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Die Riesen erwachen

Lesezeit: 6 Minuten

Bulgarien und Rumänien versprechen Investoren beste Böden in ­unendlichen Weiten. Wir haben uns Ackerbaubetriebe unweit der Donau angesehen und viel über Land und Leute gelernt.


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Billige Saisonarbeitskräfte und riesige Agrarflächen, die nur auf westliche Investoren warten: Das sind die Schlagworte, wenn man an Bulgarien und Rumänien denkt. Seit 2007 sind die beiden südosteuropäischen Länder Mitglied in der EU. Bei einer Studienreise, organisiert von CASE IH und Väderstad, haben wir beein­druckende Agrarbetriebe besucht und gleichzeitig gravierende soziale Probleme festgestellt.


Die Fahrt führt uns von Bulgariens Hauptstadt Sofia durch den vom Ackerbau geprägten Norden entlang der Donau nach Bukarest in Rumänien. Hier ist die Schwarzerde (Chernozem) bis zu 1 m stark. Mit 12 bis 13 % Humus (pH 6 bis 7) gehört sie zu den fruchtbarsten Böden weltweit.


Eine Herausforderung für die Bauern ist allerdings das Klima, was den Anbau sehr risikoreich macht. Im Winter sinkt das Thermometer nicht selten auf - 30° C, im Durchschnitt sind es 1 bis 5 °C. Die Sommer sind dagegen sehr heiß mit Durchschnittswerten von 25 bis 30 °C. 2012 ließ eine Dürre den Mais­ertrag um 25 % einbrechen. Im Landesschnitt fallen 650 mm Regen, wobei die großen Überflutungen auf dem Balkan im Frühjahr 2014 vielerorts die Ernte ins Wasser fallen ließen. Im Herbst sorgte dann der frühe Kälteeinbruch in Bulgarien für große Behinderungen bei der Getreideaussaat, während Schneefälle im Norden die Bauern in der Maisernte überraschten.


Agrarstaaten:

Für Bulgarien (BG) und Rumänien (RO) ist die Landwirtschaft existenziell: Beide sind die Länder mit dem höchsten Anteil der Agrarwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt in der EU, z. B. etwa 7,2 % in Rumänien (D: 0,9). Bei den Sonnenblumen ist Rumänien mit annähernd 1,1 Mio. ha der größte Anbauer in Europa, gefolgt von Bulgarien mit knapp 900 000 ha. Ebenso führend ist das Land beim ­Körnermaisanbau mit 2,7 Mio. ha.


Bei den ­Sojabohnen belegt Rumänien mit 700 000 ha Platz drei, nach Italien und Serbien. Die vergangene Sojaboh­nen­ernte war überdies die beste der letzten neun Jahre: Das Aufkommen belief sich auf 221 000 t; das sind 47 % mehr als 2013. Grund war die Ausweitung des Anbaus um ein Drittel und reichlich Regen im Sommer.


Auf 2 Mio. ha baut Rumänien Weizen an, der wegen seiner hervorragenden Qualität in der EU, in den USA sowie im Mittleren Osten bei den Mühlen sehr gefragt ist. In Bulgarien wächst das Getreide auf 1,3 Mio. ha. Die Erträge sind allerdings geringer als bei uns, wobei die Weizenernte 2014 mit 3,5 t/ha (RO) bis 4,2 t/ha (BG) für dortige Verhältnisse sehr gut war. Auch die Sonnenblumenernte fiel dank des üppigen Regens in Nordbulgarien mit 3,6 t/ha hervorragend aus. Normal sind 2 t/ha (RO) bis 2,3 t/ha (BG). Mit über 2,5 t/ha Raps sind die Bauern auf dem Balkan ebenfalls sehr zufrieden.


Ungerechte Verteilung:

Dabei sind die Schläge nicht nur deutlich größer als bei uns, auch die Struktur der Betriebe ist mit der deutschen Landwirtschaft nicht vergleichbar. So haben lediglich 2 % der Agrarbetriebe in Bulgarien mehr als 100 ha unter dem Pflug. Diese sind dann aber so groß, dass sie über 80 % der 2,7 Mio. ha Agrarfläche bewirtschaften können; eine enorme Konzentration auf wenige Großgrundbesitzer. In Rumänien gibt es zahlenmäßig deutlich mehr Kleinbauern auf den 13 Mio. ha Fläche. Vor allem sind hier noch Selbstversorger weit verbreitet. Sie sind die Verlierer des EU-Beitritts und geben reihenweise auf. Nur 0,4 % der Betriebe haben mehr als 100 ha. Diese Wenigen bewirtschaften aber die Hälfte des Landes. So findet sich hier auch Europas größte zusammenhängende Farm mit 56 000 ha!


