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Pflegebedürftig? Auf das Gutachten kommt es an!

Lesezeit: 7 Minuten

Der Weg in die Pflege ist oft ein schleichender Prozess. Es beginnt mit kleinen Hilfestellungen, die im Alltag ohne weiteres machbar sind. Da muss der Schwiegervater zum Arzt begleitet werden, weil er im Moment nicht so gut zu Fuß ist. Oder die Mutter braucht Hilfe beim Haare waschen, weil die Schulter schmerzt und sie den Arm nicht mehr richtig heben kann. Doch mit der Zeit wachsen die kleinen Hilfen zu richtigen Pflegeaufgaben heran. Spätestens dann sollten Sie prüfen, ob Sie Unterstützung durch die landwirtschaftliche Pflegekasse erhalten können. Diese besteht entweder aus Sachleistungen, aus einem regelmäßigen Pflegegeld oder aus einer Kombination aus beiden Leistungen (siehe Übersicht). Laut Statistik werden 71% aller Anträge, die bei der landwirtschaftlichen Pflegeversicherung eingehen, positiv beschieden. Das heißt aber auch: In knapp 30 % aller Fälle wird der Antrag abgelehnt. Möglicher Grund: Der betreute Angehörige erfüllt noch nicht die Voraussetzungen für eine der drei Pflegestufen. In manchen Fällen führen aber auch Fehler im Antragsverfahren oder bei der medizinischen Begutachtung dazu, dass ein Antrag abgelehnt wird. Um Fehler zu vermeiden, sollten Sie wissen, wie das Antragsverfahren abläuft und welche Klippen dabei auftreten können. Den Antrag auf Pflegeleistungen erhalten Sie bei der landwirtschaftlichen Pflegekasse bzw. Krankenkasse. Der Antrag muss vom Pflegebedürftigen selbst gestellt werden. Sobald der Antrag bei der Pflegekasse eingegangen ist, beauftragt diese den Medizinischen Dienst (MDK), ein Gutachten zu erstellen und zu prüfen, ob die Voraussetzungen für Leistungen von der Pflegeversicherung erfüllt sind. Der Gutachter soll sich im Regelfall etwa vier bis sechs Wochen nach Antragstellung zu einem Hausbesuch anmelden. Er wird, soweit dies möglich ist, mit dem Pflegebedürftigen sprechen und vor allem prüfen, wie es um dessen Bewegungsfähigkeit bestellt ist. Aus diesen Vorort-Informationen wird eine Pflegestufe für den Antragsteller vorgeschlagen und das Gutachten der Pflegekasse übergeben. Die Kasse trifft dann ihre Entscheidung über den zu gewährenden Leistungsumfang. Manchmal tritt Pflegebedürftigkeit auch unverhofft ein, z. B. nach einem Schlaganfall. In solchen Fällen gibt es ein verkürztes Antragsverfahren. Denn bei schweren und bleibenden Beeinträchtigungen können solche Angehörige nur aus dem Krankenhaus entlassen werden, wenn die Versorgung und Pflege zuhause sichergestellt ist. In solchen Fällen sollte also der Antrag auf Pflegeleistungen sofort gestellt werden. Der betroffene Angehörige wird dann noch im Krankenhaus oder z. B. während einer stationären Reha-Maßnahme medizinisch begutachtet. Der Gesetzgeber schreibt vor, dass die Begutachtung dort unverzüglich, spätestens aber innerhalb einer Woche nach Eingang des Antrags bei der Pflegekasse durchzuführen ist. Führen Sie ein Pflegetagebuch! In allen übrigen Fällen findet die medizinische Begutachtung bei Ihnen zuhause auf dem Hof statt. Wichtig ist, dass sich sowohl der Pflegebedürftige als auch der Angehörige, der die Pflege überwiegend übernommen hat, gründlich auf den Gutachterbesuch vorbereiten. Dem Pflegebedürftigen sollte der Sinn und Zweck des Verfahrens erklärt werden, um ihm die Angst und die Scham vor dem Gutachterbesuch zu nehmen. Nicht selten passiert es, dass den Betroffenen ihre Situation vor dem fremden Gutachter peinlich ist und sie ihre Schwächen und Einschränkungen eher verharmlosen bzw. herunterspielen. Der Antrag wird dann eventuell abgelehnt, weil der Gutachter ein falsches Bild von der Pflegesituation erhält. In solchen Fällen sollten Sie den Pflegebedürftigen nicht allzu offen vor dem Gutachter korrigieren. Dies führt u. U. zu Diskussionen, die unangenehm werden können und dem Gutachter kein eindeutiges Bild vermitteln. Die bessere Lösung: Notieren Sie die wichtigsten Stichpunkte auf einem Zettel. Wenn der Gutachter dann das Gespräch mit dem Pflegebedürftigen beendet hat, bitten Sie ihn um ein Vier-Augen-Gespräch, in dem Sie ihm die Pflegesituation aus Ihrer Sicht schildern. Damit der Gutachter Ihre Angaben besser nachvollziehen kann, ist es unbedingt zu empfehlen, in der Zeit zwischen Antragsstellung und Gutachterbesuch ein genaues Pflegetagebuch zu führen. Dies sollte über mindestens ein bis zwei Wochen geschehen. Entsprechende Vordrucke gibt es bei Beratungsstellen und Verbraucherzentralen. In dem Pflegetagebuch wird die Art und die Dauer der geleisteten Pflege bis ins Detail festgehalten. Werden Sie bereits von einem Pflegedienst unterstützt, sollten Sie auch dessen Leistungen notieren. Blutdruck