Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Milchpreis Maisaussaat Ackerboden Rapspreis

Aus dem Heft

Im Schatten des Öko-Booms

Lesezeit: 10 Minuten

Der Öko-Landbau wächst. Mehr als 10 000 Betriebe haben in den letzten 10 Jahren neu umgestellt. Jährlich steigen aber auch rund 600 Betriebe wieder aus. Eine neue Studie deckt die Motive auf.


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Keine Frage, der ökologische Landbau hat sich prächtig entwickelt. Ende 2011 wurden in Deutschland erstmals mehr als eine Million Hektar ökologisch bewirtschaftet. Das sind über sechs Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Seit 2000 hat sich die Zahl der Öko-Betriebe damit fast verdoppelt. Inzwischen wirtschaftet jeder 13. Betrieb in Deutschland nach den Öko-Kriterien (Übersicht 1).


Doch was kaum einer weiß: Neben zahlreichen Neueinsteigern in den Ökolandbau gibt es auch viele Betriebe, die den ökologischen Landbau wieder aufgeben. Von 2004 bis 2010 waren das über 4 200 Betriebe, also rund 600 pro Jahr. Davon gab ein Drittel die Landwirtschaft komplett auf. Zwei Drittel kehrten als sogenannte Rückumsteller zur konventionellen Wirtschaftsweise zurück. Das entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Rückumstellungsquote von 3,3 % bezogen auf alle Öko-Betriebe in Deutschland. Aufgefallen ist das bislang kaum, weil in Deutschland deutlich mehr Betriebe neu umstellten als aus dem ökologischen Landbau ausgestiegen sind.


Die Zahlen werfen Fragen auf. Welche Betriebe steigen aus dem Öko-Landbau wieder aus? Was stört die Aussteiger? Warum sehen sie keine Perspektiven mehr? Das Thünen-Institut hat zusammen mit der Universität Kassel und weiteren Partnern jetzt im Rahmen des Bundesprogramms Ökologischer Landbau (BÖLN) erstmals die Gründe für die Ausstiege systematisch aufgearbeitet. Dazu wurden die Agrarstrukturdaten ausgewertet, deutschlandweit über 700 Öko-Aussteiger schriftlich nach ihren Motiven befragt und zusätzlich mit 29 Betriebsleitern Intensivinterviews geführt. Hier die wichtigsten Ergebnisse:


Ein Drittel gibt den Betrieb auf.

Natürlich gibt es auch im Öko-Landbau Strukturwandel. Es ist daher nicht verwunderlich, dass über die Jahre ein Drittel der Öko-Aussteiger den Betrieb und die Landwirtschaft komplett aufgegeben hat (Übersicht 2). Die Flächen werden verpachtet oder verkauft. Bei den untersuchten Betriebsaufgebern gingen rund 60 % der Flächen an konventionelle Berufskollegen. In vielen Fällen gab es in der Nähe keinen Öko-Betrieb oder ein konventionell wirtschaftender Landwirt bot höhere Preise.


Interessant ist, dass der Strukturwandel im ökologischen Landbau offenbar weniger ausgeprägt ist als im konventionellen Bereich. Mit 1,4 % war die jährliche Aufgaberate unter den Öko-Landwirten nur halb so hoch wie bei den konventionell bewirtschafteten Betrieben, die auf 2,7 % kamen.


Überdurchschnittlich hohe Aufgaberaten gab es bei Betrieben, die im Nebenerwerb geführt wurden, die wenig Flächen hatten oder deren Betriebsleiter schon über 65 Jahre alt waren. Betriebsaufgaben kommen zwar in allen betrieblichen Ausrichtungen vor, am höchsten war die Aufgaberate aber unter den ökologisch wirtschaftenden Obst- und Gartenbaubetrieben sowie bei den Schaf- und Ziegenhaltern. Milchviehbetriebe haben dagegen vergleichsweise weniger häufig den Betrieb aufgegeben.


