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Fichtenfinale?

Lesezeit: 4 Minuten

Stürme, Dürre und vor allem der Käfer bedrohen die Fichte. Der Brotbaum vieler Waldbesitzer kämpft ums Überleben. Hat die Fichte noch eine Perspektive?


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Wir stehen an einer Fichte, die bald hiebsreif wäre. Sie ist gut 30 m hoch, rund 70 Jahre alt und – tot. Die Rinde löst sich bereits großflächig vom Stamm ab. Unter einem Stück, das Beförsterer Nils Redde (siehe Seite 49) abhebelt, krabbeln darunter einige Borkenkäfer. Etliche weiße Larven stecken in den Fraßgängen. 20 Grad messen wir Anfang November in dem kleinen Fichtenbestand im Bergischen Land an der Grenze zu Rheinland-Pfalz! „Bei dem warmen Wetter schaffen die Käfer vielleicht sogar noch eine vierte Generation, die auch noch neue Bäume befallen können“, erklärt Redde. Rund ein Dutzend weitere Fichten hat der Borkenkäfer hier bereits ebenfalls vernichtet.


Orkan, Trockenheit, Käfer!

Bundesweit, aber auch in den Nachbarländern, hat die Kombination aus einer großen überwinterten Käferpopulation, Orkan Friederike, monatelanger Dürre und die dadurch explodierenden Käferzahlen zu einem Massensterben der Fichten geführt. In vielen Fichtenbeständen finden sich jetzt verbreitet braune Einzelbäume, große Käfernester und ganze vom Käfer vernichtete Waldbereiche.


Die Schäden durch den Borkenkäfer treten fast bundesweit auf. Ein Schwerpunkt zeichnet sich in den nördlichen Mittelgebirgen ab: Sowohl im Sauerland als auch Harz und in den angrenzenden Regionen sind viele Fichten- bestände massiv betroffen. Allein in Nordrhein-Westfalen könnte der Käfer rund zwei Mio. Festmeter (fm) Schadholz produziert haben. Niedersachsen rechnet mit mindestens 1 Mio. fm Käferholz. Gemessen an der Schadholzmenge, wurden die Fichtenbestände bereits Anfang 2018 vom Sturm Friederike am stärksten geschädigt. In Deutschland knickte der Orkan rund 17 Mio. fm um, der größte Teil davon war Fichtenholz. Weil die immensen Windwurfflächen längst nicht komplett vor dem Start der Käfersaison geräumt werden konnten, hatte die erste Generation eine reichliche Futtergrundlage. Das durchgehend warme Wetter und die lang anhaltende Trockenheit sorgten dann für eine Explosion der Käferzahlen bis in den Spätherbst hinein.


Experten rechnen inzwischen damit, dass in Deutschland 2018 zusätzlich zum Sturmholz mindestens 10 Mio. fm Käferholz anfallen. Der reguläre Fichtenholzeinschlag lag in Deutschland in den vergangenen Jahren meist bei etwa 20 Mio. fm. Der Markt für Fichtenholz ist nahezu zusammengebrochen, die Preise im Keller, nicht wenige Polter bleiben an den Forstwegen liegen (s. Kasten unten). Der Frischholzeinschlag ist daher inzwischen in den meisten Landesforsten gestoppt, und auch private Waldbesitzer sollten möglichst keine frischen Fichten schlagen. Daran halten sich die meisten Forstwirte notgedrungen, da sie seit Monaten mit der Aufarbeitung der Sturmschäden und dem Ausmerzen von Käferbäumen und -nestern ausgelastet sind (siehe Reportage Seite 48). Auch Forstdienstleister, Harvester und Rücker sind oft seit dem Sturm dauerhaft in den geschädigten Fichtenbeständen unterwegs.


Angesichts der enormen Schäden in den Wäldern und den massiven finanziellen Einbußen fordern die Waldbesitzer finanzielle Hilfe und steuerliche Erleichterungen (siehe Kasten Seite 50).


So eine massive Bedrohung für die Fichte haben die meisten Förster und Waldbesitzer noch nicht erlebt. Experten sprechen vom schlimmsten Borkenkäferjahr seit 70 Jahren. Entsprechend unsicher und vielfältig sind auch die Aussagen zur Zukunft der Fichte: Die Fichte werde flächig aussterben, ist zu hören. 2019 drohe bereits das nächste Käferjahr, das die Bestände verbreitet weiter dezimieren könnte.


Der Wald wird sich verändern:

Ganz abschreiben wollen viele Praktiker die Fichte als wichtigsten „Brotbaum“ aber noch nicht: Die Käferschäden träten auch in diesem Jahr eher auf ungünstigen, trockeneren Flächen, wie Südhängen und Waldkanten auf. Auf feuchteren Gunststandorten gebe es deutlich weniger befallene Bäume. 2018 bezeichnen sie als Ausnahmejahr.


Experten empfehlen allerdings, nicht mehr uneingeschränkt auf die Fichte zu setzen. NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser: „Ziel unseres Waldbaukonzeptes ist, den Wald klimafit und weniger anfällig auszubauen. Entscheidend ist dabei die richtige Mischung klimaangepasster Arten.“ Neben fast schon etablierten, noch käferresistenteren Nadelbäumen wie Douglasien und Lärchen könnten denn auch Exoten wie japanische Sicheltannen, Mammutbäume oder Esskastanien künftig mehr und mehr Standorte der Fichte einnehmen. Noch sind echte Alternativen zur Fichte allerdings rar, und nicht zuletzt müsste sich auch die gesamte heimische Säge- und Verarbeitungsbranche auf das veränderte Angebot einstellen.


Kontakt: christian.brueggemann@topagrar.com

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