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Mortellaro: Aggressiv, aber beherrschbar

Lesezeit: 7 Minuten

Was kann ich tun, damit die Mortellaro’sche Krankheit nicht zum Bestandsproblem wird? Das war nur eine von zahlreichen Fragen, die Milcherzeuger und Klauenpfleger beim Klauenseminar von Südplus am LVFZ in Achselschwang umtrieb.


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Wie muss ich beim ersten Mortellaro-Fall reagieren, um ein Bestandsproblem zu vermeiden?


Dr. Andrea Fiedler: Wer beim Klauenschnitt bei einem Tier die erste Läsion entdeckt und sie behandelt, bevor sie einen Durchmesser von 2 cm erreicht, ist auf einem guten Weg. So kann man chronische Fälle verhindern.


In unserem Stall achten wir auf ein konstant gutes Hygienemanagement. Trotzdem flammt die Krankheit immer wieder von Neuem auf. Warum?


Dr. Fiedler: Eine gute Stall- und Tierhygiene ist nur ein Faktor von vielen, der bei Mortellarosche Krankheit eine Rolle spielt. Genauso wichtig sind z.B. die Art der Haltung, die Futterqualität und auch das Wetter. Sie können gar nicht immer alle Faktoren konstant halten. Was Sie allerdings beeinflussen können, ist, dass das Tier so wenig Stress wie möglich hat und keine weiteren Erreger von außen eingeschleppt werden. Neben der Hygiene ist eine geschlossene Betriebsführung ein wichtiger Baustein zur Sanierung einer Herde nach dem sogenannten 5-Punkte-Plan (siehe top agrar 9/2016).


Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem Eiweißgehalt in der Fütterung und der Anfälligkeit für Mortellaro?


Prof. Johann Maierl: Eine Überversorgung mit Eiweiß bzw. Stickstoff wirkt sich vor allem über eine vermehrte Ausscheidung von Harnstoff negativ auf die Klauen aus. Denn durch Bakterien wird dieser Harnstoff zu Ammoniak umgesetzt. Dieser wiederum löst den Zwischenzellkitt zwischen den Hornzellen der Haut von außen auf, sodass ihre Stabilität leidet und die Anfälligkeit für die Mortellarosche Krankheit steigt. Deshalb ist Gülle in der Umgebung der Klauen extrem gefährlich. Auf der anderen Seite belastet zu viel Stickstoff in der Ration natürlich die Leber, sodass das Tier weitere Stressfaktoren nicht mehr so einfach abpuffern kann.


Wie groß ist die Gefahr, dass auch das Jungvieh im selben Stall infiziert wird?


Rainer Höfler: Groß. Diese Gefahr wird leider häufig unterschätzt. Jungrinder können schon mit drei Monaten an Mortellaro erkrankt sein! Ganz typisch ist, wenn solche Tiere auf den Klauenspitzen stehen oder die Tracht hinten verlängert ist. So weit sollte man es nicht kommen lassen und sie regelmäßig kontrollieren.


Gibt es eine einfache Regel, welche Therapie bei welchem Krankheitsstadium Sinn macht?


Dr. Fiedler: Bei leichten, oberflächlichen und napfartigen Veränderungen im Klauenspalt, dem sog. M1-Stadium, sind die Erreger vermutlich noch nicht tief eingedrungen. Hier reicht oft ein Antibiotika-haltiges Spray, zur Gesunderhaltung auch ein desinfizierendes Biozid. Bei M2 mit offenen Wunden, die kleiner als 2cm sind, sollte man ebenfalls ein antibiotisches Spray aufbringen und einen Verband anlegen. Sind die Wunden größer, hilft nur noch Novaderma-Creme plus Verband. Alternativ ist in solchen Fällen ein spezielles Pflaster möglich. Diese Therapie hilft auch bei den chronischen Stadien M4, die oft durch starke Horn- und Haarproduktion gekennzeichnet sind. Ganz typisch für chronische Infektionen ist auch eine verhärtete Oberhaut am Klauenspalt.


Darf man Novaderma-Creme zweimal kurz hintereinander anwenden?


Dr. Fiedler: Eine Kontrolle und Nachbehandlung, insbesondere bei größeren und chronischen Läsionen, ist unerläßlich. Vor allem am Kronsaum und im Fesselbereich sollten dann ein Antibiotika-haltiges Spray und ein Verband angewandt werden. Die umgebende Haut erholt sich, neue kann entstehen.


In welchen Fällen ist ein Mortellaro-Pflaster zu bevorzugen?


Dr. Fiedler: Grundsätzlich kann mit einem Pflaster ein gutes Ergebnis erzielt werden. Unter dem Pflaster kann gesundes Gewebe nachwachsen. Gute Heilungsergebnisse haben wir auch mit der Kombination antibiotisches Spray plus Pflaster erreicht. Wichtig ist allerdings, dass das Pflaster flach und gleichmäßig aufgeklebt wird. Das ist an der Klaue oft eine Herausforderung.


Woran erkenne ich ein gutes Spray?