Diese ungerechte Verteilung hat ihren Ursprung in der sozialistischen Kollektivierung, die ausgeräumte Landschaften und Großbetriebe hinterließ, was Investoren als Agrarstandorte der Zukunft heute schätzen. Andererseits kennzeichnen sehr strukturschwache, vernachlässigte ländliche Räume sowie gewaltige fachliche Defizite der Arbeiter beide Länder. Deutlich ausgeprägt ist dies in Bulgarien, das sich über Jahrhunderte dem russischen Raum verbunden fühlte. Hier wird weiter kyrillisch geschrieben, während Rumänien seit jeher den Blick nach Westen hatte und lateinisch schreibt.


So macht Bulgarien einen recht trostlosen Eindruck: Die Dörfer und Städte sind sehr verfallen, auf dem Land sind die Orte weit verstreut, ohne die bei uns bekannte Infrastruktur. Größte Arbeitgeber sind hier draußen die Agrarbetriebe. Wer kann, geht in die Ballungszentren oder ins Ausland.


Mentalität sollte man kennen:

Als Unternehmer muss man die Mentalität genau kennen, wie uns örtliche Landtechnik-Händler und Farmer übereinstimmend berichten. „Auch wenn die Leute an den neuen Landmaschinen ausgebildet sind, arbeiten sie noch lange nicht so, wie man es aus Nordeuropa gewöhnt ist“, so ein Händler. Weil die Arbeit meist nach Fläche bezahlt wird, werde beispielsweise nicht nach hinten geschaut und viel zu schnell gefahren, ob das Gerät richtig arbeitet oder nicht. Zudem würden die Schlepper unnötig mit Vollgas gefahren, was den Dieselverbrauch massiv steigert. „Die Arbeiter sind oft völlig überfordert.“


Nicht selten würden auch sichtbare Probleme ignoriert, weil man als Fahrer ja nicht für die Technik zuständig sei. So kann sich das Betanken einer Schlepperflotte unter Umständen über Stunden hinziehen, weil ein „Direktor“ für die Kontrolle der Dieselmenge, ein Fahrer zum Fortbewegen und ein Mann für das Tanken benötigt werden, sie aber nicht gleichzeitig zugegen sind.


„Es fehlt hier oftmals an Flexibilität der Mitarbeiter“, gesteht ein Landwirt ein. Wie zu Zeiten der Planwirtschaft macht jeder nur das, was er muss bzw. wofür er zuständig ist. So ist die ­Schulung des Personals neben der ­Modernisierung und Effizienzsteigerung eine der großen Herausforderungen auf den Höfen. Ausgebildete Landwirte sind die wenigsten.


Diebstahl & Korruption!?

Ein weiteres Problem ist die allseits grassierende Korruption und Kriminalität, wobei es deutliche Fortschritte gibt. Bis vor Kurzem war es etwa völlig normal, nicht existierende Agrarflächen oder Brachland in Brüssel für Prämien anzumelden. Schärfere Kontrollen unterbinden dies heute. Geblieben sind oftmals Vorteilsnahmen und Kungeleien etwa bei der Flächen- oder Fördervergabe sowie das Diebstahlproblem. Nicht nur Maschinen und Produktionsgüter, auch ganze Ernten verschwinden hin und wieder vom Feld, berichtet ein Bauer, der seine Mitarbeiter per Video und GPS überwacht. Eine gewaltige Aufgabe für die ermittelnden Behörden.


Ursache ist die extreme Schere zwischen arm und reich, die insbesondere in Bulgarien auffällt. Rumänien macht dagegen ein deutlich moderneres Bild und scheint die Nachwendejahre besser genutzt zu haben. In beiden Ländern verdienen aber nach wie vor nur wenige Einzelpersonen sehr viel Geld, während ein Heer aus kleinen Landarbeitern für 200 € im Monat die praktische Arbeit verrichtet. Statt traditioneller Familienbetriebe geben Investoren und professionelle Gesellschafter den Ton an. Ziel: Maximale Produktivität und maxima­­-ler Gewinn. Precision farming hat daher längst Einzug gehalten. Ein 500 PS-Schlepper macht etwa 1 000 h/Jahr, ein Mähdrescher 1 200 h in der Saison.


Mit der neuen Förderperiode dürfen sich die Farmer nun auf mehr Mittel aus Brüssel freuen. Bulgarien erhält etwa bis zum Jahr 2020 mit 7,7 Mio. € rund 2,7 Mio. € zusätzlich. Die Prämie dürfte damit von 120 € auf 184 €/ha steigen.Alfons Deter

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