2010 war für die Bauern ein verrücktes Wetterjahr. top agrar sprach darüber mit dem Diplom-Meteorologen und Fernseh-Wettermann Sven Plöger (43).
Herr Plöger, die Bauern haben in diesem Jahr unter den Wetterextremen gelitten. Ist das noch normal oder sind das schon die Vorboten des Klimawandels?
Plöger: Man muss zwischen Klima und Wetter genau unterscheiden. Das Klima ist das langjährige Mittel des Wetters. Veränderungen sind deshalb nur über längere Zeiträume messbar. Das Wetter ändert sich dagegen jeden Tag, teilweise sogar massiv und noch dazu mit einer erheb-lichen Streubreite. Deshalb ist es so schwer zu sagen, was normal ist. Die entscheidende Frage lautet: Haben wir heute mehr Unwetter und häufiger extreme Hitze- und Trockenperioden als früher? Inzwischen gibt es dazu belastbare Daten über längere Zeiträume. Danach haben die Wetterextreme messbar zugenommen. Insofern ist das Jahr 2010 tatsächlich schon so etwas wie ein Vorbote des Klimawandels.
Woran machen Sie das fest?
Plöger: An zwei Punkten. Erstens nimmt – wie oben erwähnt – die Häufigkeit extremer Wetterverhältnisse zu. Und zweitens erwärmt sich die Erde weltweit immer schneller. Allein in den letzten 100 Jahren ist die Durchschnittstemperatur um 0,7 °C gestiegen. Auch wenn das zu-nächst nach wenig aussieht, ist das ist ein ungeheuer starker Anstieg. Denn in den gesamten 11 000 Jahren davor – seit der letzten Eiszeit – waren es insgesamt nur 4 bis 4,5 °C.
Welche Auswirkungen wird der Klimawandel auf das Wetter in Deutschland haben?
Plöger: Die Klimaforscher haben dafür komplexe Computermodelle entwickelt, die aber zumindest kleinräumig noch immer nicht hinreichend genau sind. Dennoch lassen sich einige Trends klar erkennen: Erstens wird sich die Niederschlagsverteilung ändern. Wir werden Regionen haben, in denen es deutlich trockener werden dürfte und Gebiete, in denen es mehr regnen wird als heute. Zweitens müssen wir häufiger mit extremen Hitzewellen rechnen, wie wir sie 2006 und 2010 erlebt haben. Wenn die Temperaturen in Deutschland in den nächsten 100 Jahren tatsächlich um 2,5 bis 3 °C ansteigen, hat dies natürlich auch Einfluss auf die TagesHöchstwerte. Und drittens dürften uns auch heftigere Stürme drohen. Die Klimamodelle sind in dieser Frage allerdings noch sehr unsicher.
Gibt es Regionen, die besonders betroffen sein werden?
Plöger: Ja, die Modelle zeigen, dass die Sommerniederschläge in Mecklenburg-Vorpommern und in Brandenburg um bis zu 30 % zurückgehen könnten. Hinzu kommt, dass sich extreme Trockenphasen häufen werden, die noch dazu vermutlich auch länger dauern als heute. Im Gegensatz dazu könnte es in Eifel, Fichtelgebirge, Schwarzwald oder anderen Mittelgebirgen im Winterjahr um bis zu 50 % mehr regnen als heute. Zunehmende lokale Überschwemmungen sind die Folge. Genug Schnee für den Wintersport wird es in den Mittelgebirgen dagegen kaum noch geben. Dafür haben wir an Nord- und Ostsee in Zukunft vielleicht eine längere Badesaison. Und in den Städten wird es zeitweise unerträglich heiß, was vor allem die älteren Menschen trifft.
Was muss passieren?
Plöger: Der Klimawandel kommt schleichend. Deshalb wird uns die Dimension des Problems nicht ausreichend bewusst: Wir emittieren zurzeit weltweit jedes Jahr 30 Mil-liarden Tonnen CO2. Viel zu viel. Wir brauchen daher einen langfristigen Energiewandel: Weg von Kohle, Erdöl und Erdgas hin zu den regenerativen Energien aus Wind, Sonne und Biomasse. Dafür müssten wir unsere Lebensweise in vielen Punkten ändern, und zwar weltweit. Das macht vielen Menschen verständlicherweise Angst.
Wie viel Zeit hat die Landwirtschaft noch, sich auf das „neue Wetter“ einzustellen?
Plöger: Wir müssen uns schon heute mit den Auswirkungen des Klimawandels beschäftigen, die wir nicht mehr ändern können. Das gilt auch für die Landwirtschaft. Wenn es zum Beispiel Regionen gibt, die in Zukunft häufiger von starken Hagelschlägen heimgesucht werden, müssen die Landwirte ihre Anbaupalette auf unempfindlichere Fruchtarten umstellen oder stärkere Schutzvorkehrungen treffen. Wenn es trockener oder nasser wird, müssen Produktionsverfahren und Fruchtfolgen in den betroffenen Regionen angepasst werden. Es gibt viele Ansatzpunkte. Forschung und Beratung sollten das Thema bereits heute angehen.-sp-