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Rumänien

Rumänien: Viel Land und wenig Geld

Zwischen Pferdegespann und 10 000-ha-Betrieb – nirgendwo in der EU sind die landwirtschaftlichen Gegensätze größer als in Rumänien.

Lesezeit: 7 Minuten

Zwischen Pferdegespann und 10 000-ha-Betrieb – nirgendwo in der EU sind die landwirtschaftlichen Gegensätze größer als in Rumänien. top agrar-Redakteur Klaus Dorsch über Probleme und Perspektiven des „schlafenden Agrarriesen“.


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Wer mit dem Auto durch Zentralrumänien fährt, fühlt sich in eine andere Zeit versetzt: Bauernfamilien fahren mit Pferde- oder Eselfuhrwerken zu ihren kleinparzellierten Feldern und ernten dort Maiskolben mit der Hand. Hirten treiben Kühe, Schafe oder Ziegen durch die Dorfstraßen auf die Gemeinschaftsweiden der Kommunen.


Rumänien, das Heimatland des neuen EU-Agrarkommissars, ist noch immer von Millionen von Kleinstbetrieben geprägt, die Landwirtschaft vor allem für die Eigenversorgung betreiben. Die zersplitterte Struktur entstand, als nach dem Zusammenbruch des Kommunismus die staatlichen und genossenschaftlichen Großbetriebe fast komplett aufgelöst wurden. Die neue Regierung gab das Land den ehemaligen Grundbesitzern oder ihren Erben zurück, allerdings nur bis zu einer Höchstgrenze von 10 ha. Auch die ehemaligen Mitarbeiter der Produktionsgenossenschaften, die zuvor keine Flächen besaßen, bekamen 0,5 ha Land zugeteilt.


Die zwei Gesichter


Daneben hat die rumänische Landwirtschaft noch ein zweites Gesicht. Vor allem in den Ebenen des Banats, der Walachei und der Moldau-Region dominieren Großbetriebe, von denen viele tausende Hektar und einige sogar zehntausende Hektar Land umfassen. Bereits jetzt verfügen 5 800 Betriebe in Rumänien über mehr als 250 ha. Sie bewirtschaften insgesamt 4,1 Mio. ha und damit mehr als 40 % der Fläche, für die in Rumänien Flächenprämien beantragt werden (s. Übersicht).


Dagegen spielen die mittelgroßen Betriebe mit 20 bis 100 ha in Rumänien nur eine untergeordnete Rolle. Die rund 24 000 Betriebe in dieser Größenklasse bewirtschaften gerade einmal 1 Mio. ha. Ihre Zahl hat zwar in den letzten Jahren auch zugenommen, aber der Trend geht nach Meinung vieler Beobachter klar zum Großbetrieb ab 500 bis 1 000 ha.


Die treibende Kraft hinter dieser Entwicklung sind vor allem Investoren aus dem Ausland, die in großem Stil Flächen kaufen oder pachten. „In Rumänien können – im Gegensatz zu vielen anderen osteuropäischen Ländern – juristische Personen auch dann landwirtschaftliche Flächen erwerben, wenn sie zu 100 % ausländischen Staatsbürgern gehören“, erläutert Rüdiger Heining, der als EU-Berater Aufbauhilfe im Bukarester Landwirtschaftsministerium leistet.


Zudem ist das Angebot an Flächen nach wie vor groß, weil viele Eigentümer ihre Grundstückstitel aus Kostengründen nicht im Grundbuch eingetragen haben. „Rumänische Immobiliendienstleister kaufen die Eigentumsrechte auf, bündeln sie zu größeren Flächenpaketen und vermitteln sie dann an internationale Makler oder Investoren weiter“, so Dirk Meier-Westhoff von der Agrarboden GmbH & Co. KG in Beckum (siehe Kasten „Jetzt in Rumänien investieren?“ auf Seite 16).


Massiver Kapitalmangel


Flächen werden zwar auch von inländischen Investoren erworben. Aber in diesen Fällen kommt das Geld meist von kapitalkräftigen außerlandwirtschaftlichen Anlegern. Denn in der rumänischen Landwirtschaft selbst herrscht ein massiver Kapitalmangel.


Hauptgrund: Die rumänischen Banken gewähren sehr restriktiv Kredite an landwirtschaftliche Betriebe, weil sie Land nicht als Sicherheit anerkennen. Zudem sind Kredite vergleichsweise teuer. Die Zinssätze betragen derzeit 6 bis 7 % für €-Kredite und 12 bis 14 % für Darlehen in Lei, der rumänischen Landeswährung.


Der schwierige Zugang zu Krediten schneidet viele wachstumswillige Betriebe auch von der Investitionsförderung ab, weil sie die Mittel für die Kofinanzierung nicht aufbringen können. Hinzu kommt, dass das Antragsverfahren extrem bürokratisch ist. Dabei sind in den Beitrittsländern die Fördersätze im Rahmen des ELER-Programmes eigentlich sehr attraktiv. Bis Ende 2009 wird ein Zuschuss von 50 % gewährt, ab 2010 sind es immerhin noch 40 %.


