Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Maisaussaat Erster Schnitt 2024 Rapspreis

News

Interview mit Fernsehjournalistin: "Nie Einflussnahme erlebt"

Bauer Willi hat mit der Journalistin und Buchautorin Iris Rohmann über das schwierige Verhältnis von Medien und Landwirtschaft gesprochen. Hier das auf die wichtigsten Aussagen gekürzte Interview; das vollständige lesen Sie auf der Seite bauerwilli.com.

Lesezeit: 7 Minuten

Bauer Willi hat mit der Journalistin und Buchautorin Iris Rohmann über das schwierige Verhältnis von Medien und Landwirtschaft gesprochen. Hier das auf die wichtigsten Aussagen gekürzte Interview; das vollständige lesen Sie auf der Seite bauerwilli.com.

 

Frau Rohmann, Sie sind ja freie Journalistin und arbeiten viel für das WDR-Fernsehen. Da bekommen Sie doch sicherlich einiges an Vorgaben, wie ein Bericht über Landwirtschaft auszusehen hat, damit der auch gesendet wird, oder?


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Vorgaben wie ich über Landwirtschaft zu berichten habe? Ehrlich gesagt nein. Themen für Beiträge entstehen durch gemeinsame Gespräche mit Redakteuren und Kollegen, wir verstehen uns als Team. Zuweilen entstehen Ideen auch beim gemeinsamen Mittagessen. Ich spreche mit vielen Menschen über Landwirtschaft. Sie alle steuern Informationen bei, nur selten sitze ich ganz allein im Büro und tüftele einen Beitrag aus.


Ist es Ihnen schon passiert, dass Kommentare von der Redaktion “verändert” wurden, damit es in den Zeitgeist passt?


NEIN. Ich habe es noch nicht erlebt, dass meine Beiträge zensiert worden sind. Es ist NICHT üblich. Zumindest nicht in den Redaktionen, für die ich seit längerer Zeit arbeite. Für unsere jüngste WDR-Reportage „Wie gut ist unsere Milch“ haben meine Kollegin Monika Kovacsics und ich fast ein Jahr lang recherchiert. So lange, bis mir die Milch zu den Ohren rauskam und ich zuweilen das Gefühl hatte: Ich verstehe gar nichts mehr. Es ist zu komplex. Jeder sagt etwas anderes. Am Ende waren wir vollkommen frei darin, die Essenz all dessen, was wir erfahren, gesehen und gehört hatten, in dreißig Minuten aufzubereiten, nach bestem Wissen und Gewissen.


Dabei sind zwei Dinge wesentlich: Ein Beitrag sollte verständlich sein. Und: Zuschauer sollen sich eine eigene Meinung bilden können. Dafür liefern wir nicht nur Fernsehbeiträge, sondern in den Internet-Auftritten zu unseren Sendungen massenweise Zusatzinformationen und Links, auch Multimediareportagen wie „Woher kommt unser Fleisch“, damit Interessierte sich weiter in einem Thema fortbewegen können. Ich möchte gern Impulse geben. Und dabei nehme ich schon eine klare Haltung ein. Aber ich manipuliere nicht.


Sie haben ja bereits einige Agrarthemen bearbeitet. Hat sich im Laufe der Zeit etwas in Ihrer Einstellung gegenüber den Landwirten/Landwirtschaft geändert?


Da kann ich nur Ja und nochmal Ja sagen. Die unmittelbarste Änderung, als wir 2013/2014 an unserer Reportage: „Woher kommt unser Fleisch“ arbeiteten, war: Ich hörte auf, Fleisch zu essen.

Stimmt nicht ganz. Ich hörte auf, billiges Fleisch zu essen. Je mehr ich über Landwirtschaft erfuhr, und auch mit Tieren und unterschiedlichen Haltungsbedingungen in Kontakt kam, desto leichter ist mir der Verzicht gefallen.


Persönlich bin ich der Meinung, dass jeder Verbraucher einmal einen Schlachthof besuchen sollte, um das wirklich zu verstehen. Ich gehe sogar noch weiter und behaupte: Unser Boden, und die Produkte die er hervorbringt, sind die Basis des Wohlstandes dieses Landes. 


Der überwiegende Teil der Berichte über Landwirtschaft sind kritisch und anklagend? Halten Sie das für berechtigt? 


Das war vielleicht einmal so, aber für die aktuelle Medienlage teile ich Ihre Wahrnehmung nicht. Ehrlich gesagt kann ich manchmal das Weinen der Bauern auch nicht mehr verstehen. Zumindest nicht, wenn es um die Medien geht – wenn es um ihre Arbeitsbedingungen und fallende Erzeugerpreise geht, kann ich das sehr wohl.


Ich lese viele Artikel zum Thema Landwirtschaft in so vielen Zeitungen, ich sehe Fernseh-Berichte, höre Radiofeatures – viele davon sind positiv, auf Seiten der Landwirte, und jede neu eröffnete Milchtankstelle wird im Lokalteil der regionalen Zeitung ausführlich beworben – auch wenn das die Milchwirtschaft nicht rettet.


