Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

topplus Kommentar

Die Lehren aus dem Volksbegehren Artenvielfalt in Bayern

Über 1,7 Millionen Wähler, 18,4 % der Wahlberechtigten, haben sich in Bayern für ein strengeres Naturschutzgesetz stark gemacht – obwohl sich die Landesregierung, der Bauernverband und andere Organisationen mit guten Gründen dagegen positioniert haben. Ein Kommentar von top agrar-Chefredakteur Dr. Ludger Schulze Pals.

Lesezeit: 5 Minuten

Die hohe Teilnehmerzahl bei der Volksabstimmung zum Artenschutz in Bayern ist kein Betriebsunfall. 1,7 Millionen Wähler, 18,4 % der Wahlberechtigten, haben sich für ein strengeres Naturschutzgesetz stark gemacht. In Nordrhein-Westfalen prüft der Naturschutzbund bereits eine ähnliche Aktion. Und auch beim Tierschutz übernehmen die Gerichte immer stärker die inhaltliche Ausgestaltung.

Dafür steht das Magdeburger Kastenstandurteil und möglicherweise bald auch die Normenkontrollklage des Landes Berlin beim Bundesverfassungsgericht. Es droht ein weiteres problematisches Urteil: Berlin will von den Karlsruher Richtern wissen, ob die geltenden Vorgaben der Tierschutznutztierhaltungsverordnung für die Haltung von Schweinen das Verfassungsziel Tierschutz hinreichend berücksichtigen. Hinzu kommt, dass der mächtige Lebensmittelhandel längst bestimmt, nach welchen Standards die Lebensmittel produziert werden.

Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Die verantwortlichen Agrarpolitiker in Europa, im Bund und in den Ländern laufen der Entwicklung hechelnd hinterher. Das zeigen die fast schon verzweifelten Bemühungen faire Handelsbedingungen in der Wertschöpfungskette zu verordnen oder die langanhaltenden Geburtswehen des Staatlichen Tierwohllabels.

Agrarpolitik vor der Zeitenwende?

Die Anzeichen verdichten sich immer mehr, dass die bisherigen Taktgeber und Entscheidungsträger, die Bauernverbände und Agrarpolitiker, es immer weniger schaffen, die Zukunft der Landwirtschaft zu gestalten – zumindest nicht allein. Vieles spricht dafür, dass wir gegenwärtig in der Agrarpolitik eine Zeitenwende erleben. Geschichte könnte sich wiederholen. Ende der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts hat die Politik dem Umweltschutz zu wenig Bedeutung zugemessen. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung suchte sich außerparlamentarische Wege, Druck auf die Politik auszuüben, sich zu bewegen. Das war die Geburtsstunde der Grünen, die sich im Januar 1980 gründeten.

Ist die Situation aktuell so viel anders? Viele Bürger haben heute eine andere Einstellung zum Tier. Die allermeisten werden auch in Zukunft nicht auf Fleisch verzichten, aber sie wollen, dass es den Tieren bis zur Schlachtung gut geht. Darüber hinaus ist gesunde Ernährung für viele Verbraucher ein Megathema. Und die Sorgen über den Zustand von Natur und Umwelt treibt die Menschen um, sonst hätte sie das Volksbegehren der ÖDP nicht in so großer Zahl an die Wahlurnen gezogen.

Die Landwirte befürchten zurecht, dass sie bei diesen Veränderungen unter die Räder kommen. Höhere Umwelt-, Tier- und Verbraucherschutzstandards kosten Geld. Wer trägt diese Kosten: Die Steuerzahler, die Verbraucher oder am Ende doch die Bauern?

Was jetzt in Bayern passieren wird, ist vorhersehbar: Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder muss ein ambitioniertes neues Naturschutzgesetz als Alternativentwurf vorlegen, sonst wird er den Volksentscheid verlieren. Gleichzeitig wird er versuchen, die Bauern mit mehr Geld für Agrarumweltmaßnahmen und Vertragsnaturschutz zu besänftigen. Das mag in Bayern gelingen. Andere Bundesländer oder die Bundesregierung sind künftig vielleicht weniger freundlich zu den Bauern und verschärfen nur das Ordnungsrecht.

Berufsstand muss raus aus der Dauerkonfrontation

Was heißt das für die Arbeit des Berufsstandes? Es ist Zeit für radikalen Kurswechsel. Die Bauernverbände müssen endlich raus aus der Dauerkonfrontation mit den Tier- und Umweltschutzverbänden und Teilen der Politik. Sie müssen offensiv und aktiv vertrauensvolle und verlässliche Gesprächsebenen mit den NGO, den Grünen und all den anderen Kritikern aufbauen. Das ist in den vergangenen Jahren sträflich vernachlässigt worden und rächt sich jetzt.

Ziel muss es, dass die Landwirte und ihre heutigen Kritiker die Zukunft der Landwirtschaft gemeinsam gestalten. Ganz sicher hätte das Volksbegehren der ÖDP in Bayern inhaltlich anders ausgesehen, wenn es gemeinsam mit dem Bauernverband entwickelt worden wäre.

Wenn die Bauern auf die NGO zugehen und Kompromisse anbieten, dann dürfen, dann müssen sie gleiches auch von den Umwelt- und Tierschutzverbänden erwarten. Nicht erfüllbare oder existenzgefährdende Maßnahmen oder billiges Bauern-Bashing müssen dann tabu sein. Vor allem muss das Kernproblem: „Wer bezahlt das alles?“ gemeinsam angepackt werden. Wer gemeinsam Verantwortung übernimmt, der wird sich hüten, überzogene Forderungen zu stellen. Ein Blick über die deutschen Grenzen hinaus zeigt, dass die Österreicher, Niederländer und Skandinavier besser hinbekommen. Warum eigentlich?

Aber es gibt auch gute Nachrichten: In Teilen hat sich der Berufsstand schon auf diesen Weg gemacht. Die Initiative „Offensive Nachhaltigkeit“ des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes und die „10 Thesen zur Zukunft der Landwirtschaft 2030“ der DLG sind dafür ermutigende Beispiele. Es ist jetzt höchste Zeit, dass sich der gesamte Berufsstand nachdrücklich und nachhaltig auf diesen Weg begibt.

Was ist die Alternative?

Ich weiß, dass mein Vorschlag für viele schwer verdaulich ist. Und es wird auch Rückschläge geben. Die Kritiker, die diesen Weg für einen Pakt mit dem Teufel halten, müssen sich aber fragen lassen, welches Rezept sie für die Zukunft der Landwirtschaft in Deutschland haben? Die Politik wird die Bauern immer weniger auch vor überzogenen Forderungen der Gesellschaft schützen. Regierungen und Parlamente können sich nicht auf Dauer gegen gesellschaftliche Trends stellen. Die Bauern brauchen daher neue Verbündete – und zwar dringend.

Hinweis: Die top agrar-Ausgabe 3/2019, die am 20. Februar erscheint, befasst sich schwerpunktmäßig mit der „Macht des Handels“ und geht der Frage nach „Insektensterben: Was tun?“.

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.