Folge: Die Investitionsförderung konzentriert sich auf wenige, meist größere Betriebe, von denen einige die Förderung innerhalb weniger Jahre mehrmals hintereinander in Anspruch nehmen. Die übrigen Betriebe gehen komplett leer aus, weil die rumänische Regierung kein zusätzliches Zinsverbilligungsprogramm für kleinere Maßnahmen anbietet.


Erschwerend kommt für die liquiditätsschwachen Betriebe hinzu, dass auch der rumänische Staat extrem knapp bei Kasse ist und die Prämien zeitversetzt oder nur teilweise auszahlt. So bekamen die Bauern die EU-Flächenprämie für 2008 (derzeit rund 120 €/ha) erst im Sommer 2009 überwiesen.


Sehr niedrige Hektarerträge


Der Kapitalmangel führt zu einer geringen Intensität im Pflanzenbau. So düngen z. B. die Betriebe im zentralrumänischen Landkreis Mures im Schnitt nur 30 kg Stickstoff pro ha. Dementsprechend niedrig ist das durchschnittliche Ertragsniveau. Laut statistischem Jahrbuch ernteten die rumänischen Bauern in den letzten Jahren pro Hektar nur zwischen 25 bis 30 dt Weizen, 30 bis 45 dt Körnermais, 15 dt Sonnenblumen und Raps und 140 dt Kartoffeln. In Trockenjahren wie 2007 liegen die Erträge sogar noch wesentlich darunter. Weizen brachte vor zwei Jahren nur 15 dt/ha und und Raps 10 dt/ha.


Dass in den meisten Böden mehr Potenzial steckt, zeigen die Ergebnisse von intensiv wirtschaftenden Betrieben. „Landwirte mit guter Produktionstechnik erreichen Hektarerträge von 60 bis 70 dt bei Weizen, 100 dt bei Körnermais und 35 dt bei Raps“, so Liviu Timar, Direktor des Landwirtschaftamtes Tirgu Mures.


Noch gravierender als im Marktfruchtbau wirkt sich der Geldmangel in der Veredlung aus. Immer noch halten die Selbstversorger in ihren Kleinstbeständen zwei Drittel der Kühe und einen Großteil der Schweine in Rumänien. Die Tierzahlen in diesen Betrieben sind zwar rückläufig. Aber im Gegenzug gelingt es nur sehr begrenzt, wettbewerbsfähige Strukturen in der Milchvieh- und Schwei-nehaltung aufzubauen.


Einige Betriebe, die über Kapital verfügen und auch bei der Förderung zum Zug kommen, sind in den letzten Jahren zwar durchgestartet und haben innerhalb weniger Jahre Bestandsgrößen entwickelt, die auch im EU-Vergleich gut mithalten können. Den meisten Betrieben fehlt aber das Geld, um neue Ställe zu bauen.


Um sich die Rohstoffbasis zu sichern, stellen seit einiger Zeit auch Schlachthöfe und Molkereien ihren Lieferanten Kapital und Know-how zur Verfügung.


So betreibt der US-Konzern Smithfield, der in Rumänien fast ein Viertel aller klassifizierten Schweine schlachtet, nicht nur eigene Produktionsanlagen, sondern bietet interessierten Landwirten auch die Lohnmast an. Dabei finanziert das Unternehmen den Landwirten die Mastställe und stellt auch die Ferkel und das Futter zur Verfügung.


Mehrere Molkereien bauen Milchviehhaltern Modulställe für Kühe. Die Milcherzeuger zahlen die Investitionskosten in Form von Milchlieferungen zurück.


Die zur deutschen Hochland-Gruppe gehörende Molkerei Hochland Romania hat für Lieferanten bis 2013 ein ausgereiftes Unterstützungsprogramm aufgelegt. So berät sie wachstumswillige Landwirte beim Erstellen von Businessplänen, die diese für die Investitionsförderung benötigen. Zudem gewährt sie Kofinanzierung bei der Herdenaufstockung und bei Stallbau- und Technikinvestitionen. Daneben bietet die Molkerei kostenlos produktionstechnische und betriebswirtschaftliche Beratung an, um die Leistung zu steigern und die Milchqualität zu verbessern.


Trotz aller Bemühungen ist nicht zu erwarten, dass die Veredlung in den nächsten Jahren flächendeckend voran kommt. Der Milchproduktion droht sogar ein Einbruch. Denn die Schonfrist für die vielen Milchlieferanten an Molkereien, die die EU-Qualitätsvorschriften nicht erfüllen, wird vermutlich Ende 2011 auslaufen. Zudem wird die rumänische Regierung die Prämie von rund 7 ct/kg für Qualitätsmilch 2009 auslaufen lassen.


„Eine Zukunftsstrategie für den Aufbau einer wettbewerbsfähigen Milchproduktion oder Schweineproduktion seitens der Regierung wäre dringend erforderlich“, so Dr. Mircea Roman, Geschäftsführer der Besamungsstation Semtest-BVN in Tirgu Mures. Aber angesichts der fehlenden Finanzkraft ist diese Option leider vorerst wenig realistisch.

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