Aber es gab und gibt sie – kritische Berichte. Und negative Emotionen gegenüber Missständen in der Landwirtschaft, die dann auf andere übertragen werden. Anfangs habe ich solche Fehler auch gemacht. Ich denke das hatte mehrere Gründe. Erstens: Landwirtschaftliche Themen waren nicht im Gesichtsfeld der gesellschaftlichen oder medialen Aufmerksamkeit. Zweitens: Man hat sich auf die schwarzen Schafe konzentriert. Drittens: Die Stimme der Landwirte war nicht zu hören. Sie ist bis heute nicht laut genug, deshalb ist Bauer Willi so wichtig! Viertens: Viele Landwirte hielten (und halten) Journalisten für doofe Stadtmenschen, die keine Ahnung von nix haben, und sich nicht die Schuhe dreckig machen wollen… Wie oft ist mir dieses Vorurteil entgegengeschlagen. Nur weil ich gern rote Schuhe trage…


Summa Summarum denke ich: Wir sind auf einem guten Weg miteinander. Dialog ist wichtig. Und das geschieht auch mehr und mehr – unser Gespräch ist ein Beispiel dafür. Schauen Sie Berichte wie „Kleine Bauern, große Bosse“ (NDR), oder „Die Gülleflut“ (WDR), „Mut gegen Macht – die Milchrebellen“ (WDR), „Armes Schwein“ (NDR) oder – last but not least: „Wie gut ist unsere Milch?“ (WDR). Und ich nenne jetzt nur ARD-Produktionen. Das sind informative Dokumentationen, die in Zusammenarbeit von Journalisten und Landwirten entstanden sind.


Billige Lebensmittel auf der einen Seite, der Wunsch nach mehr Tierwohl auf der anderen Seite. Wie sehen Sie die Rolle des Bürgers, des Verbrauchers und des Lebensmitteleinzelhandels? Warum kommen diese beiden Gruppen in den Medien relativ wenig vor, bzw. gut weg?


Ja – warum sagen Verbraucher in allen Umfragen, sie würden mehr Geld ausgeben für mehr Tierwohl, doch an der Fleischtheke greifen sie dann doch zu den Rinderrouladen für 4,99 das Kilo? Ich höre viele Argumente von Verbrauchern – die meisten davon haben mehr mit Bequemlichkeit zu tun als mit Geldproblemen.


Vielleicht ist es so, dass wir Menschen instinktiv auf schnell und billig anspringen – „All you can fress“ wie es in einem Film so schön heißt? Vielleicht ist es einfach nur schwer, Gewohnheiten zu verändern? Davon kann ich schließlich ein Lied singen. Und wenn Ethik auf der einen Waagschale liegt – und Rinderrouladen für 4,99 – was wiegt wohl stärker?


Ich möchte Stephanie Strotdrees vom gleichnamigen Biolandhof zitieren: „Die politische Entscheidung jedes Verbrauchers sitzt in seinem Portemonnaie.“ Das ist die Rolle des Bürgers, der Verbraucher ist. Martin Hofstetter, Agrarexperte von Greenpeace, würde wohl hinzufügen: „Wenn wir mehr Tierwohl wollen, müssen wir bereit sein, den Aufpreis zu zahlen. Das sollte es uns wert sein.“ Ich weiß nicht, wie oft ich solche Statements schon in meine Beiträge rein geschnitten habe. Oder wie viele Lebensmittelskandale Verbraucher noch benötigen, damit etwas sich ändert – und zwar so, dass alle davon profitieren – Verbraucher, Landwirte, Tiere, Böden. Ja – wir sind entfremdet von dem, wovon wir leben. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass wir als Spezies noch zur Vernunft kommen.


Die Rolle des Einzelhandels? Die Lebensmittel-Konzerne streichen viele Millionen Gewinne ein. Sie können ja mal nachfragen, wie viel genau – da werden die Auskünfte dann sehr vage. Das ist eine grundverkehrte Stellschraube unseres Wirtschaftssystems. Gewinn ist alles. Gier wird belohnt. Sozialverträglichkeit, Arbeitnehmerrechte, Qualität der Produkte, Förderung regionaler Wirtschaftsstrukturen – klar, da gibt es Feigenblätter und Pilotprojekte, doch im Grunde läuft alles über den Preis. Kartoffeln aus Zypern oder aus Ägypten sind billiger, als die vom Landwirt um die Ecke. Bio aus Israel ist billiger, als vom Biobauern vor Ort. Das geht in meinen Augen in die falsche Richtung.


Der Einzelhandel könnte konkreter und umfassender regionale, saisonale Ware fördern. Viel mehr als die momentanen Pilotprojekte, denen sich sogar Aldi angeschlossen hat – der Discounter, der Milliarden mit der Armut der Menschen macht, aber nicht einmal eine anständige Pressestelle unterhält. Es müssen existenzsichernde Erzeugerpreise gezahlt werden. Aber wie soll das gehen, in unserem gewinnorientierten, auf Wachstum geeichten Wirtschaftssystem? Bin für Ihre Vorschläge offen!

 

Die Redaktion empfiehlt

top + Top informiert in die Maisaussaat starten

Alle wichtigen Infos & Ratgeber zur Maisaussaat 2024, exklusive Beiträge, Videos & Hintergrundinformationen

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.