Seit Jahren schon sollen Behörden in Europa Hinweise ignorieren, dass Biokontrollstellen bei Öko-Lebensmitteln pfuschen. Laut Recherchen der Tageszeitung taz sollen etwa die äthiopischen Niederlassungen der Ökokontrollstellen Kiwa BCS und Control Union hunderten Tonnen Kaffee trotz Verstößen gegen wichtige Ökovorschriften das Bio-Siegel gegeben haben. Doch statt die Vorwürfe vor Ort zu überprüfen, würden die Behörden weitgehend untätig bleiben, heißt es.
Eine der vielen Beschwerde in letzter Zeit habe Agraringenieur Albrecht Benzing geschrieben. Er ist Ko-Chef der bayerischen Biokontrollstelle Ceres. Sie hat die betroffenen Betriebe kontrolliert, als diese von BCS zu Ceres wechselten. Viele Mitglieder einer namentlich genannten Erzeugergemeinschaft in Äthiopien hätten von BCS das Bio-Siegel bekommen, ohne jemals inspiziert geworden zu sein, schrieb Benzing schon am 14. Januar 2013 an EU-Kommission und deutsche Aufsichtsinstitutionen.
Obwohl der Organisation damals rund 27.000 Bauern angehört hätten, sei kein Verstoß entdeckt worden. „Die Kontrolleure sind nicht kompetent genug oder darin geschult, Verstöße zu finden und aufzuzeichnen“, so der Kritiker. Da sich die Ware nicht zu den Erzeugern zurückverfolgen lasse, „kann nicht garantiert werden, dass der Kaffee, der als ‚bio‘ exportiert wird, tatsächlich von den Mitgliedshöfen kommt“, heißt es in den Beschwerden über die Lage im Jahr 2012. All das zeigten interne Unterlagen des Unternehmens.
Laut EU-Ökoverordnung Nummer 834/2007 muss die Europäische Kommission die Kontrollstellen überwachen, die sie für die Überprüfung von Importen zugelassen hat. Ausdrücklich kann sie dazu sogar Sachverständige mit Besuchen vor Ort beauftragen. Doch bislang hat die Brüssler Behörde trotz Benzings Beschwerden niemanden nach Äthiopien geschickt, um sich BCS’ Arbeit dort anzuschauen. Sie hat der Kontrollstelle auch nicht verboten, Importe aus Äthiopien weiterhin zu zertifizieren.
Weitere Kritik: Mitglieder einer Gruppe von Sesam-Erzeugern sollen Benzing zufolge zugegeben haben, dass sie auf Flächen, auf denen angeblich Ökolandbau betrieben werden sollte, verbotene Düngerarten und Pestizide benutzt hätten.
„Die Tatsache, dass die Bauern ,frei von der Leber weg' mit unseren Inspektorinnen darüber plauderten, ohne etwas zu verstecken zu versuchen, zeigt, dass sie entweder keine Ahnung hatten, überhaupt Teil eines Bioprojekts zu sein, oder nicht wussten, was ‚bio‘ bedeutet“, sagt Benzing der taz. „Es zeigt auch, dass offensichtlich nie echte Inspektionen stattgefunden hatten, sonst hätten die Bauern ja zumindest versucht, zu vertuschen.“