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CSU-Abgeordneter Albert Deß sorgt für Eklat im EU-Parlament

Die Aussprache im Agrarausschuss des EU-Parlaments über den Bericht des Rechnungshofes zum „Greening“ endete mit einem Eklat: Albert Deß (CSU) bescheinigte den Autoren für die Studie zum Greening „fehlende Sachkompetenz“ und lehnte es ab, auf die Argumente des Berichtes einzugehen. Dann verließ er den Sitzungsraum.

Lesezeit: 6 Minuten

Die Aussprache im Agrarausschuss des Europäischen Parlaments (EP) über den Bericht des Europäischen Rechnungshofes (EuRH) zum „Greening“ endete in dieser Woche in Brüssel mit einem Eklat: Der agrarpolitische Sprecher der größten Fraktion im EU-Parlament der Europäischen Volksparteien (EVP), Albert Deß (CSU), bescheinigte den EuRH-Autoren für die im Dezember 2017 vorgelegten Studie zum Greening „fehlende Sachkompetenz“ und lehnte es ab, auf die Argumente des Berichtes einzugehen. Wenig später verließ er den Sitzungsraum vorzeitig.


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Der EP-Agrarausschuss-Vorsitzende Czeslaw Adam Siekierski versuchte die Wogen zu glätten und versicherte am Ende der Sitzung, dass der EU-Rechnungshof auch in Zukunft jederzeit willkommen sei im Ausschuss. Der grüne Europaabgeordnete Martin Häusling entschuldigte sich für das Verhalten des CSU-Abgeordneten. Der Europäische Bauernpräsident Joachim Rukwied lud den Europäischen Rechnungshof ein, um sich in Deutschland vor Ort ein realistisches Bild von den tatsächlichen Umweltmaßnahmen der Landwirte zu machen und stuft Deß-Äußerungen als undiplomatisch ein.


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Albert Deß trug seine knapp vierminütige Erklärung im Agrarausschuss gewohnt sachlich und völlig unaufgeregt vor: „Wenn ich diesen Bericht durchlese, sehe ich, dass anscheinend im Europäischen Rechnungshof wenig Sachverstand vorhanden ist“. Es werde nicht berücksichtigt, dass in Deutschland bereits ein Drittel der Agrarflächen in freiwillige Agrar-Umweltmaßnahmen einbezogen seien. Dann wartete Deß mit Zahlen auf. So seien 20.000 Hektar für Rand- und Blühstreifen reserviert, 207.000 Hektar als Brachland ausgewiesen, 174.000 Hektar unter stickstoffbindenden Pflanzen bestellt und 927.000 Hektar mit Zwischenfrüchten bepflanzt. Weitere 31.000 Hektar seine Landschaftsschutzflächen vorbehalten.


„Vor allem ärgert mich, wie der Rechnungshof die Zwischenfrüchte bewertet“, fuhr der CSU-Landwirt fort und zeigte die bäuerliche Wirklichkeit seines eigenen Betriebes auf. „In unserem eigenen Betrieb mit nur 40 Hektar, den mein Sohn bewirtschaftet, sind Zwischenfrüchte bereits vor dem Greening im Herbst abgeerntet worden und in der Biogasanlage gelandet“. Jetzt blieben die Zwischenfrüchte über den Winter stehen, würden im Frühjahr gepflügt mit dem Nachteil, dass dies im Frühjahr zu Mindererträgen führe. „All dies haben Sie in Ihrem Bericht nicht berücksichtigt, deshalb kann ich diesem Bericht keine Sachkompetenz zumessen“.

 

Nach dieser sachlichen Darstellung ließ sich Dess noch zu einer persönlichen - von vielen Parlamentskollegen als „unsachlich“ eingestufte Bemerkung - folgen. Er griff den Verfasser des Rechnungshofberichtes, Samo Jereb, der den 90seitigen Bericht zuvor den EU-Abgeordneten erläutert hatte, frontal an: „Sie sagen nun, die Greening-Zahlungen der EU sollten nur Landwirte erhalten, wenn sie bestimmte Auflagen erhalten“. Und fuhr mit einer Attacke gegenüber dem Europäischen Rechnungshof fort, die Freund und Feind unter den EU-Abgeordneten gleichermaßen verblüffte:


„Genauso könnte ich sagen, nur Mitarbeiter des Europäischen Rechnungshofes sollten Gehalt bekommen, wenn sie über Sachverstand verfügen. In diesem Bericht vermisse ich Sachverstand und deshalb möchte ich auch gar nicht weiter darauf eingehen“, schloss Deß seine Ausführungen und setzte die Übersetzungskopfhörer auf bevor er wenig später den Sitzungssaal gänzlich verließ.