Dr. Fiedler: Antibiotka-haltige Sprays gibt es nur vom Tierarzt. Von Vorteil sind Sprays, die man nur einmal anwenden muss und die schnell antrocknen. Lesen Sie aber unbedingt die Anwendungshinweise. Nicht geeignet sind Sprays für die Oberflächendesinfektion, die man vielfach im Landhandel findet. Sie bringen nichts und sind für Klauen auch nicht zugelassen.


Warum ist immer ein Verband ratsam?


Dr. Fiedler: Mit einem Verband sind die Heilungschancen nachweislich besser. Klar bedeuten Verbände zusätzlichen Aufwand. Aber der sinkt mit der Zeit. Wichtig ist allerdings, die Verbände nach einer Spray-Behandlung spätestens nach drei Tagen im Klauenstand abzumachen und die Heilung zu kontrollieren und zu dokumentieren. Nach dem Auftragen einer Novaderma-Creme sollte der Verband maximal fünf Tage drauf bleiben. Zudem ist generell wichtig, dass der Verband gut mit nicht-saugfähiger Watte unterpolstert wird und er sich nicht einschnüren kann.


Wie lange dauert die Wundheilung bei offenen Mortellaro-Läsionen, bei denen die Lederhaut verletzt ist?


Prof. Maierl: Das hängt unter anderem davon ab, welches Krankheitsstadium vorliegt. Bei relativ frischen, kleineren Läsionen dauert die Wundheilung etwa zehn bis 14 Tage, wenn erfolgreich behandelt wird. Bei chronischen Läsionen kommt oft zu extremen Wucherungen der Hornhaut. Damit versucht der Körper, Erreger abzuschieben. Diese „überschießende“ Reaktion muss erst beendet werden, ehe die Haut sich wieder schließen kann.


Bei welchem Krankheitsstadium lohnt sich keine Behandlung mehr?


Dr. Fiedler: Eine Behandlung lohnt sich immer. Denn man kann Hautläsionen wieder zur Abheilung bringen, auch wenn die Erreger im Tier und im Bestand lebenslang verbleiben. Wird frühzeitig und planvoll behandelt, lässt sich das Krankheitsgeschehen beherrschen. Eine Therapie ist schon allein deshalb geboten, weil die Erreger aggressiver werden und auch die hornbildende Lederhaut befallen können.


Wie lassen sich behandelte und chronisch erkrankte Tiere überwachen?


Dr. Fiedler: In Melkstandbetrieben kann man sich die Klauen dieser Tiere jeden Tag beim Melken anschauen. Hilfreich ist dabei ein kleiner Spiegel, mit dem man in den Zwischenklauenspalt sehen kann. In Roboterbetrieben empfiehlt es sich, die Tiere im Fressgitter zu fixieren und die Klauen mit einer Taschenlampe auszuleuchten. Stark verschmutzte Klauen sollte man vorher mit Wasser säubern.


Was können Klauenbäder ausrichten?


Dr. Fiedler: Registrierte Biozid-Produkte als Klauenbäder dringen nicht tief in die Haut ein und töten oberflächlich Bakterien ab. Diese Funktion ist erwünscht. In der Praxis ist aber leider häufig zu beobachten, dass Klauenbäder genutzt werden, um eine Denaturierung der geschädigten Haut offener Läsionen zu erreichen. So wird die Haut aber zerstört und ihre Barrierefunktion geschwächt. Versuche zeigen, dass die Zugfestigkeit des Horngewebes am Hornschuh durch Kupfersulfat- und Formalinbäder leidet.


Raten Sie zum Einsatz von Branntkalk?


Dr. Fiedler: Nein, Branntkalk ist brandgefährlich! Er wird bei Kontakt mit Wasser sehr heiß und hat schon so manchen Brand verursacht. Er reduziert zwar die Keimbelastung, wird aber aufgrund seiner hautschädigenden Wirkung und Hitzeentwicklung nicht zur Stalldesinfektion verkauft.


Wie beurteilen Sie Kalkstrohmatratzen, Desinfektionskalke oder Trockenbäder?


Dr. Fiedler: Bei Kalksstrohmatrazen mit fein gemahlenem Kalziumcarbo-nat und sehr geringen Anteilen an Kalziumhydrat sehe ich kein Problem. Bei den Trockenbädern bin ich skeptisch. Sie bilden auf nassen Klauen schnell Platten, unter denen die Haut sicher nicht besser wird. Eine Desinfektion durch gezieltes Sprühen kann das Risiko eines erneuten Ausbruchs der Krankheit signifikant verringern. In meinen Untersuchungen zeigten die Produkte 4Hooves, EasyStride und die Intra-Care-Wirkstoffe gute Ergebnisse.


Gibt es für Klauenbäder registrierte Biozide mit Formalin oder Kupfersulfat?


Dr. Fiedler: Kupfersulfat kann nicht als Biozid genutzt werden, solche Produkte enthalten allenfalls Kupfer- und Zinkchelate. Der Einsatz von Formalin als registriertes Biozid ist nur zu Hygienezwecken auf gesunder Haut möglich. Protokoll: Silvia Lehnert

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