Wichtig ist: Für die Betriebsaufgabe war in der Regel nicht der ökologische Landbau maßgeblich. Vor allem die Nebenerwerbsbetriebe gaben eine zu geringe Flächenausstattung und eine fehlende wirtschaftliche Basis als Hauptgrund für den Ausstieg an. Bei den Haupterwerbsbetrieben kamen das Alter und die fehlende Hofnachfolge sowie gesundheitliche Gründe hinzu. Viele der untersuchten Betriebe wären daher wohl auch bei konventioneller Bewirtschaftung aufgegeben worden.


Zwei Drittel Rückumsteller:

Gut zwei Drittel der Öko-Aussteiger betrieben aber weiter Landwirtschaft. Sie kehrten als Rückumsteller zur konventionellen Wirtschaftsweise zurück (Übersicht 2). Diese Werte decken sich mit vergleichbaren Untersuchungen aus anderen europäischen Staaten. In Österreich, Norwegen und Großbritannien betrug der Anteil der Rückumsteller an allen Öko-Aussteigern sogar bis zu 80 %.


Wie bei den aufgegebenen Betrieben spielt auch bei den Rückumstellern die Erwerbsform und die Flächenausstattung eine große Rolle. Darüber hinaus war die Rückumstellungsrate bei den Schaf- und Ziegenhaltern sowie den Rindermast- und Obstbaubetrieben besonders hoch. Weniger anfällig für die Rückumstellung waren dagegen Betriebe mit Schwerpunkt Feldgemüse- und Kartoffelanbau. Demgegenüber kehrten Nebenerwerbsbetriebe häufiger zum konventionellen Landbau zurück als Haupterwerbsbetriebe. Es scheint: Je flächenärmer ein Betrieb, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit der Rückumstellung.


Auch das Alter spielt eine Rolle: Besonders häufig wurden Betriebe von Landwirten über 65 Jahre rückumgestellt, hier scheinen sich die Hofnachfolger wieder zum konventionellen Landbau orientiert zu haben. Bei den Intensivinterviews zeigte sich zudem, dass bei Betriebsleitern ab Mitte 50 die Rück-umstellung oft in Zusammenhang mit dem absehbaren Auslaufen des Betriebes stand. Diese Landwirte wollten ihre Betriebe gegen Ende ihres Berufslebens arbeitsextensiver bewirtschaften, als dies im Öko-Landbau möglich ist.


Einmal öko, immer öko?

Sowohl die eigenen Erhebungen als auch Studien aus europäischen Nachbarländern zeigen, dass die ökologische Wirtschaftsweise für viele Betriebe heute keine unverrückbare Grundsatzentscheidung mehr ist. Ob ein Betrieb eine Rückumstellung in Erwägung zieht, hängt von innerbetrieblichen, familiären und persönlichen Voraussetzungen sowie von äußeren Rahmenbedingungen ab. Gibt es dort Veränderungen, wird die ökologische Bewirtschaftung des Betriebes durchaus neu hinterfragt.


Was vor Jahren richtig war, kann sich heute anders darstellen. Veränderte Richtlinien oder Fördersätze im Öko-Landbau, neue Optionen wie die Bioenergieerzeugung oder ein verändertes Preisgefüge am konventionellen Markt entscheiden mit darüber, ob die Option „Öko-Landbau“ für den eigenen Betrieb immer noch die richtige ist. Auch bei der Hofübergabe kommen die mittel- und langfristigen Perspektiven des Öko-Landbaus neu auf den Prüfstand.


Mit zunehmender Dauer der öko-logischen Bewirtschaftung scheint eine Rückumstellung immer weniger wahrscheinlich zu werden. Jedenfalls entschieden sich zwei Drittel der untersuchten Rückumsteller schon während der ersten oder zweiten fünfjährigen Förderperiode gegen die Weiterführung des Öko-Landbaus. Das galt insbesondere für Nebenerwerbsbetriebe, die oft schon in den ersten fünf Jahren zur konventionellen Wirtschaftsweise zurückkehrten. Vielleicht ist dies ein Hinweis darauf, dass die mit der Umstellung einhergehende neue Betriebsorganisation und der zusätzliche Arbeitsaufwand von Nebenerwerbsbetrieben schlechter bewältigt werden kann.


Auch die Mitgliedschaft in einem Verband des ökologischen Landbaus bindet die Betriebe fester an die ökologische Wirtschaftsweise. Jedenfalls wurden nicht verbandsgebundene Betriebe häufiger rückumgestellt als Betriebe, die einem Verband angehörten.