messen oder Medikamentenabgabe zählen allerdings nicht zur Pflege, sondern zur Krankenbehandlung. Der Gutachterbesuch bei Ihnen zuhause kann immer nur eine Momentaufnahme sein. Mit dem Pflegetagebuch geben Sie ihm die Möglichkeit, sich ein vollständiges Bild zu machen. Auf dieser Grundlage kann der Gutachter den tatsächlichen Pflegezeitbedarf besser einschätzen und es wird keine Pflegetätigkeit vergessen. Wichtig ist, dass auf Besonderheiten hingewiesen wird, die die Pflege erschweren, zum Beispiel Versteifungen der Gelenke, Ängste, Übergewicht oder eine besondere Schmerzempfindlichkeit. Hilfreich ist es, wenn diese Besonderheiten von dritter Seite, z. B. einem Arzt oder einer weiteren Pflegeperson, bestätigt werden können. Zeitbedarf ist oft ein Streitpunkt Der Zeitbedarf, den die Gutachter für einzelne Pflegetätigkeiten ansetzen, ist oft umstritten. Ein Angehöriger, der nicht als Pflegekraft ausgebildet ist, benötigt für die einzelnen Tätigkeiten häufig erheblich mehr Zeit, als in dem Gutachten vorgesehen ist. Nehmen Sie Ihr Pflegetagebuch und erklären Sie dem Gutachter, warum Sie länger brauchen, als es die vorgegebenen Pauschalzeiten vorsehen. Sollte bereits eine Sozialstation im Einsatz sein, bitten Sie einen Mitarbeiter zum Gespräch dazu. Er kann die Situation des Pflegebedürftigen als neutraler Dritter bestätigen. Dies ist bei den Gutachtern zwar nicht unbedingt beliebt, kann aber nicht abgelehnt werden. Auf der anderen Seite bringt es wenig, die Pflegesituation und die daraus resultierenden Belastungen zu dramatisieren. Die Gutachter beschäftigen sich jeden Tag mit Pflegebedürftigen und wissen um die Belastung für die Angehörigen und Pflegekräfte. Wichtig: Der Gutachter darf sein Pflegegutachten weder dem Pflegebedürftigen noch Ihnen als Angehörigen zeigen. Er ist verpflichtet, es direkt der Pflegekasse zuzuleiten. Dort können Sie das Gutachten anfordern. Manche Pflegekassen schicken es auch automatisch zu. Wann ist ein Widerspruch sinnvoll? Auf der Basis dieses Gutachtens entscheidet die Pflegekasse dann, ob der Pflegefall anerkannt wird und welche Leistungen gewährt werden. Darüber erhält der Antragssteller einen schriftlichen Bescheid. Daraus geht auch hervor, welche Pflegestufe festgelegt wurde. Sind Sie bzw. der Antragssteller mit dem Bescheid nicht einverstanden, können Sie dagegen Widerspruch einlegen. Die Frist beträgt einen Monat nach Zustellung des Bescheides. Hat die Pflegekasse vergessen, auf das Widerspruchsrecht hinzuweisen, bleibt der Bescheid ein Jahr lang anfechtbar. Über einen möglichen Widerspruch sollten Sie nachdenken, wenn das medizinische Gutachten aus Ihrer Sicht fehlerhaft ist und daraufhin z. B. jegliche Pflegeleistungen abgelehnt oder eine zu niedrige Pflegestufe festgelegt wurde. In diesem Fall werden Bescheid und Gutachten von der Pflegekasse intern noch einmal überprüft. Das heißt: Ein weiterer Gutachter des Medizinischen Dienstes wird das Gutachten lesen und es auf Plausibilität hin prüfen. Eventuell wird auch der Pflegebedürftige ein zweites Mal zuhause aufgesucht und neu begutachtet. Wird Ihrem Widerspruch trotzdem nicht stattgegeben, können Sie gegen die Entscheidung der Pflegekasse beim Sozialgericht klagen. Das Verfahren ist für den Kläger kostenlos. Verliert er jedoch, muss er seine Rechtsanwaltskosten selbst tragen. Das Problem: Ein Verfahren beim Sozialgericht kann sich schnell über zwei Jahre oder länger hinziehen. In diesem Zeitraum hat sich der gesundheitliche Zustand des Pflegebedürftigen häufig so verändert, dass die Ausgangssituation für das Verfahren nicht mehr überprüfbar ist. Ein Widerspruch ist deshalb nicht immer sinnvoll. Die Praxis zeigt, dass sich in manchen Fällen der Zustand des Pflegebedürftigen rapide verschlechtert, z. B. innerhalb weniger Tage oder Wochen. Dann kann es sinnvoll sein, gegen negative Bescheide der Pflegekasse nicht per Widerspruch und Sozialgericht vorzugehen, sondern einen völlig neuen Antrag zu stellen und ein zweites Gutachten anfertigen zu lassen. Einziger Nachteil: Die (höheren) Leistungen aus der Pflegeversicherung gibt es dann immer erst ab dem Tag der erneuten Antragstellung, und nicht rückwirkend, wie es bei einem erfolgreichen Widerspruchsverfahren der Fall wäre. Ein letzter Hinweis: Wenn Sie Fragen oder Probleme im Zusammenhang mit der Pflege und der Antragsstellung haben, sollten Sie sich gezielt beraten lassen. Hilfe gibt es u.a. bei den Fachkräften der Kreisbauernverbände, verschiedenen Beratungsbüros oder bei Sozialstationen. Diese können Ihnen auch sagen, ob und wann es sich lohnt, einen Antrag auf Pflegeleistungen zu stellen, und worauf Sie sonst noch achten sollten.

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