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Pflanzenschutzmittel-Steuer

Das wird teuer!

Lesezeit: 6 Minuten

Schleswig-Holsteins grüner Landwirtschaftsminister Robert Habeck möchte den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln besteuern. Das würde die Produktion drastisch verteuern, haben Prof. Dr. Enno Bahrs und Hans Back ausgerechnet.


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Wenn es nach dem Kieler Agrarministerium geht, soll es künftig eine bundesweite Steuer auf Pflanzenschutzmittel geben (siehe Kasten auf Seite 34). Grundlage dafür ist das Steuerkonzept des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung in Leipzig, das eine Basisabgabe in Höhe von 20 € für die volle Aufwandmenge je ha vorschlägt. Hinzu kommen je nach Wirkstoff noch sehr individuelle Zuschläge für Risikopotenzial und Einsatzgebiet. Die tatsächliche Höhe der Abgabe pro Hektar ist daher sehr stark von den eingesetzten Mitteln abhängig.


Zu welchen Zusatzkosten diese Abgabe bei wichtigen Ackerfrüchten führt, hängt damit entscheidend von den typischen Fruchtfolgen mit ihren spezifischen Pflanzenschutzerfordernissen und den regionalen Problemen (z.B. resistente Ungräser) ab.


Um die regionalen Auswirkungen der vorgeschlagenen Steuer abzubilden, haben wir die mögliche Steuerbelastung für übliche Fruchtfolgen in Ostholstein (mit Winterraps), Südniedersachsen (mit Zuckerrüben), Westfalen (mit Mais) und für die schwäbische Filderregion (mit Sonderkulturen) ermittelt.


Dabei unterstellen wir jeweils typische Anwendungen von Pflanzenschutzmitteln. Mögliche preisliche Anpassungsreaktionen durch Hersteller und Handel sowie mögliche Ausweichreaktionen der Landwirte haben wir zunächst nicht berücksichtigt.


Bei der Kalkulation legen wir die verbreitet eingesetzten Pflanzenschutzmittel, untergliedert nach Beizmitteln, Fungiziden, Herbiziden, Insektiziden und Wachstumsreglern, zugrunde. Dabei gehen wir von den Listenpreisen (netto) abzüglich typischer Rabatte aus. Daraus berechnen wir die bisherigen Kosten je ha und die mögliche Abgabe auf Pflanzenschutzmittel bezogen auf den Hektar. Für die vier Beispielsregionen haben wir folgendes ermittelt:


Ostholstein:

Friedrich Hansen aus Ostholstein (alle Namen fiktiv) setzt auf eine für die Region typische Fruchtfolge Winterraps, Weizen und Gerste. Beim Raps muss Hansen steuerbedingt mit einer Verdopplung der Pflanzenschutzaufwendungen rechnen (Übersicht 1). Im Vergleich zum Raps schlagen die Steuerbeträge beim Winterweizen finanziell noch stärker zu Buche. Hansen kämpft, wie viele in der Region, v.a. mit resistentem Ackerfuchsschwanz.


Der Holsteiner erzielt zwar weit überdurchschnittliche Erträge, muss diese aber auch mit einer vergleichsweise hohen Pflanzenschutzintensität erkaufen. Auch die Resistenzen fordern einen hohen Tribut. Mehr als 150 €/ha der zu zahlenden Steuern entfallen auf die Herbizide im Weizen (Übersicht 1). Zusammen mit den anderen Mitteln kommt Hansen allein für den Weizen auf einen Steuerbetrag von fast 350 €/ha. Für die gesamte Fruchtfolge liegen die Mehrkosten im Schnitt bei ca. 270 €/ha.


Südniedersachsen:

So hart wie Hansen trifft es Heinrich Lammers aus Südniedersachsen nicht. Er baut Rüben, Winterweizen und Gerste an. Dabei steht der Winterweizen ggf. hintereinander in der Fruchtfolge. Auch Lammers hat je nach Frucht Mehrbelastungen von 160 bis 210 €/ha durch die Steuer, wenn diese auch nicht ganz so hoch ausfallen wie in Ostholstein. Dennoch steigen die Kosten für den Pflanzenschutz bei Rüben um 40% und bei Getreide sogar um über 80% (Übersicht 2, Seite 33).


Steuerbedingt verliert der Stoppelweizen aufgrund seines intensiveren Pflanzenschutzaufwandes an Vorzüglichkeit. Bei Rüben sind es v. a. die Herbizide, die Mehrkosten von ca. 100 €/ha ausmachen.


Westfalen:

Martin Schulze aus Westfalen setzt neben Winterweizen (ggf. zweimal in der Fruchtfolge hinter Raps und hinter Mais), Gerste und Raps auf Mais. Auch ohne Funigizide und Insektizide schlägt die Steuer beim Mais durch den Herbizideinsatz mit mehr als 150 €/ha kräftig zu Buche. Aber auch beim Raps verdoppelt sich der Pflanzenschutzaufwand, vor allem die Insektizide kosten mit Steuer 80 €/ha zusätzlich (Übersicht 3).