Es gibt nicht den Grund.

Vielmehr war es meist ein Bündel von persönlichen, betrieblichen und weiteren Faktoren, das die Betriebsleiter zur Rückumstellung bewog. Immer wieder genannt wurden die Öko-Richtlinien und deren Kontrollen. Viele Rückumsteller empfanden die Richtlinien als zu streng und zu kompliziert. Anstoß nahmen sie auch an den aufwendigen Kontrollen. Fast die Hälfte der befragten Betriebe gab dies als ausschlaggebenden Grund für die Rück-umstellung an (Übersicht 3).


Die Rückumsteller beklagten vor allem den hohen zeitlichen Aufwand für die Nachweise, zu hohe Kosten für Kontrolle und Zertifizierung, zu einschränkende Richtlinien und entsprechende Probleme mit der Umsetzung der Öko-Standards. Das galt vor allem für die Tierhaltung. Explizit genannt wurden die 100 %ige Biofütterung und die auslaufenden Ausnahmen für die Anbindehaltung bei kleineren Kuhbeständen.


Darüber hinaus waren es vor allem wirtschaftliche Gründe, die die Betriebsleiter zur Rückumstellung bewogen. Viele gaben fehlende Einkommensverbesserungen bzw. ein insgesamt zu geringes Einkommen, Vermarktungsprobleme, zu geringe Preisaufschläge für Öko-Produkte sowie zu niedrige oder gekürzte Öko-Prämien als Hauptgründe an (Übersicht 3). Das ist auf den ersten Blick erstaunlich, da die Öko-Betriebe bei den Ergebnissen des BMELV-Testbetriebsnetzes seit Jahren höhere Gewinne erzielen als die konventionellen Vergleichsbetriebe. Hinter diesem Durchschnittswert verbirgt sich allerdings eine weite Spannbreite. Wahrscheinlich gehörten die Rückumsteller eher zu der Gruppe mit niedrigerem Einkommen.


Natürlich wirken sich auch produktionstechnische Probleme negativ auf die Wirtschaftlichkeit aus. Die Zunahme des Unkrautdrucks, niedrige oder stark schwankende Erträge und tierische Leistungen sowie Probleme mit der Nährstoffversorgung hatten aber für die meisten Rückumsteller keine so hohe Relevanz wie die Themen Richtlinien und Wirtschaftlichkeit. Nur für die auf Mähdruschfrüchte, vor allem Getreide, spezialisierten Ackerbauern war die mangelnde Ertragsstabilität ein überdurchschnittlich wichtiger Rückumstellungsgrund.


Für Öko-Betriebe ist eine ausreichende Flächenverfügbarkeit wegen der Fruchtfolgerestriktionen und Flächengebundenheit der Tierhaltung fast noch wichtiger als für konventionelle Betriebe. Das ist auch in dieser Untersuchung deutlich geworden. In Regionen mit starker Flächenkonkurrenz und entsprechend hohen Pachtpreisen sahen die befragten Rückumsteller kaum Wachstums- und Entwicklungsmöglichkeiten, wenn sie die ökologische Wirtschaftsweise fortführten.


Möglicherweise hat das Ausbildungsniveau der Betriebsleiter ebenfalls einen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit der Rückumstellung. Jedenfalls gab es bei Betriebsleitern ohne formale landwirtschaftliche Ausbildung vergleichsweise mehr Öko-Aussteiger.


Die Rückumstellung ist auch psychologisch kein leichter Schritt. Bei den befragten Betriebsleitern zog sich der Entscheidungsprozess häufig über mehrere Jahre hin. In der Regel muss die Unzufriedenheit über mangelnde Perspektiven und ungünstige Rahmenbedingungen erst eine gewisse Toleranzschwelle überschreiten, bevor eine endgültige Entscheidung getroffen wird. In kleineren und im Nebenerwerb bewirtschafteten Betrieben waren das häufig anstehende Investitionen, die aufgrund der Richtlinien vor allem in der Tierhaltung notwendig wurden, sich aber nicht rechneten.