 

Der polnische Auschussvorsitzende Siekierski zeigte sich zunächst nicht betroffen von den Äußerungen des EVP-Abgeordneten. Aufhorchen ließ allerdings zu Beginn der Sitzung seine Bemerkung schon bei der Begrüßung des Rechnungshofmitgliedes, er sei gespannt auf die Wortmeldung des Abgeordneten Albert Deß zum Rechnungshofbericht. Offenbar hatte Deß seine von vielen Abgeordnetenkollegen als unangemessene Kritik empfundene Wortwahl gegenüber dem Agrarausschussvorsitzenden vorher angekündigt.

 

EU-Rechnungshof bemängelt Milliardenverschwendung und Mitnahmeeffekte


Der Europäische Rechnungshof bewertet das nach der GAP-Reform des Jahres 2013 eingeführte Greening-Instrument als „Milliardenverschwendung“ und kritisiert die Mitnahmeeffekte der Direktzahlungen der Landwirte, ohne dafür messbare Umweltleistungen erbracht worden seien. Die EU hat seit 2014 jährlich zwölf Milliarden Euro für Greening verausgabt, was 30 Prozent der gesamten Direktzahlungen an die europäischen Landwirte ausmacht.

 

Während EU-Agrarkommissar Phil Hogan den Rechnungshofbericht ernst nimmt und aufgrund der geäußerten Kritik bereits angekündigt hat, Direktzahlungen auf einen Zielansatz umzustellen und dabei auf das Greening in der heutigen Form zu verzichten, verurteilte Deß den EuRH-Befund in der Agrarausschuss-Diskussion in Bausch und Bogen. Als agrarpolitischer Sprecher der stärksten im Europäischen Parlament vertretenen Parteienfamilie - der Europäischen Volksparteien (EVP) - muß Albert Deß sich nicht nur vom politischen Widersacher, wie den Grünen derweil Kritik gefallen lassen. Der agrarpolitische Sprecher der Grünen, Martin Häusling, entschuldigte sich in Abwesenheit von Deß im Ausschuss beim EuRH-Repräsentanten für die unangebrachten Ausführungen verschiedener EU-Abgeordneter. Auch aus den eigenen Reihen schlägt Deß Unverständnis für seine Ausführungen im EU-Parlament entgegen.

 

Der polnische EP-Agrarausschussvorsitzende und promovierte Agrarwissenschaftler Siekierski versuchte das sichtlich indignierte Rechnungshof-Direktoriumsmitglied Samo Jereb zum Ende der Sitzung mit versöhnlichen Tönen zu verabschieden: „Seien Sie versichert, dass der Europäische Rechnungshof auch in Zukunft jederzeit im Agrarausschuss willkommen ist“. Gleichzeitig regte er an, einen regelmäßigen Austausch zwischen dem Rechnungshof und den Obleuten der Fraktionen im Europäischen Parlament etablieren zu wollen. Siekierski versuchte so seinen EVP-Kollegen Deß vor dem höchsten Gremium der europäische Haushaltsmittelkontrollbehörde, dem Europäischen Rechnungshof, zu entschuldigen.

 

Bauernpräsident Rukwied vermißt Praxisbezug des Greening-Reports


Der Präsident der Dachorganisation der Europäischen Landwirte (Copa), Joachim Rukwied, empfindet die Wortwahl des deutschen Europaabgeordneten als undiplomatisch, teilt jedoch die grundsätzliche Kritik am EuRH-Bericht und die mangelnde Praxisnähe des Greening-Berichtes. „Ich bin ein praktizierender Landwirt und fahre daher deshalb mit offen Augen als Landwirt durch die Gegend. Wenn ich die heutige Bewirtschaftung mit der Praxis von vor zehn Jahren vergleiche, dann stelle ich fest, dass wir zum Beispiel einen viel höheren Anteil an Zwischenfruchtflächen haben. Wir haben weiterhin einen deutlichen Zuwachs an Eiweißpflanzen, deren Anteil sich fast verdreifacht hat“. Das bringe mehr Biodiversität mit sich. „Wir haben ebenso unsere Bodenbearbeitung verändert und „precision farming“ ist mehr und mehr angesagt. Insofern haben wir durch die Brille des Landwirtes Vieles positiv bewegt. Ich sehe dies auch anders in der täglichen bäuerlichen Praxis, als im EuRH-Bericht konstatiert“.

 

Auf die Frage von top agrar, ob es dem Europäischen Rechnungshof an Sachverstand mangele, wie vom agrarpolitischen EVP-Sprecher vorgebracht, antwortet Rukwied: „So will ich das nicht sagen. Ich kann nur die Empfehlung aussprechen, sich vor Ort die Situation in den bäuerlichen Betrieben genau anzusehen und sich ein Bild vor Ort zu machen, dann gelangen Sie zu anderen Erkenntnissen“. Als Geste des guten Willens bot Rukwied eine Einladung an den Europäischen Rechnungshof an, sich in Deutschland vor Ort mal umzusehen. „Da sind wir mit einer Einladung, sich in der Praxis mal umzusehen, was sich wirklich verändert hat, gerne dabei“, versicherte Rukwied gegenüber top agrar.

 

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