Schwäbische Filderregion:

Ludwig Kaiser und Karsten König aus der Filderregion bei Stuttgart bauen im Wechsel mit Ackerfrüchten überwiegend Sonderkulturen für die Direkt- und Großhandelsvermarktung an. Kohl, Salate, Buschbohnen und Kartoffeln sind Teil ihrer Fruchtfolgen. Die steuerlichen Folgen der ebenfalls angebauten Winterweizen, Wintergerste und Mais werden hier nicht noch einmal gesondert ausgewiesen. Sie ähneln den Ergebnissen in Südniedersachsen und Westfalen.


Die Produktion von Kohl, Salat und Buschbohnen wird durch die Pflanzenschutzmittelabgabe um mindestens 150 bis 170 €/ha teurer (Übersicht 4). Zum richtigen Kostentreiber kann sie aber im Kartoffelanbau werden. Viele Kartoffelanbauer beizen zudem ihre Knollen, benötigen mehr Herbizide (auch für die Krautabtötung) und deutlich mehr Fungizidmaßnahmen als Kaiser und König. Dann können sogar steuerbedingte Mehrbelastungen von deutlich mehr als 500 €/ha Kartoffeln entstehen.


Die vier typischen Beispiele zeigen, dass die Steuer bei den meisten Fruchtarten ein echter Kostentreiber ist und die Aufwendungen für den Pflanzenschutz um 50 bis 100% erhöht. Damit würden die Vollkosten im konventionellen Ackerbau durch die Steuer um 10% und mehr ansteigen. Sehr intensive Varianten des Pflanzenschutzes bei Hackfrüchten oder bei verstärkt auftreten-den Resistenzen, z.B. bei Ackerfuchsschwanz und Windhalm, lassen die Kosten noch stärker nach oben schnellen.


Das gilt auch für den intensiven Obst- und Feingemüseanbau (z.B. Tomaten). Hier fallen ebenfalls hohe Abgaben an. Aufgrund der gleichzeitig sehr hohen Wertschöpfung je ha wird der Pflanzenschutzaufwand voraussichtlich trotzdem nicht eingeschränkt.Vor allem dann nicht, wenn spezielle Vorgaben des Handels (z.B. Qualitätsstandards) eingehalten werden müssen.


Nur das Grünland bleibt von der Steuer weitgehend verschont, weil dort selten und wenige Pflanzenschutzmaßnahmen durchgeführt werden.


Unterm Strich sind die Auswirkungen der Steuer auf den Gewinn dramatisch: Je nach bisherigem Betriebserfolg könnte die Steuer ca. 25 bis über 100% des bisherigen Gewinns „auffressen“.


Wie anpassen?

Wenn Hersteller und Handel nicht auf die Steuer reagieren und ihre Preise senken, müssen die konventionellen Landwirte ihren Pflanzenschutzmitteleinsatz nach Einführung einer Steuer betriebswirtschaftlich anpassen. Dafür haben sie grundsätzlich folgende fünf Möglichkeiten:


Der ökologische Landbau würde durch die Steuer betriebswirtschaftlich vorzüglicher, weil er z.B. nur „natürliche“ Insektizide, Kupfer- oder Schwefelpräparate einsetzt und damit abseits der Sonderkulturen viel weniger Steuern anfallen. Das macht die Umstellung auf Öko-Landbau interessanter.


Es bleiben Fragen:

Die Wirkungen der beschriebenen Anpassungsmaßnahmen bleiben aber in vielen Betrieben begrenzt. Eine erhebliche Reduktion des Pflanzenschutzmittel-Einsatzes ist ohne massive Ertrags- und Qualitätseinbußen im aktuellen Agrarsystem nicht möglich. Deshalb können die Landwirte auf viele Pflanzenschutz-Maßnahmen nicht verzichten. Sind dafür hohe Steuern zu entrichten und in anderen EU-Staaten nicht, schränkt das die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Landwirte erheblich ein.


Die Befürworter einer Abgabe auf Pflanzenschutzmittel müssen folgende Fragen überzeugend beantworten:


  • Welche Folgen hat die durch den nicht optimierten Pflanzenschutz verursachte geringere Ertragsstabilität auf mögliche Nährstoffüberschüsse und die Ökobilanzen?
  • Warum ist die Steuer nur auf die Gefahr für den Menschen ausgerichtet und nicht auf die biologische Vielfalt?
  • Führt der veränderte Einsatz einzelner Wirkstoffe zu wachsenden Resistenzen?


Der bisherige Steuervorschlag gibt darauf keine ausreichenden Antworten oder blendet mögliche kontraproduktive Effekte einfach aus. Darüber hinaus gibt der Vorschlag kaum Anreize, in nachhaltigere Fruchtfolgen einzusteigen, weil die steuerliche Belastung bei allen „marktattraktiven“ Ackerfrüchten vergleichsweise hoch ist.


Kritisch ist auch, dass eine Steuer Umgehungstatbestände fördern könnte: Hohe Steuern bringen die Landwirte in Versuchung, sich im Ausland günstig mit Pflanzenschutzmittel einzudecken und die Steuer rechtswidrig zu unterlaufen. Die Konsequenzen wären für Umwelt und Verbraucher fatal: Weniger Kontrolle und weniger Sicherheit.-sp-

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