Keine Entscheidung für immer:

Die Rückumstellung muss keine Entscheidung für die Ewigkeit sein. Fast drei Viertel der schriftlich befragten ehemaligen Öko-Landwirte können sich sogar vorstellen, noch einmal zur ökologischen Wirtschaftsweise zurückzukehren. Das gilt vor allem für größere Betriebe (ab 200 Hektar LF), Mutterkuhhalter oder Rindermäster – wenn die Bedingungen denn stimmen. Entscheidend wären für diese Landwirte weniger strenge Richtlinien, eine einfachere und preiswertere Öko-Kontrolle, höhere Öko-Prämien und bessere Preise für ihre Produkte.


In den persönlichen Interviews wurde allerdings auch deutlich, dass viele die erneute Umstellung auf Öko-Landbau für wenig wahrscheinlich hielten. Das gilt vor allem dann, wenn nach der Rückumstellung hohe Investitionen getätigt wurden, die die Rückkehr zum ökologischen Landbau im wahrsten Sinne des Wortes verbauen. Die Investition in eine Biogasanlage ist dafür ein Beispiel. Für Rückumsteller, die auch unter konventionellen Bedingungen weiter relativ extensiv wirtschaften, wären die Hürden im Vergleich dazu deutlich geringer. Hier sind es jedoch häufig die fehlenden Wachstumsmöglichkeiten oder die nicht gesicherte Hofnachfolge, die größere Investitionen in die Tierhaltung nicht sinnvoll erscheinen lassen.


Trotz der Rückumstellung haben die meisten Betriebsleiter aber keine negative Haltung zum Öko-Landbau. Ideologische Barrieren und Vorbehalte gegenüber dieser Wirtschaftsweise waren kaum festzustellen. Das ist beachtlich, da sich die umstellungsbedingten Erwartungen an den Öko-Landbau in vielen Fällen nicht erfüllt haben. Wenn überhaupt gab es bei einzelnen Landwirten eine gewisse Reserviertheit gegenüber der verbandsgeprägten „Bio-Szene“ mit ihren Institutionen und hauptamtlichen Strukturen.


Aus der Studie lernen:

Rückumsteller wird es auch in Zukunft geben. Wenn die betrieblichen und persönlichen Voraussetzungen nicht mehr passen, ist der Ausstieg aus dem Öko-Landbau manchmal die einzig sinnvolle Entscheidung. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass es vor allem fünf Ansatzpunkte gibt, um die Quote der Rückumsteller zu verringern und bessere Rahmenbedingungen für alle Öko-Betriebe zu schaffen:


  • Wenn die Betriebsorganisation und die persönlichen Präferenzen und Qualifikationen des Betriebsleiters von vorneherein nicht zum Öko-Landbau passen, sollte darauf schon bei der Umstellungsberatung hingewiesen werden, um Fehlentscheidungen zu vermeiden.
  • Bund und Länder sollten die Verlässlichkeit der Öko-Förderung verbessern. Sich häufig ändernde Förderbedingungen bis hin zum Aussetzen der Öko-Prämien sorgen nicht für die notwendige Planungssicherheit.
  • Mehr Transparenz und Praxisnähe sind bei der Richtliniengestaltung und der Durchführung der Öko-Kontrolle erforderlich.
  • Die Erträge und tierischen Leistungen müssen auch im Öko-Landbau unter Berücksichtigung der besonderen Umwelt- und Tierschutzziele weiter optimiert und gesteigert werden, sonst wird der Öko-Landbau vom konventionellen Landbau abgehängt. Forschung und Beratung müssen entsprechend intensiviert werden.
  • Die Vermarktungsstrukturen müssen weiter verbessert werden, um die Wertschöpfung für die heimischen Öko-Produkte zu erhöhen. Das gilt insbesondere für Rind- und Schaffleisch. Regionale Zusammenschlüsse können Fortschritte bringen. Das „1 000 Rinder-Programm“ des Allgäuer Lebensmittelhändlers Feneberg ist dafür ein gutes Beispiel (top agrar 11/2012, S. 138).

Die Redaktion empfiehlt

top + Top informiert in die Maisaussaat starten

Alle wichtigen Infos & Ratgeber zur Maisaussaat 2024, exklusive Beiträge, Videos & Hintergrundinformationen

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.