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„Man kann jeden Betrieb erfolgreich umstellen!“

Lesezeit: 6 Minuten

Jährlich kehren mehrere Hundert Öko-Betriebe zur konventionellen Wirtschaftsweise zurück. Dr. Karl Kempkens kennt die größten Klippen der Umstellung auf Öko-Landbau.


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Haben Sie die Ergebnisse des Thünen-Instituts zur Rückumstellung überrascht?


Kempkens: Nein, im Grunde nicht. Viele Rückumsteller sind ältere Landwirte im Nebenerwerb, ohne Bindung an einen Anbauverband und ohne inneren Bezug zum ökologischen Landbau. Von den verbandsgebundenen Haupterwerbsbetrieben denkt praktisch niemand ernsthaft über eine Rück- umstellung auf die konventionelle Bewirtschaftung nach.


Die Braunschweiger Forscher haben wirtschaftliche Gründe und Probleme mit den Richtlinien und Kontrollen als Hauptgründe für die Rückumstellung ausgemacht. Deckt sich das mit Ihren Erfahrungen?


Kempkens: Wirtschaftliche Gründe spielen meines Erachtens eine eher untergeordnete Rolle. Es ist verständlich, dass sich einige Betriebsleiter „großzügigere“ Richtlinien und Kontrollen wünschen. Aber strenge und klare Richtlinien und Kontrollen sind auch eine Stärke des Öko-Landbaus. Der Verbraucher zahlt für die Öko-Produkte einen höheren Preis. Er muss sich darauf verlassen können, dass die Auflagen eingehalten werden. Der aktuelle Skandal bei der Eierkennzeichnung macht noch einmal nachdrücklich deutlich, wie wichtig das ist.


Warum klappt die Umstellung bei vergleichbaren Betrieben mal gut und mal überhaupt nicht?


Kempkens: Die Umstellung ist kein Selbstläufer. Die betrieblichen Strukturen müssen passen. Darüber hinaus ist der Betriebsleiter gefordert. Er muss sehr flexibel sein und sich in Produktion und Vermarktung von bisherigen Denkweisen lösen.


Wie können sich Betrieb und Betriebsleiter professionell auf die Umstellung vorbereiten?


Kempkens: Am Anfang steht eine gründliche Bestandsaufnahme. Fast noch wichtiger ist eine ehrliche und selbstkritische Prüfung des Betriebsleiters und seiner Familie, ob alle für den Öko-Landbau „bereit“ sind. Die Landwirtschaftskammern und Öko-Verbände bieten dafür einen kostenlosen Betriebs­check an. Erst dann kommt die eigent­liche Umstellungsberatung.


Gibt es Betriebstypen und Betriebsleiter, denen Sie grundsätzlich von der Umstellung abraten?


Kempkens: Nein. Im Prinzip kann jeder Betrieb erfolgreich umstellen. Erst bei einem gründlichen Betriebscheck kristallisiert sich heraus, ob Betriebsleiter und Umstände so sind, dass man von einer Umstellung abraten muss.


Wie läuft die Planung vor der eigentlichen Umstellung ab?


Kempkens: Im Grunde gibt es drei Phasen. Phase 1 beginnt mit der Informationsbeschaffung und Beratung. Dann kommt Phase 2 mit der Entscheidung zur Umstellung. Dazu gehört auch, ob und welchem Anbauverband man beitreten will und an wen vermarktet werden soll. In Phase 3 wird ein Vertrag mit einer zugelassenen Kontrollstelle abgeschlossen. Damit beginnt die betriebliche Umstellung. Vom Zeitpunkt des Vertrags mit der Kontrollstelle ist auch abhängig, ab wann der Betrieb gefördert wird, wenn das Bundesland denn eine Öko-Förderung anbietet.


Lässt sich ein intensiv wirtschaftender Betrieb schwerer umstellen als ein extensiver?


Kempkens: Nein! Oft sind gerade die intensiv wirtschaftenden Betriebsleiter sehr fähige und umsichtige Persönlichkeiten, die den größtmöglichen Erfolg bei der Umstellung auf den Öko-Landbau gewährleisten.


Ist der Öko-Landbau beratungsintensiver als der konventionelle Anbau?


Kempkens: Ja. Vor allem in der Umstellung, weil die meisten Landwirte im Vorfeld nur wenig über den ökologischen Landbau wissen. In den konventionellen Berufs- und Fachschulen werden diese Lerninhalte leider kaum noch vermittelt.


Welche typischen Fehler führen bei der Umstellung regelmäßig zu Problemen?


Kempkens: Erstens zu wenig Vorkenntnisse. Einige Betriebsleiter sehen in erster Linie die höheren Erzeugerpreise und die Öko-Förderung und wissen nicht genau, worauf sie sich einlassen. Und zweitens eine nicht ausreichende Prüfung der Vermarktungsmöglichkeiten. Einfach drauflos zu produzieren und nicht zu wissen, wo man seine Produkte absetzen kann, funktioniert im Öko-Landbau nicht.


