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Vorkontrakte: Sorgen Sie für faire Spielregeln!

Lesezeit: 5 Minuten

Bald stehen die Verhandlungen für die Vorkontrakte der Ernte 2019 an. Rechtsanwalt Götz Gärtner aus Helmstedt zeigt auf, was man aus dem Dürrejahr 2018 lernen kann.


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Dass Vorkontrakte Betriebe gehörig unter Zugzwang setzen können, hat das Dürrejahr 2018 deutlich gezeigt: Viele Landwirte hatten Mühe, die vereinbarten Mengen zu erfüllen, manche konnten nicht liefern und sahen sich gezwungen, Deckungskäufe zu finanzieren oder teure Agreements mit dem Handel einzugehen. Die Hoffnung, dass Wetterkatastrophen wie die Dürre als „höhere Gewalt“ gelten, und damit die Lieferpflicht entfällt, stellte sich oft als Irrtum heraus. Zwar sehen sowohl die Einheitsbedingungen des Getreidehandels (EHB) höhere Gewalt vor, wie auch die RUCIP (Rules & Practices of the Inter-European Trade in Potatoes) und Berliner Vereinbarungen für Kartoffeln. Doch selbst die offizielle Einordnung der Dürre als „Wetterereignis nationalen Ausmaßes“ führte unseres Wissens nicht dazu, dass für Landwirte die Lieferpflicht entfiel. Händler argumentieren:


  • Kontrakte, in denen nichts weiter vermerkt ist, bezögen sich nicht genau auf die Erträge von den Feldern des betroffenen Landwirts (beschränkte Gattungsschuld), sondern auf das Produkt im Allgemeinen (Gattungsschuld). Solange also noch irgendwo z.B. Getreide verfügbar ist, müsse der Landwirt dieses kaufen und liefern. Ein Fall von höherer Gewalt trete erst ein, wenn nirgendwo mehr Getreide zu bekommen sei.
  • Meist seien vorkontraktierte Mengen in der Erntezeit längst weiterverkauft, der Handel stehe selbst in der Pflicht.
  • Könne ein Landwirt nicht liefern, werde z.B. die Menge gegen Preisabschlag in das nächste Jahr verschoben.
  • Regeln wie die EHB gelten über alle Vermarktungsstufen.


Landwirte sehen die Dinge anders:


  • Wer per Vorkontrakt verkauft, meint dabei selbst produzierte Produkte (beschränkte Gattungsschuld). Ist auf den Feldern aufgrund von z.B. Dürre zu wenig gewachsen, ist das höhere Gewalt.
  • Landwirte haben nur wenig Vorteile von den Einheitsbedingungen, die ein Vertragswerk für Geschäfte zwischen Händlern darstellen. Rechtlich herrscht aber Vertragsfreiheit und für den Produktverkauf würde das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) ausreichen.
  • Landwirte sind oft überfordert, als Vollkaufleute zu handeln, dazu fehlt Ihnen die Zeit, das Wissen und auch der tägliche Umgang mit der Materie.


Selbst Juristen fällt es schwer einzuordnen, ob die Dürre des Jahres 2018 rechtlich als „höhere Gewalt“ gilt. Das liegt vor allem daran, dass die Rechtsprechung durch „normale“ Gerichte fehlt. Über Streitfälle entscheiden Schiedsgerichte des Handels, wie es die EHB für Getreide und auch die RUCIP oder Berliner Vereinbarungen für Kartoffeln festlegen. Diese Schiedsgerichte sind überwiegend mit Handelsvertretern besetzt und veröffentlichen kaum Entscheidungen. Die Folge: Entscheidungen, an denen man sich orientieren könnte, sind mehr als rar.


Selten auf Augenhöhe:

Angesichts der zusätzlichen Handelsbedingungen und der Marktmacht des Handels ist es für den einzelnen Landwirt schwer, gleichberechtigte Vertragsverhandlungen zu führen, um z.B. das Risiko von wetterbedingten Missernten oder Zahlungsausfällen zu begrenzen. Machen Sie sich als Betriebsleiter aber klar, dass es hier um viel Geld geht. Künftig ist zudem durch den Klimawandel damit zu rechnen, dass das Risiko für Ausfälle weiter steigt. Überlassen Sie Vertragsgestaltung und Entscheidung über Problemfälle also nicht vollständig dem Handel!


Kontrakt verhandeln:

Hier einige Ansatzpunkte, wie Sie Ihre Interessen einbringen können:


  • Studieren Sie vor Vertragsabschluss die AGB des Handels. Verhandeln Sie Änderungen, z.B. pauschale Abschläge von Trocknungs- und Lagerungskosten. Bei den Qualitäten wie z.B. beim Hektolitergewicht sollte Ihr Händler bereit sein, eine Spanne festzulegen. Schreiben Sie fest, ab welcher Abweichung sich der Preis wie ändert.
  • Halten Sie Kontakt zum Händler: Reagieren Sie sofort, wenn z.B. ein Fax eintrifft und Sie nicht einverstanden sind. Ist abzusehen, dass z.B. Trockenheit zu Lieferschwierigkeiten führt, teilen Sie das umgehend schriftlich mit.
  • Wenn Sie vereinbaren, dass Sie nur selbsterzeugte Produkte liefern müssen (beschränkte Gattungsschuld), haben Sie bessere Argumente für den Fall einer Missernte. Vielleicht lässt sich der Händler auch auf ein konkretes „elementares Ereignis“ ein, das Sie im Notfall von der Lieferpflicht freistellt.
  • Gemäß EHB muss der Landwirt das Geld einen Tag nach Warenübergabe bekommen. Will Ihr Händler trotzdem eine Zahlungsfrist, verhandeln Sie Abschläge. Die Praxis zeigt, dass 90% drin sind. Lassen Sie sich aber auf Zahlungsfristen ein, ist zur Absicherung der Ware ratsam, den Eigentumsvorbehalt (§42 der EHB) anzupassen.
  • Damit Juristen einschätzen können, welche Wetterextreme als „höhere Gewalt“ gelten, müssen mehr Entscheidungen „normaler“ Gerichte her. Das lässt sich erreichen, wenn Sie die Schiedsgerichtsvereinbarung nach §1 der EHB streichen. Zwar beteuert der Handel, dass Landwirte vor dem Schiedsgericht keinen Rechtsverlust erleiden. Trotzdem sind Ort und Umgebung dem Handel näher als dem Landwirt und auch die Kosten keinesfalls stets geringer als bei anderen Gerichten.


Versicherungen prüfen:

Um Händler-Insolvenzen abzusichern, können Sie bei großen Summen eine Hermes-Ausfallversicherung prüfen. Weigern sich Versicherungen, das Risiko zu übernehmen, kann das bereits ein Anzeichen für fehlende Zahlungsfähigkeit sein.


Um wirtschaftliche Folgen von Dürre, Sturm, Hochwasser, Früh- und Spätfrösten abzusichern, gibt es zum Teil auch Versicherungen ähnlich der Hagelversicherung.


Kontakt: gesa.harms@topagrar.com

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