Verbrauchern“ einen gepfefferten Wutbrief geschrieben und damit ein gewaltiges Medienecho ausgelöst. Über Zeitungen, Radio, Fernsehen und die sozialen Medien hat Willi Millionen Menschen erreicht.


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War Ihr Brief nur eine Frustaktion oder eine gezielte Provokation?


Bauer Willi: Ich hatte wirklich Frust: 1 ct/kg Kartoffeln, 3 ct/kg Zwiebeln, 15 ct/kg Möhren für mich und meine Nachbarn, da platzt einem irgendwann der Kragen.


Wie lange hat es gedauert, bis sich die ersten Medien gemeldet haben?


Bauer Willi: Etwa 5 Tage nachdem der Text online war, haben ihn die ersten Portale, z.B. von Stern, HuffingtonPost und Express, in voller Länge gebracht. Auch in Österreich und Schweden wurde er veröffentlicht. Aber erst nach ca. 10 Tagen ging „die Post“ richtig ab.


War das nur online ein Thema?


Bauer Willi: Nein, aber damit ist es gestartet. Ungefähr 20 Online-Portale haben berichtet, ganz genau habe ich das nicht nachgehalten. Mehrere Rundfunksender aus ganz Deutschland haben Interviews mit mir gemacht. Der WDR und SAT 1 NRW haben auch im Fernsehen berichtet. Sogar die Redaktion von Markus Lanz hat sich gemeldet. Auch in der gedruckten Presse gab es zahlreiche Kommentare.


Wie war der Tenor?


Bauer Willi: Zu 100 % positiv. So titelte der wirklich nicht zimperliche Express (Anm. d. Red.: Boulevard-Blatt im Rheinland): „Bauer Willi klagt uns Verbraucher an. Ja, hat er nicht recht? Sind wir Verbraucher unser Elend nicht selber schuld?“ Finde ich klasse.


Was sagen die Berufskollegen?


Bauer Willi: Ich habe viel Beifall bekommen, endlich sagt mal jemand, wie wir uns fühlen, heißt es.


Dürfen die Landwirte die Verbraucher beschimpfen?


Bauer Willi: Es waren ja nicht die Landwirte. Es war nur einer. Und wer austeilt, muss auch einstecken können. Natürlich habe ich pauschaliert, diffamiert und angeklagt. Im Prinzip kann man auf so eine Anklage als Betroffener auf dreierlei Weise reagieren. Erstens: Ich verstehe Deine Wut und du hast mir etwas bewusst gemacht. Zweitens: Geh mir mit Deinem Gejammere nicht auf die Nerven. Den Bauern geht es gut. Die fahren alle dicke Autos und teure Trecker. Oder drittens: Ich würde ja gerne anders einkaufen, kann mir das aber gar nicht leisten.


Als mir das klar geworden ist, habe ich mich bei den „lieben Verbrauchern“ entschuldigt. Das hat wieder eine neue Welle der Aufmerksamkeit ausgelöst.


Verbraucher zu beschimpfen, ist also kein Schlüssel für eine professionelle Öffentlichkeitsarbeit der Landwirtschaft?


Bauer Willi: Wo gibt es eine professionelle Öffentlichkeitsarbeit für die Landwirtschaft? Es gab ja mal die CMA. Und was kam dann?


Das Geheimnis des Erfolgs meines Wutbriefs hat mir ein Kollege von Ihnen aus dem nicht-landwirtschaftlichen Bereich so erläutert: Bisher habe noch nie ein einzelner Landwirt einen persönlichen Brief an alle Verbraucher geschrieben. Mit seiner Mischung aus Tatsachen und Gefühlen sei mein Schreiben sehr authentisch und ehrlich. Das sei etwas Besonderes in der Medienwelt. Deshalb habe der Brief eine solche Verbreitung gefunden.


Was können wir aus der Aktion lernen?


Bauer Willi: Selbst wir Ackerbauern werden von den lieben Mitmenschen immer häufiger schräg angeguckt. Dem Ersten stinkt es, wenn wir Champost (Anm. d. R.: abgeerntete Champignon- erde) streuen, der Zweite stört sich am Mähdrescherlärm nach 22 Uhr und die Dritte ist pikiert, wenn ich sie bitte, das Stöckchen-Werfen mit ihrem Hund nicht in meinem Weizen zu machen. Viele Tierhalter sind sicher noch schlimmer dran. Um das in Zukunft abzustellen, müssen wir viel mehr miteinander reden. Das heißt: Wenn ein Verbraucher am Feldrand steht und mit dem Kopf schüttelt, weil wir mit der Pflanzenschutzspritze arbeiten: anhalten, aussteigen und erklären. Das sind verdammt gut investierte fünf oder zehn Minuten. Geht in die Schulen, erklärt die Landwirtschaft und diskutiert mit den Kindern und ganz besonders den Lehrern, wie es wirklich im Agrarbereich zugeht! Und macht mal einen Lehrgang in Kommunikation und ein Rhetorikseminar! Schon ein eintägiger Kurs kann viel bringen. An Landwirtschaftsschulen und Universitäten wird das den jungen Landwirten nicht beigebracht. Dabei gehört eine gute Kommunikation genauso zum Handwerkszeug eines modernen Landwirts wie die eigentliche Produktion. Unsere „Gegner“ sind da wesentlich besser drauf!


Wie geht es jetzt weiter?


Bauer Willi: Ich habe neulich einen Satz gelesen, der mich etwas ernüchtert hat: Von der Bewusstseins- bis zur Verhaltensänderung braucht es im Mittel 5 Jahre. Deshalb mache ich erst mal weiter.


Wie viele Stunden pro Tag sind Sie eigentlich „Bauer Willi“?


Bauer Willi: Zurzeit mindestens vier Stunden täglich. Meine Familie kommt dabei definitiv zu kurz.


Brauchen wir noch mehr „Bauer Willis“ im Internet?


Bauer Willi: Ganz sicher. Aber das dürfen Sie nicht mich fragen, sondern meine Berufskollegen und deren Inte­ressenverbände. Bis auf einzelne Ausnahmen sehe ich da noch sehr wenig Initiative.Dr. Ludger Schulze Pals


Wutbrief-Schreiber Bauer Willi will anonym bleiben.

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