Viele Betriebsleiter beklagen praxisferne und unflexible Öko-Richtlinien. Besonders umstritten: die strikten Vorgaben für konventionelles Zukaufsfutter oder das drohende Verbot der Anbindehaltung bei Kühen. Zu Recht?


Kempkens: Haben Sie die Medien in letzter Zeit verfolgt? Da wurde doch genau das Gegenteil angeprangert. Viele Verbraucher waren enttäuscht, was im Öko-Landbau möglich ist.


Für mich ist klar: Auch die Öko-Richtlinien müssen kontinuierlich weiterentwickelt werden. D. h., bei jeder Aus­nahmeregelung wie z. B. dem Einsatz konventioneller Eiweißfuttermittel bei Geflügel muss geprüft werden, ob es funktionierende Alternativen im Öko-Bereich gibt. Strenge Kontrollen sind unabdingbar, um Öko-Produkte klar abzugrenzen. Das wird auch von der überwältigenden Mehrheit der Ökobetriebe so gefordert. Nur „ein bisschen Öko“ funktioniert nicht. Wo Öko draufsteht muss auch Öko drin sein! Es geht um Glaubwürdigkeit und Vertrauen.


Zunehmend strengere Richtlinien machen es angeblich immer schwieriger, erfolgreich umzustellen.


Kempkens: Ich kann nicht erkennen, dass die Richtlinien zunehmend strenger werden. Das viel größere Umstellungshemmnis ist doch der zu geringe Preisabstand von konventioneller und ökologischer Ware. Dadurch sinkt die wirtschaftliche Vorzüglichkeit des Öko-Landbaus.


Sind im Öko-Landbau künftig nur noch Gemischtbetriebe mit Ackerbau und Tierhaltung erwünscht?


Kempkens: Das wäre vielleicht eine wünschenswerte Idealvorstellung, deren Sinnhaftigkeit aufgrund von zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen belegt wurde. Aber sie geht natürlich an der Realität vorbei. Es werden auch weiterhin spezialisierte Betriebe umstellen. Sicherlich muss die Forschung zum ökologischen Landbau verstärkt daran arbeiten, Lösungen für Betriebe mit hohen Spezialisierungsgraden zu entwickeln.


Entwicklungswillige Öko-Betriebe sind noch stärker auf zusätzliche Flächen angewiesen als ihre konventionellen Berufskollegen. Welche Alternativen haben sie bei steigender Flächenknappheit?


Kempkens: Das ist in der Tat ein akutes Problem. Die steigenden Flächenpachten sind allerdings auch für viele konventionelle Betriebe problematisch. Eine Option ist die Intensivierung, Qualitätssteigerung und zusätzliche Wertschöpfung, etwa durch Aufnahme weiterer Verarbeitungsstufen. Damit steigen allerdings die Arbeitsbelastung und die Anforderungen an die Bertriebsorganisation noch weiter an.


Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Öko-Betriebe nur noch um gut zwei Prozent gewachsen. Dafür machen viele die hohen konventionellen Agrarpreise verantwortlich.


Kempkens: Natürlich spielen die guten konventionellen Preise eine entscheidende Rolle. Wer nicht ohnehin aus Überzeugung auf Öko-Landbau umstellt, tut dies vor allem aus wirtschaftlichen Gründen. Solange es konventionell gut läuft, fehlt der Handlungsdruck. Die Schere zwischen steigendem Bioabsatz und Erzeugung geht immer weiter auseinander. Die deutschen Bauern verlieren hier an Wertschöpfungspotenzial.


Die Förderung des Öko-Landbaus ist ein Flickenteppich. Einige Länder fördern die Einführung und Beibehaltung. Einige nur die Einführung. Andere fördern gar nicht. Wie wichtig ist die Förderung für den Erfolg der Umstellung?


Kempkens: Öko-Betriebe leisten einen wichtigen Beitrag für Umwelt-, Natur- und Tierschutz, der auch honoriert werden muss. Natürlich ist die Öko-Förderung auch ein wichtiger Faktor für die Wirtschaftlichkeit der Betriebe. Sie muss in erster Linie verlässlich sein. Dort wo die Politik die Förderung ausgesetzt hat, wurde der Öko-Landbau geschwächt. Es gab mehr Rückumsteller und die Zahl der Umsteller ging zurück.


Wird der Öko-Sektor weiter wachsen?


Kempkens: Die Nachfrage nach Öko-Produkten wird auch in den nächsten Jahren wachsen. Aber der Biomarkt wird sich weiter differenzieren und sich vor allem stärker regional ausrichten. Das verbessert die Perspektive für heimische Erzeuger und schützt auch vor Skandalen.


Was raten Sie interessierten Betrieben?


Kempkens: Machen Sie mit einem kompetenten unabhängigen Berater einen umfassenden Betriebscheck (www.bio-offenisve.de). Oder wenden Sie sich an eines der Öko-Beratungsteams der unterschiedlichen Organisationen.


Herzlichen Dank für das Gespräch.-sp-

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